Donnerstag, 16. März 2023

Great Women #330: Rosa Bonheur

Im Dezember letzten Jahres hat mir Ghislana/Jahreszeitenbriefe ein Faltblatt des Musée d'Orsay in Paris zukommen lassen, nachdem sie dort von der Schau zum Bicentenaire der Malerin Rosa Bonheur tief beieindruckt gewesen ist. Heute bekommt die Malerin endlich auch den ihr gebührenden Platz in meiner Blog-Reihe über grossartige Frauen...


"Elle fait de l’art sérieusement, 
or l’on peut la traiter en homme."
Théophile Gautier

"Kunst ist ein Tyrann. 
Es fordert Herz, Gehirn, Seele, Körper."

Zur Welt kommt Rosa Bonheur als Marie-Rosalie Bonheur heute vor 201 Jahren in Bordeaux in der Rue Saint-Jean-Saint-Seurin Nr. 2 ( heute Rue Duranteau Nr. 55 ). Ihr Vater ist der mäßig erfolgreiche Porträt- und Landschaftsmaler Raymond Oscar Bonheur, 1796 geboren, ihre Mutter die ein Jahr jüngere Christine-Dorothée-Sophie Marquis, eine Klavierlehrerin, die sich abmüht, die Familie mit Unterricht und Nähen über Wasser zu halten.Die Familie hat jüdische Wurzeln, aber katholisch getauft, und ist sehr arm.

Rosa ist ihr erstes Kind. Es folgen noch drei Geschwister, François Auguste (1824, später ebenfalls Landschaftsmaler), Isidore Jules (1827, der spätere Bildhauer) und Marie Julie Joséphine Victoire, genannt Juliette (1830, spätere Ehefrau des Bildhauers Hippolyte Peyrol ). 1848 wird noch ein Halbbruder, Germain, geboren werden, der sich beruflich ebenfalls der Malerei zuwenden wird - eine echte Dynastie also!

Der Vater ist den Ideen des Henri de Saint-Simon zugeneigt, einer frühsozialistischen Bewegung, in der der Anteil des Einzelnen am gemeinsam erwirtschafteten Wohlstand nach seiner eingebrachten Leistung bemessen werden und all die, die parasitär leben wie der Adel, leer ausgehen sollen. Die Anhänger der Bewegung setzen sich zudem für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Raymond Bonheur schließt sich ihnen an und zieht 1830 nach Menilmontant, südwestlich von Paris, wo für die eifrigeren Jünger der Bewegung eine Art Kloster im Entstehen ist.

1833 stirbt die Mutter an Tuberkulose, da ist Rosa elf Jahre alt. Sie wird nie das extreme Opfer vergessen, das ihre Mutter gebracht hat, um ihre Kinder großzuziehen und ihrem Mann gleichzeitig zu ermöglichen, seine weltanschaulichen Ideen zu verfolgen, um sie letztendlich mit den Kindern im Stich zu lassen. Rosa sieht die Mutter auch als ihren Schutzengel und zieht aus deren Tod den Schluss, einen anderen Weg einzuschlagen: Sie nimmt sich vor, niemals einen Mann zu heiraten, um die Kontrolle über ihr eigenes Leben und ihre Angelegenheiten zu behalten ( vergleiche auch diese französische Malerin ).

Das Mädchen besucht zusammen mit seinen Brüdern eine Jungenschule, die kleine Schwester kommt in eine befreundete Familie. Einer anschließenden Ausbildung zur Näherin verweigert sie sich. Sie zeigt allerdings ein bemerkenswertes Talent im Zeichnen von Tieren. Weil Rosa als Mädchen aber der Zugang zur Kunstakademie verschlossen ist, unterrichtet sie der Vater. Rosa hilft auch einem befreundeten Ehepaar beim Kolorieren. 

