Donnerstag, 22. Juni 2017

Great Women # 105: Gabriele Wohmann


Auf die Autorin Gabriele Wohmann bin ich schon in meiner Gymnasialzeit durch eine besonders engagierte junge Deutschlehrerin aufmerksam gemacht worden. Aber erst in meinem Referendariat in einer Brühler Hauptschule habe ich ihre Kurzgeschichten schätzen gelernt, denn die haben meine damaligen 14jährigen Schüler begeistert als Anlass genommen, um darüber ausgiebig und differenziert zu diskutieren.  
Ja, damals gab es noch solche Hauptschüler, interessiert, bildungswillig, die alles aufsogen, wie ein Schwamm, was ihnen die nur zehn Jahre ältere Frau P.-K- bieten konnte. Gerne erinnere ich mich daran. Und an die Schriftstellerin, die heute vor zwei Jahren gestorben ist.

Gabriele Wohmann kommt am 21. Mai 1932 als Gabriele Guyot als drittes von vier Kindern des Pfarrers Paul Daniel Guyot und seiner Frau Luise Lettermann in Darmstadt zur Welt. 

Der Name Guyot ist waldensischen Ursprungs, denn die Familie stammte aus jenen Tälern in den Cottischen Alpen, von wo die vorreformatorischen evangelischen Gläubigen im Mittelalter u.a. nach Hessen vertrieben worden sind. Über ihre Mutter Luise ist Gabriele mit dem Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg aus Ober - Ramstadt verwandt, über ihren Vater, dessen Mutter eine Textor gewesen ist, mit Goethes Familie mütterlicherseits. ( Goethe wird denn auch neben Anton Tschechow der literarische Leitstern für die spätere Schriftstellerin. )

Viktoriaschule in Darmstadt - Bessungen vor dem Krieg
"Ich hatte das Privileg mit einer riesigen Bibliothek im Haus aufzuwachsen. Diese große Verfügbarkeit der Literatur war natürlich prägend" - so wird sie sich später äußern. Mit sechs Jahren erfindet sie die ersten Geschichten, verschenkt sie zu Geburtstagen, "weil ich zu faul zum Basteln war".

Der Vater führt als evangelischer Theologe den Hessischen ( und später auch den Rheinisch-Westfälischen ) Diakonie-Verein, der 1907 von seinem Vater begründet worden ist. Gabriele wächst also in einem Pfarrhaus auf ( das sie mehrfach liebevoll porträtieren wird ), in Bessungen, dem ältesten Teil der Stadt Darmstadt, und geht dort auf die Viktoriaschule, einem Lyzeum für Mädchen.

Später berichtet sie, dass sie in ihrem Elternhaus mit ihren drei Geschwistern eine überaus glückliche Kindheit gehabt habe: „Über meine Eltern kann ich nur Schönes sagen, deshalb brauchte ich über sie auch nicht zu schreiben.“ ( Quelle hier )

Während der Zeit des Nationalsozialismus - dem ihre Eltern als Angehörige der Bekennenden Kirche ablehnend gegenüber stehen - entwickelt sich bei dem Kind die Fähigkeit zum Widerspruch gegen jegliche Inhumanität, zur Toleranz und eine Sensibilität für Zwang & Unterdrückung. Sie lernt, frei von Anpassung den eigenen Weg zu gehen. Andererseits lebt sie aber auch von ihrer ( nazistischen) Umwelt isoliert, erlebt sie als extrem fremd und beklemmend. "Furchtbare Erinnerungen. Wenn man diese Erinnerungen hat, dann jetzt diese Idioten zu sehen, die eigentlich überhaupt kein Hirn haben", kommentiert sie diese Zeit rückblickend in einem Interview von 2002. Wahrscheinlich entwickelt sie schon in jenen Tagen den Blick, der später das Zusammenleben der Menschen unbestechlich analysieren wird.

Der vom Vater vertretene & gelebte Glaube wird das Kind Gabriele ebenfalls für immer prägen:
"Er hat uns Kindern Gott so nahegebracht, dass man sich davon nie mehr trennen kann. Als Kind lebte ich in dem Gefühl: Es kann mir nichts passieren, solange meine Eltern da sind und aufpassen; ich fühlte mich völlig sicher in der Welt. So denke ich auch über Gott: Er ist ein ganz großer Trost in meinem Alltag, ein Leben ohne Gott wäre furchtbar." ( Quelle hier
Da die Viktoriaschule während eines Luftangriffs auf Darmstadt im September 1944 weitestgehend zerstört worden ist, setzt Gabriele nach dem Krieg ihre schulische Ausbildung im Internat des Nordsee-Pädagogium auf der Insel Langeoog fort, wo sie ein externes Abitur ablegt. 

