Montag, 22. Juni 2020

Auf meinem Stehpult XI

Da hat es doch tatsächlich so lange gedauert wie unserer häuslicher Rückzug in Corona-Zeiten bis zu einem neuen Lesepult - Post! Aber so richtige Leseempfehlungen konnte ich auch nicht geben, denn viele Bücher für die Kinder fanden schnell zu ihren Adressaten. Und meine Lektüre ist meist sehr zielgerichtet auf meine Donnerstagsposts bezogen.

Aber seit uns hier in meinem Bundesland ein neuer Corona - Ausbruch beschäftigt, ja aufwühlt, weil dadurch auch die menschenunwürdigen Zustände in der Fleischindustrie zum wiederholten Male zu Tage kommen, geht mir immer wieder ein Buch durch den Kopf, dessen Lektüre mich seinerzeit beeindruckt & empört hat.

Nein, es ist nicht das berühmte "Der Dschungel" von Upton Sinclair, zweifellos bemerkenswert und damals wirksam, zog es doch eine veränderte Gesetzgebung nach sich. Es ist ein Buch von Tillie Olsen - "Yonnondio" - und besonders eine Schlachthausszene darin, die in mir bis heute nachhallt.








Tillie Olsen, Kind russischer Einwanderer in die Vereinigten Staaten, hat schon sehr jung mit dem Schreiben begonnen und dieses Buch war ihr erster Roman, der aus Zeitgründen aber nie fertig geworden ist und 1974 als Fragment veröffentlicht wurde. Denn Tillie musste sich mit vielen Billiglohnjobs durchs Leben schlagen, auch teilweise als alleinerziehende Mutter, und war gleichzeitig bemüht, Menschen in dieser misslichen Lage politisch zu organisieren. Das brachte ihr sogar eine Inhaftierung ein. Aber all diese Erfahrungen boten ihr Stoff für ihr Schreiben.

In "Yonnondio" geht es um den Überlebenskampf einer armen Familie in den 1920er Jahren, zuerst in einem Kohlenrevier in Wyoming, dann als Pachtbauern in South Dakota und schließlich in einer Stadt mit Schlachthöfen wie Omaha.

Billie Olsen Roman zeigt unerbittlich den zermürbenden Effekt der Armut, wie er sich auf Anna und ihre Tochter Mazie auswirkt.

Ihr eigener Lebenskampf hält sie lange vom Schreiben ab, bis sie 1953 auf Anregung ihrer Tochter an Schreibkursen teilnimmt, ein Stipendium der Stanford University gewinnt ( und in den 1960er Jahren ein zweites des  Radcliffe Institutes in Cambridge, Massachusetts ) und so erst den Freiraum für ihre Schriftstellerei. Heute weiß man, dass sie Vorbild für andere Autoren geworden ist, was die Darstellung der Lebenswirklichkeit einfacher Arbeiter anbelangt.





Das zweite Buch ist wieder eines, das sich an Kinder wendet. Meine Nachbarin Katrin Stangl hat wieder auf ihre ganz spezielle Art eine Geschichte des französischen Autors Didier Lévy illustriert, in dem es um die Freundschaft eines Jungen, gerade von der Stadt aufs Land umgezogen, zu seinem neuen Freund Max geht, bei dem alles so ganz anders ist als in seiner Familie. Bei Max gibt es nämlich tonnenweise ungesunde Sachen, eine Spielkonsole und sogar einen Schrank mit Gewehren, weil der Vater Jäger ist - alles ganz schön attraktiv!

Während der Jagdzeit bringen sich dann die Tiere des Waldes im Garten des Jungen in Sicherheit.  Als die Jäger sie bis dorthin verfolgen, gelingt den Eltern des Jungen etwas ganz Magisches:

Sie schaffen es, dass sich auf einmal zwei Welten begegnen und schließlich auch angleichen - eine geradezu märchenhafte Geschichte in Zeiten, wo sich die Gräben immer deutlicher aufzutun scheinen. Solch sinnstiftende Erzählungen tun gut in diesen Tagen, weisen sie doch einen Weg zu einer freundlich-wohlwollenden Annäherung verschiedener Lebensvorstellungen.

Das Bilderbuch ist im Hammer - Verlag erschienen, "Yonnondio" nur noch antiquarisch erhältlich. Beide Bücher habe ich selbst erstanden und bezahlt und schreibe hier über sie, weil sie mir zusagen und nicht aus einem Auftrag heraus...







Verlinkt mit dem karminroten Lesezimmer

2 Kommentare:

  1. Deine interessanten Buchempfehlungen haben mich heute im Wartezimmer abgelenkt und auf neue Ideen gebracht.
    Vielen Dank dafür!
    Liebe Grüße
    andrea

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  2. Beide kenne ich noch nicht. Danke für den Tipp.
    LG
    Magdalena

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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