Dem Wunsch ihres Vaters entsprechend besucht sie dann doch noch ein Mädchenpensionat, aus dem sie aber bereits 1835, mit 13 Jahren, als schwer erziehbar entlassen wird. Rosa gilt schon von kleinauf als Wildfang. Ab da arbeitet sie im Atelier des Vaters und verbringt viel Zeit mit dem Kopieren alter Meister im Louvre, wo man sie wegen ihres jungenhaften Auftretens "Der kleine Husar" nennt. Die Bewegungen und Formen von Tieren studiert sie auf Bauern-, Vieh- & Schlachthöfen, auf Tiermärkten & Pferdemessen, und es gelingt ihr, sich ein fundiertes Wissen über die Anatomie von Tieren anzueignen.

Ab 1837 lebt Rosa bei der Familie Micas. Henriette Micas ist eine gute Freundin der Mutter. Mit Jeanne Sarah Nathalie, der zwei Jahre jüngeren Tochter der Micas, wird sie eine lebenslange Freundschaft verbinden.

1841 debütiert sie im Pariser Salon mit zwei kleinen Gemälden – eines mit zwei Kaninchen, die an einer Karotte knabbern, das andere mit Ziegen und Schafen.

In der Folge stellt sie dort regelmässig aus, wobei sie immer wieder mit Medaillen ausgezeichnet wird. 1848 gewinnt sie einen Sonderpreis des Komitees, dem die berühmten Maler Eugène Delacroix, Jean-Auguste-Dominique Ingres und Jean-Baptiste-Camille Corot angehören.

Bald darauf erhält sie einen großzügigen Auftrag vom Staat: Das Ergebnis ist "Pflügende Ochsen im Nivernais", das heute im Musée d'Orsay zu betrachten ist, eine riesige Leinwand, die zwei Gespanne von Ochsen zeigt, die im Herbst, wenn die Erde vor Einbruch des Winters umgegraben wird, schwere Pflüge ziehen.

In ihrem Atelier malt sie ein Bild, dessen Dimensionen allein schon außergewöhnlich sind:  1,33 mal 2,60 Meter, Maße, wie sie nur für Historienbilder oder Portraits üblich sind. Rosa stellt die gängigen Regeln aber infrage, indem sie mit diesem monumentalen Bild Tiere, Natur und bäuerlicher Arbeit eine Bedeutung und Würde zuweist, wie es bisher nicht üblich gewesen ist. Die Tiere nehmen sogar die Mitte des Gemäldes ein, insgesamt sechs Ochsen, so detailgetreu, dass man sie sogar verschiedenen Rassen zuordnen kann: Es sind vor allem Charolais-Nivernais-Ochsen, aber auch Morvondelle- und Fémeline-Ochsen, die heute ausgestorben sind. Die Menschen spielen dagegen- wie meist zukünftig bei Rosa - nur eine untergeordnete Rolle

Ausschnitt aus einem Porträt
ihres Bruders Auguste
(1848)

Das Bild ist ein triumphaler Erfolg  und bleibt - entgegen der ursprünglichen Planung - in Paris, genau gesagt im Musée du Luxembourg, dem damaligen "Pantheon der größten zeitgenössischen Künstler". Eine außerordentliche Auszeichnung für die 27 Jahre junge Malerin!

Als ihr Vater 1849 mit 52 Jahren stirbt, ist sie schon wer in der Pariser Kunstszene.

Einen neuen Staatsauftrag bekommt sie von dem nach dem Staatsstreich von 1851 zum Kaiser Napoleon III. ausgerufenen Louis Bonaparte. 

Rosa legt dafür Studien für zwei Themen vor: "Heuernte in der Auvergne"  und "Le marché aux chevaux de Paris". Der Staat entscheidet sich für die Heuernte, nicht nur weil Rosa damals schon eine ausgewiesene Malerin von Rindern ist, die bei der Heuernte wieder eine zentrale Rolle spielen, sondern auch deshalb, weil der Staat daran interessiert ist, den neuen Kaiser als einen Förderer bäuerlichen Lebens herauszustellen.

Das Gemälde wird 1854 vom Staat für 20 000 Francs gekauft und wieder im Musée du Luxembourg aufbewahrt.

"Heuernte in der Auvergne/La fenaison en Auvergne"
(1855)



Das Pferdemarkt-Projekt lässt sie nicht fallen, sondern führt es auf eigenes Risiko mit großer Energie weiter.  Sie betreibt lange Vorstudien, die sie in unzähligen Zeichnungen festhält. 

