Mittwoch, 20. Juni 2018

#DHMMeer - eine Blogparade

"Europa und das Meer" heißt eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin, die seit dem 13. Juni 2018 in der Hauptstadt zu besuchen ist.  Tanja Praske, die Kulturbloggerin, hat mich auf eine Blogparade des Museums aufmerksam gemacht, die uns einlädt, in Posts unsere ganz persönliche Beziehung zum Meer zu verraten. Gerne!

"Mein" Meer ist das Mittelmeer, ganz eindeutig ( obwohl ich die rauhe Nordsee und das sanftere Mare Balticum auch sehr, sehr mag ). Irgendwie ist in meiner Vorstellung aus diesem Wasser unsere so viel beschworene Kultur "gestiegen" oder besser: Rund um das Mittelmeer stehen die vielen Wiegen, in denen unser Tun und Denken, unsere Art des Zusammenlebens, unsere Geschichte & Geschichten, selbst viele unserer essentiellen Lebensmittel zur Reife gebracht worden sind.


Das wäre so ein Narrativ, wie das heutzutage nun denn heißt, so eine sinnstiftende Erzählung, die ich meinen Enkeln vor dem Einschlafen anbieten könnte.

Darin kämen auch die schaumgeborene Aphrodite vor und Odysseus, über die mediteranen Teilmeere irrend, von freundlichen Delphinen begleitet und allerlei fabelhaften Kreaturen geprüft. Und natürlich Kretas Küste, die die Kinder im realen Leben kennen, an die der Stier Europa trug, und wo sich eine Kultur entwickelt hatte, die für mich viele heitere, lebensfrohe Elemente enthielt wie die Bienen von Malia, den Lilienprinzen, die artistischen Stierspringer und in der die vielen Frauen auf den Wandmalereien in ihrem Ausdruck Kraft und Weisheit zeigen.

In dieser Erzählung müssten natürlich auch die vielen Schiffe vorkommen, die Lebensmittel und andere Dinge des täglichen Gebrauchs, Menschen, Ideen von einer Küste an die andere brachten, aber auch Feindseligkeit, Gefahr, Eroberungslust, die die Machtverhältnisse rund um dieses Meer immer wieder aufs Neue ordneten. 

Da ist dann auch die verloren gegangene Bibliothek von Alexandria zu finden, dieser idealtypische Wissenspeicher der Antike in der damaligen Metropole der levantinischen Küste des Mittelmeeres, die von großer kultureller Offenheit geprägt war, immer noch, als ich sie in den 1980er Jahren erleben durfte. Über die Ursache ihres Verlustes gibt es nur Legenden. Tatsache ist hingegen das spätere Desinteresse der Menschen an den Inhalten der Bibliothek, als sich die Weltanschauungen und die politischen und religiösen Zugehörigkeiten wieder einmal geändert hatten.

Dass unsere kulturelle Kontinuität rund ums europäische Meer dennoch gewahrt wurde, ist denjenigen zu verdanken, die wir in der Jetztzeit so fürchten, von denen wir uns abgrenzen, nämlich den Arabern. Und die trugen das alte Wissen rund ums südliche Mittelmeer zurück nach Europa, wo es eine Renaissance erfuhr. Große geistige Bewegungen wie der Humanismus und die Reformation entwickelten sich nun auf festem Boden, ebenso die großartige Erfindung, die diese Ideen verbreiten half, der Buchdruck. Die Horizonterweiterung der ganz anderen Art erfolgte ab da über die anderen Weltmeere...

Die Eroberungen jenseits dieser Meere brachten die Vormachtstellung der Europäer, den ungeheuren Reichtum, die Bildung größerer Nationalstaaten mit feudaler Struktur, ließ aber auch das Selbstbewusstsein des Bürgertums wachsen und begünstigten die Entwicklung humanistischer Ideale. Aber deren Verbreitung nahm nun nicht mehr nur den Weg über die Wasser, sondern immer mehr über die Köpfe und Herzen der Menschen...

Auch wenn es lange dauerte und sich die Europäer erst einmal die Hölle auf Erden bereiteten, bevor sie sich der alten Gemeinsamkeiten und Wertvorstellungen erinnerten und als wichtigstes Gut den Frieden ansahen - diese Einsicht dauerte an, ein ganzes Menschenleben lang, so dass nun die Überzahl der Menschen rund um die europäischen Meere gar nichts mehr vom einstigen Elend weiß. 

Seitdem wieder Menschen über die Meere kommen, aus Krieg und Not und Unterdrückung, taugen diese Ideen & Ideale aber auf einmal manchen in Europa nichts mehr. Langsam, aber sicher entledigen sich allerorts Europäer lautstark und dominant der Tabus und der Überzeugungen, die so lange und aufgrund historischer Erfahrungen gewachsen sind.

