Freitag, 5. April 2019

Gefangen in Saudi - Arabien





Ist infam, weiß ich, während alle hier den aufblühenden Frühling genießen, wieder mal daran zu erinnern, was für ein unbehelligtes Leben wir hier leben dürfen ( und es gerne per sozialer Medien auch in alle Welt hinausposaunen ). Doch ich habe es mir seinerzeit geschworen, nicht locker zu lassen und an bestimmte Übel in der Welt zu erinnern, zum Beispiel an Gewissensgefangene wie Raif Badawi. Seine Frau und die beiden ältesten Kinder sind hier in einem kleinen Video zu erleben, in dem sie erzählen, wie sie mit der Situation zurecht kommen - anschauen & erinnern!

Dann möchte ich noch auf einen Bericht des britischen "Guardian" aufmerksam machen, dem medizinische Gutachten zugespielt worden sind, angefertigt für den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, in denen die Gesundheitszustände von sechzig Gewissensgefangenen in saudischen Gefängnissen penibel beschrieben worden sind. Der Kronprinz hat diese Dokumentation sogar genehmigt und das saudische Königshaus die Authentizität der Gutachten gegenüber westlichen Medien nicht geleugnet. 

Kopfschütteln & Entsetzen sind ja seit der Kashoggi - Geschichte nicht mehr zu überbieten, glaubt man, und wird eines Besseren belehrt. Drei Beispiele aus dem Gutachten:
  • Der Patient kann sich wegen Wunden in beiden Beinen und Schwäche aufgrund von Unterernährung und Flüssigkeitsmangel nicht bewegen.
  • Der Patient leidet unter schwerwiegendem Gewichtsverlust und blutigem Erbrechen. Außerdem finden sich Wunden und Prellungen über den Körper verteilt.
  • Der Patient leidet unter schwerwiegenden Verbrennungen über den Körper geteilt. Alte Wunden heilen wegen medizinischer Vernachlässigung nicht ab.
Wer den ganzen Artikel lesen will - hier lang!

Und dabei haben Sprecher der saudischen Botschaft in Washington doch noch unlängst verkündet, das Königreich habe die Konvention gegen Folter unterschrieben und verböte ihren Gebrauch. Scheinheiligkeit produziert bei mir übelsten Brechreiz...

Ruqayyah al-Muharib, Aziza al-Youssef und Eman al-Nafjan

Erfreulich ist die Nachricht, dass in der letzten Woche die Frauenrechtlerinnen Aziza al-YoussefEman al-Nafjan ( beide inhaftiert seit Mai 2018 ) und Dr. Ruqayyah al-Muharib ( eine konservative Predigerin mit großer Netzgemeinde, inhaftiert seit September 2017 ) vorübergehend frei gelassen wurden.

Die 70jährige Aziza & die Bloggerin Eman gehören zu den Aktivistinnen für Frauenrechte, die momentan in Riad vor Gericht stehen. Seit dem 13. März dieses Jahres müssen sich Loujain al-Hathloul, Eman al-Nafjan, Aziza al-Youssef, Amal al-Harbi, Dr. Ruqayyah al-Mharib, Nouf Abdulaziz, Maya’a al-Zahrani, Shadan al-Anezi, Dr. Abir Namankni, Dr. Hatoon al-Fassi und eine weitere Frau dem Verfahren gegen sie stellen. Ihnen wird vorgeworfen, Kontakte zu ausländischen Journalisten und Diplomaten gehabt und Menschenrechtsarbeit geleistet zu haben.

Die Entscheidung, die drei Frauen zu entlassen, kam einen Tag, nachdem die Angeklagten während der zweiten Anhörung vor dem Gericht sehr bewegend & detailliert geschildert haben, wie sie während der Verhöre durch - teilweise maskierte - saudische Autoritäten sexuell belästigt, gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden sind. Eine Beklagte, Shadan al-Anezi, erzählte vor  Gericht, dass einer der Männer, der sie verhörte, unter Drogen stand, während er sie missbrauchte. Alia al-Hathloul, die Schwester von Loujain al-Hathloul, hat das alles berichtet.

Beobachter im Land hoffen, dieser Vorgang ist ein gutes Zeichen. Aber man könne schwer einschätzen, was die Behörden als Nächstes tun werden. Dass diese Tortur vorübergeht, ist der Wunsch aller.


4 Kommentare:

  1. Infam oder nicht, es ist gut, erinnert zu werden. Danke. Herzlich, Sibylle

    AntwortenLöschen
  2. Infam ist ja nicht die Erinnerung daran, infam ist diese Realität.
    Hoffentlich können die drei Frauen nicht nur vorübergehend die Freiheit genießen. Traumatisiert werden sie eh für ihr Leben sein.
    Wie gut es uns geht, wird immer wieder freitags hier klar.
    GlG Sieglinde

    AntwortenLöschen
  3. Ich finde es ganz wichtig, Deine Erinnerungen!
    Wie oft, teile ich Deine Beiträge bzw. verweise ich auf Deinen Blog auf meiner FB-Seite. Ich habe darin aufgerufen, daß KEIN LAND mehr WAFFEN an diese Barbaren liefert. Ich habe eben die Mitteilung erhalten, daß mein Beitrag nicht veröffentlicht werden wird und gelöscht wurde. Er "verstößt" gegen die Menschlichkeit.

    Die Roboter können anscheinend nicht lesen!

    Ich werde Deine "Anstöße" immer und immer wieder einstellen!

    Schönes Wochenende- und nochmals DANKE für Deine Erinnerungen!

    Luitgard Möschle



    AntwortenLöschen
  4. Das ist überhaupt nicht infam! Uns geht es gut, wir sind frei und satt und sicher. Wenn wir nicht gegen Missstände ankämpfenten, wer dann? Jemand der schon am Boden liegt wert sich schlechter! Also Frühling in vollen Zügen genießen UND mit seinen eigenen Mitteln die Welt ein bisschen besser machen.

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.