Die Polizeipräfektur stellt Rosa 1857 eine offizielle Genehmigung aus, die ihr gestattet, Männerkleidung zu tragen ( "Permission de travestissement", aber nur bedingt vergleichbar mit dem "Transvestitenschein" Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland ) – um sich auf Pferdemärkten & Schlachthöfen bewegen zu können. Studien seien ihr als animalière nicht anders möglich, so in ihrem Antrag. Um diese Erlaubnis muss alle sechs Monate neu nachgefragt werden. Weite Bluse und Hose eines Bauern wird sie für den Rest ihres Lebens weiterhin tragen, obwohl sie für ihre Kleidung auch verspottet und herabgesetzt wird. Auf offiziellen Fotos erfüllt sie mit ihrer Bekleidung aber die damaligen Normen.

Zu ihrer Zeit gibt es durchaus andere Malerinnen, aber keine erschüttert dermaßen die weibliche Konventionen und malt die Tiere mit lebensechten, anspruchsvollen Details, groß und wild. Das ist aber nur möglich, weil sie sie in ihrer natürlichen, schlamm- und geruchsgefüllten Umgebung studiert.

Die Gleichberechtigung der Geschlechter findet Rosa richtig, aber nicht als feministische Kämpferin für alle Frauen, sondern nur für sich selbst und ihre Kunst. Rosa verhält sich übrigens auch sonst jenseits der traditionellen Rollenmodelle, eben "männlich" nach den den damaligen Vorstellungen. Dazu gehört auch, dass sie raucht ( Selbstgedrehte! in einer Zeit, als das Rauchen für Frauen mit Prostitution in Verbindung gebracht wird ), die Haare kurz trägt, rittlings statt im Damensattel auf dem Pferd sitzt, mit einer Waffe schießt und gelegentlich Kaninchen jagt. 

Mit Nathalie Micas ( ganz links ) und ihren Brüdern und der Freundin auf dem rechten Foto
(1864/65)
Auch in ihrem Privatleben weicht sie von den gängigen Mustern ab: Sie lebt zusammen mit ihrer Freundin Nathalie Micas, die ebenfalls Malerin und eine selbsternannte Erfinderin ist und deren Arbeit größtenteils von Rosa Bonheurs Werk überschattet wird. Sie umsorgt Rosa wie eine Ehefrau, kümmert sich um Besucher, erstellt ein Werkverzeichnis und führt geschäftliche Verhandlungen, so dass Rosa sich ganz auf ihre künstlerische Arbeit konzentrieren kann. Mit ihren Einkünften sorgt sie für den Unterhalt ihrer Wahlfamilie.

"Dass Rosa und Nathalie jeweils die engste Beziehung der anderen darstellten, stand außer Zweifel", schreibt Catherine Hewitt, Verfasserin einer Bonheur-Biografie 2021."Ihre Zuneigung und zärtliche Fürsorge füreinander war die eines verheirateten Paares … Kein Mensch wurde jemals Zeuge dessen , was zwischen Rosa und Nathalie vor sich ging, nachdem sie ihre Tür zugemacht haben und sie allein waren." Bonheur selbst zog Mehrdeutigkeit der Klarheit vor. Einmal hat sich Bonheur über Micas so geäußert: "Wäre ich ein Mann gewesen, hätte ich sie geheiratet, und niemand hätte sich all diese dummen Geschichten ausdenken können. Ich hätte eine Familie gehabt, mit meinen Kindern als Erben, und niemand hätte sich beschweren können."

Doch zurück zum "Pferdemarkt": 18 Monate arbeitet Rosa an dem Bild. Die endgültige Version misst 2,4 mal 5 Meter: Eigentlich eine an sich banale Szene, die aber von der Malerin wie ein Schlachtengemälde konzipiert wird. 

