Freitag, 1. März 2019

Von Unfreiheit & Freiheit, von Männern & Frauen, in Saudi - Arabien und sonstwo

Im Moment ist es ja wieder recht still geworden bei uns in den Medien, wenn es um Saudi - Arabien und seinen Kronprinzen Mohammed bin Salman geht. Sicherlich arbeitet er eifrig weiter an seinen ehrgeizigen Plänen für das Land für die Zeit nach dem Versiegen der Ölquellen. Es hat z.B. ja auch Pläne, Saudi-Arabien in ein für westliche Touristen attraktives Urlaubsland zu verwandeln. Es wird keinen verwundern, wenn ich ein solches Land nie bereisen würde, in dem Menschen vollkommen zu Unrecht verhaftet und die Sharia - Gesetze mit Folter und Todesstrafe angewandt werden ( andere sind da weniger zimperlich ). Im Land selbst wird weiterhin mit Zuckerbrot ( ein wenig ) und Peitsche ( oder noch viel tödlicher ) gegenüber der eigenen Bevölkerung agiert...

Einer der aktuell Inhaftierten ist Fahad al-Fahad, der im April 2016 verhaftet wurde und erst 2017 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden ist. Außerdem verhängten die Behörden ein zehnjähriges Reiseverbot und ein unbefristetes Schreib- und Social-Media-Verbot gegen ihn.



Fahad, der im englischen Hull einen Master in Werbung und Marketing abgeschlossen hatte, kehrte nach dem Ausbruch des "Arabischen Frühlings" hoffnungsfroh in sein Land zurück. Er nahm an, dass sich auch dort die Lebensverhältnisse zum Besseren ändern würden. Noch im selben Jahr, während er als Berater für das saudi-arabische Arbeitsministerium arbeitete, lernte er Waleed Abulkhair, den späteren Anwalt Raif Badawis kennen, und besuchte ein wöchentliches Forum für freie Rede in der Wohnung des prominenten Menschenrechtsaktivisten.Dort wurden politische, kulturelle und religiöse Themen offen diskutiert. 2012 begleitetet er Samwar Badawi, Raifs Schwester und Ehefrau von Waleed Abulkhair, nach Stockholm, wo diese stellvertretend für ihren Mann den Olof-Palme-Preis entgegennahm. Damals geriet er auf die Überwachungsliste der saudischen Behörden.

2013 reiste Fahad in den Libanon, um dort an einem Kurs zur Überwachung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen teilzunehmen. Der wurde von der "Bahrain Society for Human Rights" organisiert. Ab diesem Zeitpunkt hat er über die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien informiert und war ein wichtiger Kontaktmann für die diversen internationalen Menschenrechtsorganisationen, darunter "Human Rights Watch".

Nach der Verhaftung Waleed Abulkhairs im Jahr 2014 setzte Fahad sich für ihn in den Sozialen Medien ein. 2015 fuhr er nach Genf zum Menschenrechtsrat, wo er in Zusammenarbeit mit dem "Gulf Center for Human Rights (GC4HR)" eine Veranstaltung zur Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien abhielt. Als Raif Badawis Schwester Samwar Anfang 2016 zu einer Polizeistation gebracht wurde, war es Fajad, der nicht von ihrer Seite wich. Im April des Jahres wurde er dann selbst eingesperrt.

Auch Fahad al-Fahad bezahlt einen hohen Preis dafür, dass er an die Meinungsfreiheit und die Allgemeinen Menschenrechte glaubt, aber in ein Land hineingeboren wurde mit einem der schlechtesten rechtlichen Standards weltweit. Auch wenn er weniger prominent ist, hat er den Weg bereitet für ein besseres Leben künftiger Generationen. Er sollte neben all den bekannteren Aktivisten nicht vergessen werden.




"Doch ich will mich selbst aussuchen, 
was ich studiere und was ich arbeite. 
An welchem Tag ich heirate 
und welchen Mann. 
Und ich will auch das Recht haben, 
mich dazu zu entschliessen, 
gar nicht zu heiraten."

Saudisisters

Hier hatte ich über den Fall einer jungen saudischen Frau berichtet, die vor der Tyrannei der Männer in ihrer Familie nach Australien fliehen wollte und in Thailand ihren Pass abgenommen bekommen hat, dann aber tout le monde von ihrer Situation über Twitter informiert hat und letztendlich nach Kanada ausreisen konnte.

Im damaligen Post habe ich auch darüber berichtet, dass es immer wieder junge Frauen gibt, denen es gelingt, aus Saudi - Arabien zu fliehen. Zur Zeit sitzen wieder zwei Schwestern, 18 und 20 Jahre alt, in Hongkong fest, die sich Reem und Rawan nennen und vor Gewalt & Missbrauch durch Vater und Brüder geflohen sind. Ihre Flucht haben sie seit zwei Jahren mit einer App geplant. Während eines Familienurlaubs im September in Sri Lanka haben sie dann ihre Pässe aus der Tasche ihrer Eltern genommen und einen Flug nach Melbourne gebucht.