Mich macht das immer wieder ganz verzweifelt. Wie kann man etwas aufgeben, dass uns Menschen so ein gutes Leben gebracht hat? Eines, in dem wir uns an den Küsten des "Mare nostrum" heiter bewegen durften wie auf den kretischen Wandmalereien. Oder war das nur ein Traum?


18 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,
    Herzliche Grüße vom Meer!
    Nicht vom mittleren kultiviert lächelnden, sondern vom wilden grauen Trutz blanker Hans.
    Hier stürmt es seit Tagen, mit und ohne Sonnenschein, ich liebe es.
    Deine kleine Geschichte über das „Mare Nostrum“ finde ich ganz wunderbar.
    Der Verzweiflung, die Du ob der Geschichtsvergessenheit empfindest, die uns nicht nur in Europa ereilt, entfliehe ich hier auf Ameland für zwei Wochen. Das Inselleben grenzt auch die Seele ein wenig ab. Das tut gut. Man darf nur nicht zu viele Nachrichten schauen...
    Herzliche Grüße über das stürmische Meer von
    Lisa

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  2. Das hast Du so schön beschrieben Astrid. Die ganze Meeres-Geschichte ist einem nun gegenwärtig.
    Ich finde, einen Traum haben wir nicht erlebt, es war und ist noch in vielen Bereichen zum Glück unsere Realität. Tatsächlich leben wir immer noch auf einer Art Insel der Seligen.
    Wie lange das noch so anhalten wird, das ist die Frage. Gibt es in Europa eine Art kollektives Bewusstsein für die Ideale, die übers Meer zu uns kamen damals?
    Im Mittelalter taten Menschen anderen Gutes, damit sie selbst ins Himmelreich kommen. Das ist ja nicht gerade nur selbstlos, sondern war ein großer Anreiz.
    Was wäre heute der Gewinn dafür?
    Was kann Menschen - mich eingeschlossen - dazu verführen sich mitmenschlich und nachhaltig zur "Schöpfung" allgemein zu verhalten?
    Diese Fragen beschäftigen mich.

    Wenn ich aber irgendwo aufs Meer schaue, dann denke ich oft, dass es dieses noch gibt, wenn es mich schon lange nicht mehr gibt.
    Für mich ist das ein schöner Gedanke.

    Herzlichst, Sieglinde




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  3. wunderschön hast du das geschrieben..
    vielleicht war es wirklich nur ein Traum
    allerdings möchte ich dann nicht gerne aufwachen

    liebe Grüße
    Rosi

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  4. Das hast Du wunderschön geschrieben. Ich war schon lange nicht mehr am Meer und sollte das unbedingt nachholen. Irgendwie ist mir das Mittelmeer aus den Augen geraten, dafür hat sich dann dieser riesige, trennende Atlantik dazwischen geschoben..
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Ich war auch seit drei Jahren nicht mehr am Meer, am Mittelmeer seit zwanzig Jahren...Und jenseits des Atlantiks hätte ich jetzt auch nicht so gerne liebe Menschen.
      LG

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  5. Sehr lesenswert, deine Mittelmeergedanken mit dem Bogen zur Jetztzeit!
    LG Ulrike

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  6. Liebe Astrid,
    was für ein wunderschöner Beitrag heute wieder bei dir! Das MEER ist wie unsere Gedanken, so frei und offen, so wild, stürmisch und sanft.
    Was ist es für ein herrlicher Blog, den du schreibst. Wieviel Mühe machst du dir! Ich bewundere das täglich und bin stolz und immer wieder gerührt, hier zu lesen, das zu genießen und mir dazu meine Gedanken zu machen. Wie oft hast du mich schon angeregt, bestimmte Bücher zu lesen, Artikel, oder über einzelne Dinge nachzudenken! Allein deine Frauenposts sind voller toller Infos, so lebensnah und mitfühlend geschrieben, dass sie alle wirklich druckreif sind.
    Ja, das MEER! Ich liebe es so sehr, auch wenn ich schon länger das wunderbare Mittelmeer nicht mehr erlebt habe, genauso die Nord- und Ostsee, an denen wir früher so oft waren. Manchmal, wenn mir Böses widerfährt - das geschieht ja jedem von uns immer mal wieder -, dann denke ich daran, wie das Meer mit seinen Wellen kommt, heranrollt, mit schäumender Gischtkrone, und im Rückrollen alles Schwere, Belastende, Dumme und Böse mitnimmt, weit hinaus... Ich wünsche dir einen meeresverzauberten Tag! Wer Fantasie hat wie du, der muss nicht am Meer sein, um es zu fühlen! Herzlichst, Sunni