Zunächst findet sich kein Käufer für das Bild, obwohl Delacroix und Claude Vernet es als Meisterwerk anerkennen. Auch Rosas Geburtsstadt Bordeaux, der sie es für 12 000 Francs angeboten hat, greift nicht zu. Dafür Ernest Gambart, ein belgischer Sammler, der es ein Jahr später für 40 000 Francs kauft und mit dem Vertrieb der Werke Bonheurs zum Millionär wird. Er lässt mehrere kleinere Kopien und jede Menge Grafiken anfertigen und bedient alsbald eine immer größere Nachfrage. Besondere Resonanz findet er  im angelsächsischen Raum. Gambart organisiert für Rosa eine Tournee durch England und Schottland, wo sie gefeiert wird. Königin Victoria lässt sich 1855 das Bild privat in Windsor Castle vorführen. Das Rollenverständnis der Engländer nervt die Künstlerin allerdings und sie resümiert: "Ich habe keine Geduld mit Frauen, die zum Denken um Erlaubnis bitten."

© Château Rosa Bonheur
Dem Werk steht nun nichts mehr im Wege, um bei Publikum und Kritik großes Interesse zu erregen und Rosas Ruhm als bedeutendste Tiermalerin des 19. Jahrhunderts zu begründen. ( 1887 wird das Bild von Cornelius Vanderbilt für eine Rekordsumme mehr als 400 000 Dollar erworben und dem Metropolitan Museum of Art in New York City geschenkt werden. )

Der auch finanziell sensationelle Erfolg dieser Malerei gestattet es der Künstlerin, 1859 das Château de By in in Thomery, heute dem Département Seine-et-Marne der Region Île-de-France zugehörig, zu erwerben, wo sie fortan mit ihrer Lebensgefährtin, deren Mutter und einem umfangreichen Privatzoo ( u.a. Löwinnen ) leben wird. Rosa Bonheur wird somit die erste Frau in Frankreich, die mit ihrer Hände Arbeit eine Immobilie finanzieren & erwerben kann. 

Château de By ist ein dreistöckiges Herrenhaus aus dem 16./17. Jahrhundert. Rosa nutzt zunächst das Billardzimmer als Atelier, bis ein prächtigeres mit raumhohen Fenstern nach Norden gebaut ist. Das Schloss, mit Backstein und Stein errichtet, befindet sich in einer fast zehn Hektar großen bewaldeten Parklandschaft umgeben von hohen Steinmauern und grenzt an den königlichen Wald von Fontainebleau. Hier kann die eigenwillige Künstlerin ein Leben ohne gesellschaftliche Zwänge führen und sich ungestört ihrer Arbeit widmen, bleibt aber dennoch durch eine 1861 eingerichtete Bahnlinie mit Paris verbunden, wo sie eine Malschule und ein weiteres Atelier betreibt.

"Changement de pâturage"
(1863)


Von nun an ist Rosa nicht mehr darauf angewiesen, ihre Tiergemälde auf den Salons auszustellen, denn ihr Erfolg gestattet es ihr, nur noch im Auftrag zu arbeiten. Sie gilt als erste Künstlerin der Welt, deren Werke bereits zu Lebzeiten Spekulationsobjekte sind. 

"Schafe und Lämmer"
(1866)


1865 wird sie als erste Malerin und neunte Frau zum Ritter der französischen Ehrenlegion erhoben. Kaiserin Eugenie überreicht ihr den Orden am 10. Juni 1865 persönlich bei einem Besuch in Château de By. 1894 ernennt man sie dann sogar als erste Frau zum "Officier de la Légion d’Honneur".

Sie nimmt weiterhin an Ausstellungen in Paris, Antwerpen, London teil, u.a. mit dem "König des Waldes" von 1878 bzw. "Lions at Home" von 1881 ( 1880 hat ihr Gambart zwei Zirkuslöwinnen geschenkt ). Weitere Berühmtheit erlangt sie mit ihren Portraits der Truppe von Buffalo Bill für die Pariser Weltausstellung 1889. Ein Porträt von Col. William F. Cody hoch zu Ross nutzt dieser zur Eigenwerbung und reitet zum Dank auf ihrem Landsitz ihre Wildpferde, Geschenke aus den Staaten, zu. Die Malerin lässt sich durch Buffalo Bills Show zu ihrem Bild "Indianer auf Bisonjagd" inspirieren. Rosa teilt die Anschauung, dass Indianer - ganz im Rousseau'schen Sinne - Vertreter eines besseren, ursprünglichen Stadiums der Zivilisation sind.