Auch ihnen ist vom saudischen Generalkonsul Omar al-Bunajan mit Hilfe zweier Flughafenmitarbeiter der Pass entwendet worden und ihr Weiterflug nach Dubai umgebucht worden. Es gelang ihnen aber vor Flugantritt, in die Stadt zu fliehen und dort unterzutauchen. In einer Stellungnahme teilen die Schwestern mit, dass sie sich vom Islam abgewendet haben ( und damit in Saudi-Arabien mit der Todesstrafe rechnen müssen ). "Wir sind von zu Hause geflohen, um uns in Sicherheit zu bringen. Wir hoffen, wir bekommen Asyl in einem Land, das die Rechte von Frauen anerkennt." ( Hier geht es zu ihrem Twitter Account )

Die Hongkonger Behörden wollen die Beiden noch bis zum 28. Februar "dulden". Danach könnten sie abgeschoben werden. Da ihre Pässe widerrufen wurden, gelten sie momentan als "staatenlos".

Was die App anbelangt: Die und eine dazugehörige Computersoftware stammt eigentlich vom saudischen Innenministeriums und heißt "Absher", was in etwa "In Ordnung!" bedeutet. Das Programm regelt digital alle möglichen Behördengänge von der Zahlung eines Strafzettels bis zur Beantragung eines Passes oder der Anmeldung eines Neugeborenen. Über die App verwalten allerdings die Männer und Väter die Daten der von ihnen abhängigen Frauen & Mädchen und können festlegen, wie viele Reisen die eigene Frau oder Tochter unternehmen darf, ob sie das Land überhaupt verlassen darf und wohin. Man kann sich sogar per SMS benachrichtigen lassen, wenn sie an einem Flughafen eincheckt oder versucht die Grenze zu überqueren. Es scheint trotzdem offensichtlich ein Leichtes, von einem vom Vormund genehmigten Flughafen aus ein Ticket z.B. nach Minsk in Weißrussland oder Georgien zu buchen, weil man für diese Länder kein Visum braucht.

Wieder in den Blickpunkt westlicher Medien gerückt ist diese App durch die Geschichte von Shahad al-Moheimeed, einer jungen Frau, deren Fluchtgeschichte der "Business Insider" ( hier in aller Ausführlichkeit zu lesen ) für einen Artikel recherchiert hat – inklusive der Rolle, die das Überlisten von "Absher" dabei spielte...

Wer wissen möchte, wie Frauen mit Hilfe von Technologie verfolgt, bedroht und tyrannisiert werden, braucht dazu allerdings nicht unbedingt in den Nahen Osten schauen, es reicht, ein deutsches Frauenhaus oder eine Frauenberatungsstelle zu besuchen und mit jenen zu sprechen, die täglich mit solchen Fällen zu tun haben. Denn auch bei uns ist es üblich, dass manche Partner und Ex-Partner das Handy ihrer Frauen und Freundinnen mit versteckten Programmen überwachen, ihren Standort auskundschaften, all ihre Chats und Telefonate mitlesen und hören. Spyware nennen sich die Programme. Und die sind auch hierzulande ganz legal zu kaufen.

Aber das ist dann eher wieder ein Thema für meinen Wochenend - Post...




5 Kommentare:

  1. Ob es jemals eine Welt ohne all das geben wird? Ohne Bestrafung von klugen Menschen, die einfach das sagen, was sie für richtig halten und damit Mächtigen und Dummen (und zumweilen dummen Mächtigen) auf den Schlips treten... Ohne Gewalt gegen Frauen, ohne die Anendung von Religion als Druckmittel...? Ein schöner Traum...
    Herzliche Rostrosen-März-Grüße, Traude

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  2. Im Frauenmonat März ist natürlich das Thema "Gewalt gegen Frauen" besonders präsent. Dass eine perfide Spy-Technik dies nochmals verschlimmert, macht sie noch bedrohlicher und noch schwieriger zu bekämpfen. Gewalt ist ja nicht nur körperliche Verletzung, wie Du schon schreibst, sondern das geht ja viel weiter.
    Im März gibts viele Veranstaltungen auch zu dem Thema und ich hoffe, sie werden gut besucht.
    Herzlichst
    Sieglinde

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  3. Das kann einen alles nur noch sehr wütend machen. Leider kommt auch immer ein Gefühl von Hilflosigkeit dazu.
    LG
    Magdalena

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  4. da stimme ich Magdalena zu. Wir leben hier so was von privilegiert - und dennoch gibt es auch hier Situationen, die Frauen total abhängig und ohnmächtig machen. Und mundtot. und frau rstickt fast an ohnmächtigem Zorn. Wie vieles schlimmer ist Frauenleben in einem Land wie Saudi-Arabien. Oder Indien. LG Eva

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  5. Danke Astrid, dass Du am Ball bleibst. Wir dürfen nicht ein Recht oder Rechtchen als selbstverständlich ansehen, das tapfere Frauen erkämpft haben. Die meisten Frauen auf der Welt sind immer noch von den "gesunden Söhnen des Patriachats" in unglaubliche Schranken verwiesen- harmlos ausgedrückt. WIR können hier gefahrlos reden. Warum tun es so wenig? Wo bleibt die breite Frauen- Solidarität? Herzliche Umarmung aus Münster!
    Lisa

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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