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  7. Das Mittelmeer ist für mich immer ein Ziel gewesen und du hast mir noch einmal die Bedeutung und Historie um dieses Meer gezeigt. Wie schön ist es auf Kreta, der Wiege und Kultur und der >Philosophen und Denker. So viel Gutes, auch bei unsrer letzen Reise nach Andalusien war das Mittelmeer wunderschön- mit arabischen Kunstschätzen- und doch hatte ich diese Flüchtlingsgeschichten im Kopf.Wie passend, dass dein Post heute erschienen ist-
    ich mag das Mittelmeer und seine -Geschichte, hoffentlich für Viele mit einem guten Ende.
    Gruß zu dir
    heiDE

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  8. Nein, es war kein Traum. Aber damit "es" weiter Realität bleiben kann muß EUROPA so erhalten bleiben wie es gedacht war bzw. ist: als großer Raum des Friedens, des Miteinanders, des Gemeinsamen. Wir alle können, nein müssen in diesem Sinne unsere Stimmen erheben.

    Danke, liebe Astrid, immer wieder für die Themen, die Du ansprichst.

    Viele herzliche Grüße
    Elena

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  9. mit dem mittelmeer verbinden sich zur zeit für mich haupsächlich gedanken an all die menschen, die sich aus krieg, elend und not auf eine schwere und ungewisse reise begeben und oftmals dem tod ausgeliefert sind.
    deine gedanken zum mittelmeer habe ich aber gern gelesen, schließlich war ich ja sogar einmal auf kreta. meine sehnsuchtsmeere liegen allerdings weiter im norden und ich habe so oft meerweh. bald bin ich wieder dort!
    liebe grüße
    mano
    schade übrigens, dass man die blogparade nur fb und tw sehen kann, da ist aber nicht jede/r dabei!

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    1. Liebe Mano,

      die Beiträge werden unter der Einladung zur Blogparade aufgeführt und verlinkt. Aktuell gibt es bei der Kommentarfunktion ein Problem, aber Beiträge können via E-Mail an das Museumsteam geschickt werden und die tragen Artikel und URL ein, damit alle, auch die, die nicht bei FB und Tw sind, mitlesen können. Ist nur leicht zeitverzögert.

      Also, sehr gerne mitmachen - wir freuen uns über deine Gedanken!

      Herzlich,
      Tanja

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  10. Sooo schöne Meeresbilder!!!Liebe Grüße, Taija

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    1. Sind nur alle von der Nordsee... Vom Mittelmeer habe ich sie nur analog. Aber ich habe noch eine Malerei à la Jasper Johns mit einer Mittelmeerkarte.
      LG

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  11. Liebe Astrid,

    heute erst gesehen - was für ein toller Start unserer Blogparade #DHMMeer. Ich bin so froh, dich angefunkt zu haben, sonst wären uns deine subtilen Gedanken entgangen.

    Unsere Kultur ist eng mit Europa verbunden und ja, auch mit philosophisch-arabischen Gedankengut. Gefährliche Strömung gibt es in Europa, die Menschlichkeit ad absurdum führen und die von Geschichte nichts gelernt haben. Wenn die Blogparade hier zu mehr Nachdenken animiert, dann haben wir einiges bewirkt. Dabei sollte es aber nicht bleiben, wir sollten uns unseres Freigeistes, unserer Demokratie und unserer Menschlichkeit wieder mehr besinnen und helfen #andieeigeneNasepack.

    Merci nochmals - ich bin restlos begeistert!

    Herzlich,
    Tanja von KULTUR - MUSEUM - TALK

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  12. Moin liebe Astrid,

    mit deinem Kommentar zu unserem Beitrag zur Blogparade bist du mir zuvorgekommen. Trotzdem wollte ich es mir nicht nehmen lassen auch dir ein paar Zeilen zu schreiben. Nicht nur, weil ich durch die Blogparade dich und deinen Blog kennenlernen durfte, sondern weil du – wie ich zumindest aufgrund der letzten von dir veröffentlichten Beiträge erkennen konnte – dein Herz auch auf der Zunge trägst. Ich mag das, auch wenn man hier und da aneckt, aber jeder darf doch seine eigene Meinung haben. Was ich in unserer Gesellschaft total vermisse ist Toleranz. Aber gut, das ist ein anderes Thema. Unser gemeinsames Thema war das Meer und ich fand in deinem Beitrag gut, dass du auf das Erlernte eingegangen bist, sprich, deine letzten beide Absätze sind leider aktueller denn je.

    Liebe Grüße,
    Claudia

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  13. Ein wirklich wunderschöner Beitrag!
    Liebe Grüße
    Julie

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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