Mit Anna Klumpke
(1898)
1889 endet mit dem Tod Nathalies eine symbiotische Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, und die 67jährige Malerin verfällt in eine Depression. Nach einer langen Trauerzeit findet Rosa Bonheur in ihrem letzten Lebensjahr Trost und neue Schaffensfreude in der Beziehung zur 34 Jahre jüngeren, aus San Francisco stammenden Malerin Anna Elizabeth Klumpke. Diese ist nach Frankreich gekommen, um die von ihr seit ihrer Studienzeit in Paris verehrte Tiermalerin zu porträtieren.  

Am 11. August 1898 unterzeichnen beide eine Vereinbarung: Rosa lässt in Chateaux By ein Studio für Klumpke bauen, und Klumpke erklärt sich bereit sie zu portraitieren sowie ihre Biographie zu verfassen. Anna ist wohl für Rosa die Tochter, die sie niemals gehabt hat.

Der finanzielle und berufliche Status, den die Malerin erlangt hat, ermöglicht es ihr immer wieder, das vorherrschende Frauenbild ihrer Zeit herauszufordern, indem sie die Kontrolle über ihre eigenen Angelegenheiten übernommen hat. So kämpft sie auch darum, die Abschnitte des Napoleonischen Kodex zur Erbschaft abzuschaffen, die Frauen daran gehindert hat, Eigentum zu erben. Sie nutzt ihren letzten Willen und ihr Testament, um eine Gesetzesänderung zu erzwingen und das Recht zu haben, ihr Eigentum an eine Frau – in diesem Falle an Anna Klumpke – zu übertragen. 

Anna Klumpke" Porträt der Rosa Bonheur"
(1898)
Am 25. Mai 1899 stirbt Rosa Bonheur mit 77 Jahren an Lungenentzündung in den Armen ihrer Lebensgefährtin. In ihrem Testament hat sie diese zu ihrer Alleinerbin gemacht, zum Entsetzen der Familie. ( Anna einigt sich später aber gütlich mit ihnen. ) Ihrem Wunsch folgend wird Rosa auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt, neben Madame Micas und Nathalie.

Rosa Bonheurs für das 19. Jahrhundert einmaliger Publikumserfolg erklärt sich gewiss durch ihre handwerkliche Perfektion und ihre Motivwahl, die dem Zeitgeschmack eines bürgerlichen Publikum entsprochen hat. Doch in der Zwischenzeit ist der Impressionismus zum Maßstab dessen geworden, was in der Kunst gilt. Vieles von dem, was vorher gewesen ist, wird nun in den Augen der Trendsetter nur noch geschätzt, wenn es auf dem Weg zur modernen Kunst bahnbrechend gewesen ist. Rosa Bonheur gerät in Vergessenheit.

Das ist schon bei der großen Versteigerung 1900 in Paris zu erkennen, die gerade mal 1 Million Francs erbringt, zumal wenn man bedenkt, dass erst 13 Jahre vorher Vanderbild allein für den "Pferdemarkt"  400 000 Dollar gezahlt hat.

Wenn Rosa Bonheur inzwischen als "femme d’avant-garde" gefeiert wird, dann wegen ihrer unkonventionellen Lebensweise und weniger als Malerin. Bei der Beschäftigung mit ihr steht oft nicht das Werk, sondern ihre Person im Vordergrund. Das lässt sich auch im Internet ablesen, zum Beispiel hier, wo die Frage gestellt wird "Wie lesbisch kann Tiermalerei sein?" Das Selbstbild der Malerin steht auch ganz oben auf der Themenliste der Geschlechterforschung.

Betrüblich, wie wenig von ihren Malereien in den französischen Museen zu bestaunen ist, auch dass ihr Wohnsitz immer mehr verfällt, bis  Katherine Brault, aufgewachsen in Fontainebleau, ihn 2017 erwirbt und mit ihren Töchtern mit Hilfe von Lotteriegeldern, dem Einsatz eines Fernsehmoderators und des Präsidenten Macron und seiner Ehefrau Brigitte aus seinem Dornröschenschlaf erlöst.

