Dieses Zitat hatte ich vor fünf Jahren schon meinem Blogpost zum siebzigsten Jubiläum vorangestellt, finde ich es doch nach wie vor wert, daran zu erinnern, auf welcher Basis der parlamentarische Rat damals nach dem grauenvollen Krieg die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland formuliert hat.
In den fünf Jahren, die seitdem ins Land gegangen sind, hat sich viel getan, viel verändert, sowohl auf politischer Ebene - und das nicht nur auf unser kleines Land beschränkt - als auch im sozialen Miteinander.
Es ist alles nicht einfacher geworden, reißen doch Minderheiten durch ihr lautstarkes Auftreten bzw. eine emsige und geschickte Nutzung der Möglichkeiten, die die sozialen Medien geschaffen haben, durch Lüge und Manipulation ( auch mithilfe feindlicher Mächte, die solche Desinformation finanzieren ) die Deutungshoheit über die Stimmung & Verfasstheit der Menschen in diesem Land an sich, greifen opportunistische Politiker immer mehr populistische Meinungen auf, schon mal haarscharf an der Präambel und mehr vorbei. Letzteres ist reine Ablenkung, finde ich, um eine Wählerschaft zu befriedigen, die sie bei anderen Themen nicht befriedigen können.
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. (Artikel 1, Absatz 3 GrundG )
Erfreulicherweise hat das Oberverwaltungsgericht Münster im Rahmen seines Prozesses aufgrund der Klage der Blaunen gegen die Beobachtung durch das Bundesamt für den Verfassungsschutz auch noch einmal ein Spotlight auf den Artikel 116, Einzelnorm des Grundgesetzes, gerichtet, der vielleicht gerne außer acht gelassen wird, aber klar macht, warum zu Beginn des Jahres so viele Menschen wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik auf die Straße gegangen sind wegen der ruchbar gewordenen Absichten ihrer Akteure:
Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
Klar gemacht hat das Gericht auch, dass die Blaunen bzw. "maßgebliche Teile" der Partei deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen juristisch abgewerteten Status zugestehen. Das ist allerdings eine nach dem Grundgesetz-Artikel 3 unzulässige Diskriminierung aufgrund von Abstammung, die auch mit der Menschenwürdegarantie nicht im Einklang ist. Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar ist laut Auffassung des OVG nicht die deskriptive Verwendung eines "ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“, sondern dessen Verknüpfung mit einer politischen Zielsetzung, mit der Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund der Status als gleichberechtigtes Mitglied der rechtlich verfassten Gemeinschaft aberkannt wird.
So viel dazu, obwohl noch mehr zu sagen bliebe... Wen's noch interessiert: Hier ist eine juristische Einschätzung zu finden zu den Einwänden der Blaunen gegen das Urteil & den Verfassungsschutz.
Erneute Aktualität haben in den letzten Wochen auch weitere Grundgesetzartikel bekommen, denn der Begriff der Meinungsfreiheit ( Artikel 5 ) wird immer wieder verfälscht und inzwischen droht eine Zerstörung derselben, weil Gewalt gegen Leib und Leben als Mittel der politischen Einflussnahme immer gerechtfertigter, normaler zu werden scheint und eine Atmosphäre geradezu lustvoller Daueraggression geschaffen worden ist. Man führt zudem einen "geistigen Bürgerkrieg", so der rechte Vordenker Götz K*bitschek.
Ich greife als Historikerin nicht gerne zu Vergleichen mit der Weimarer Republik. Dennoch erinnern mich die Vorkommnisse zuletzt daran, dass die SA damals die Hoheit über die Straße mittels der Gewalt ihrer Schlägertruppen peu à peu durchgesetzt hat. Gruppen wie die "Elblandr*volte" unlängst in Leipzig z.B. scheinen sich das als Vorbild zu nehmen. Im vergangenen Jahr ist im Schnitt alle 18 Minuten eine rechtsextrem motivierte Straftat begangen worden - das nur mal am Rande...
Unsere Probleme sind vielfältiger & mehr geworden: Pandemie, Klimawandel, Kriege. Da hilft es allerdings nicht, "denen da oben" irgendwelche "Denkzettel" zu verpassen und den öffentlichen Raum mit Verbitterung und Hass zu fluten. Nach dem Krieg hieß es mal "Ärmel aufkrempeln - zupacken - aufbauen". Unter dieser Devise bin ich aufgewachsen und habe mich entsprechend in meinem produktiven Leben in unser Gemeinwesen eingebracht. Missmutige Eckensteher, die nur erwarten, dass das von ihnen bei der Wahl bei ihrer Partei Bestellte anschließend geliefert wird, scheinen den Artikel nicht so ganz verstanden zu haben. An der Gestaltung einer Gesellschaft sind ALLE nach ihren Möglichkeiten gefordert & hoffentlich beteiligt. Und Kompromisse sind da zwangsläufig. Schaffung autokratischer Strukturen, weil manche sich allein als das Maß aller Dinge betrachten, sind zum Glück von einer Mehrheit nicht gewollt. Wir wissen, warum.