In letzten Jahr ist dann auch der 200. Geburtstag der erfolgreichsten Malerin des 19. Jahrhunderts mit einer großen Retrospektive gefeiert worden, zunächst im Musée des Beaux-Arts in Bordeaux, der Geburtsstadt Rosa Bonheurs, und bis zum 15. Januar 2023 im Pariser Musée d’Orsay.  

"Rosa Bonheur wird wiedergeboren", sagt Lou Brault, Katherines Tochter. "Sie kommt endlich aus dem Fegefeuer heraus, in das sie zu Unrecht geworfen wurde." Das will ich doch hoffen.




Mehr Gemälde von Rosa Bonheur sind auf dieser Seite zu finden.

8 Kommentare:

  1. Viele Bilder kenne ich tatsächlich, als Drücke. Aber die Künstlerin dahinter nicht, bis jetzt. Ein so interessantes Künstlerinnenleben. Es ist immer wieder so, dass neue Kunsttrends alte Künstler und Künstlerinnen verdrängen und selbst heute dann nur so groß Namen (iR. männliche, auch bei mir, ich gestehe) im Kopf bleiben.
    Danke Dir!
    Liebe Grüße
    Nina

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  2. Ich kannte nur Fotos ihrer Bilder und sie überhaupt nicht, denn ich dachte, dass diese Bilder ein Mann gemalt haben muss. Wie erstaunlich, dass es eine solche Frau war. Es lebe das Vorurteil!
    Und wie schnell der Ruhm verging bei ihr, kaum dass sie gestorben war und nicht mehr produzieren konnte. Sonst steigen ja die Bilder an Wert...
    Eine sehr beeindruckende Biografie hast Du heute vorgestellt und mir mal wieder vorgeführt, wie Vorurteile mächtig wirken.
    Herzlichst, Sieglinde

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  3. Wie schön für Rosa Bonheur selber, dass sie ihren Erfolg erleben und genießen konnte. So hatte sie die Möglichkeit, ihr Leben so zu führen, wie sie es wollte. Dass sie später zeitweise in Vergessenheit geriet und nur unter bestimmten Aspekten betrachtet wurde, ist ja kein Einzelfall. Man sollte ihren Werken nun wieder mehr Beachtung schenken, denn sie sind so schön und einfühlsam in die Tierpersönlichkeit.
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Da gebe ich dir vollkommen recht, liebe Andrea!
      GLG

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  4. Ich kannte bisher weder die Malerin noch die Bilder. Mit naturalistischer Malerei des 19. Jahrhunderts hatte ich auch nie besonders viel am Hut. Was mir jedoch richtig gut gefällt ist, dass sie Erfolg hatte und zu Lebzeiten sehr gut von ihrer Malerei leben konnte. Ist doch viel besser als am Hungertuch zu nagen, und nach dem Tod machen andere, zumeist Männer, das große Geld. Nein, da finde ich ihre Geschichte besser :)
    LG heike

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  5. Wie interessant doch das Leben dieser Malerin war, die eine große Anerkennung ihrer Kunst noch zu Lebzeiten bekam und nach ihrem Tod nun auch wieder in den Blickpunkt gerückt wurde. Den Namen schon mal gehört und ihre Heuernte mir bekannt, konnte ich aber beides nicht zusammenbringen bzw. kannte ihren Lebensweg nicht.
    Danke dir für weiteres Wissen über eine bemerkenswerte Frau.
    Lieben Gruß von Marita

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  6. ihren namen kannte ich und auch wenige ihrer bilder. aber ich habe nie über sie nachgedacht, geschweige denn mich über sie informiert. ich bin wirklich schwer beeindruckt von ihrem lebensweg und ihrem erfolg in der damaligen männer-malerwelt. wie gut, dass sie auch heute wieder geschätzt und geehrt wird!
    ich habe dein portrait mit freude gelesen!
    liebe sonntagsgrüße
    mano

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  7. Wie so oft kenne ich die Bilder, kann sie zeitlich einordnen und bei den Namen hapert es. Dass solch eine besondere Frau dahinter steht, mit einer Gefährtin in deren Schatten, war mir nicht bewusst. Danke, Astrid.
    Liebe Grüße,
    Karin

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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