Von 1951 bis 1953 studiert sie Germanistik, Romanistik, Philosophie und Musikwissenschaft in Frankfurt und lernt den sechs Jahre älteren Reiner Wohmann kennen, der ebenfalls aus Darmstadt stammt. Da sie ihr Studium nicht zufrieden stellt, bricht sie es ab und heiratet, 21jährig, Reiner Wohmann und zieht mit ihm für ein Jahr nach Langeoog, wo sie als Lehrerin an ihrer ehemaligen Schule unterrichtet, später an einer Volkshochschule und einer Handelsschule. Nach ihrer gemeinsamen Rückkehr nach Darmstadt beendet ihr Mann sein Studium und wird Lehrer am Studienkolleg für ausländische Studierende in Darmstadt. Gabriele hingegen privatisiert und beginnt 1956 zu schreiben. 1957 erscheint in der Zeitschrift "Akzente" die Erzählung "Ein unwiderstehlicher Mann" -  ein Debüt mit Folgen. 1958 folgt der Roman "Jetzt und nie", der einen Tag aus dem Leben eines Bitumenvertreters schildert. 
1960er Jahre

Sie findet Freunde unter den Schriftstellern in der Darmstädter Künstlerkolonie Park Rosenhöhe und nimmt an Tagungen der "Gruppe 47" bis 1967 teil:
"In der Gruppe 47 - ich kam erst 1960 dazu - habe ich mich eigentlich nie zu Hause gefühlt. Ich hoffte, durch die Gruppe bekannt zu werden. Später hat man ja erfahren, dass die innigen Freundschaften in dieser Gruppe um Hans-Werner Richter herum gar nicht so innig waren, dass es da furchtbar viele Feindseligkeiten gab", bekennt sie in diesem Interview
Und im Zusammenhang mit der in BR-Alpha gesendeten TV-Dokumentation "Vom Glanz und Vergehen der Gruppe 47" meint sie, vielen sei es bei den Treffen der Gruppe nur ums anschließende Feiern mit Besäufnis gegangen...

Von der Literaturkritik wird Gabriele Wohmann nach der Veröffentlichung von "Sieg über die Dämmerung" (1960) als das größte und giftigste satirische Talent der Bundesrepublik gefeiert. Der Kritiker Marcel Reich-Ranicki bescheinigt ihr sogar, dass es im gesamten deutschen Sprachraum nur sehr wenige Schriftsteller gebe, die die Autorin besser seien oder ihr gleich kämen.

Noch größeren Erfolg erzielt sie in den Siebzigern, als sie den bedeutenden Roman "Ernste Absicht" veröffentlicht. Darin erzählt sie die Geschichte einer Schriftstellerin, die sich während eines Krankenhausaufenthalts Klarheit über ihr Leben und ihr Verhältnis zu den Menschen in ihrer Umgebung verschaffen will. Der Roman ist nicht einfach zu lesen aufgrund seiner langen inneren Monologe.

Gabriele schreibt gerne und viel und bezeichnet sich selbst – ein bisschen ironisch und oft zitiert – als "Graphomanin".
"So ein inneres Vibrieren gehört zu mir, eine Nervosität. Wenn ich schreibe, bin ich am unlebendigsten, weil ich mich dann konzentriere. Deswegen ist das Schreiben gut für mich, dann vergesse ich die Außenwelt und alles andere und mich selber. Ich muss jeden Tag schreiben. " ( Quelle hier )
Ihre oft lakonischen Geschichten stehen der Frauenliteratur nahe, doch das Private bleibt in ihren Texten für lange Zeit tatsächlich das Private. Und anders, als z.B. Christa Wolf, schlägt sie keine Brücke zur Politik und den Themen der Zeit.

Sie wendet sich in ihren Texten überwiegend den Beziehungsmustern zu, die das Zusammenleben von Mann und Frau - von ihr kurz "Paarlauf" genannt - bestimmen. Mit einer Sprache voll Ironie und Präzision,  in der Dialektik von Nähe und Distanz schreibt sie über Beziehungsunfähigkeit, Selbstentfremdung, Abhängigkeiten & Unterdrückung und die Unfähigkeit zur Kommunikation. Meist entstammen ihre Protagonisten dem Bildungsbürgertum: Sie gehen ohne materielle Not durchs Leben, sind aber mit einem ganzen Sack charakterlicher, seelischer und zwischenmenschlicher Mängel befrachtet. Mit ihren Analysen der westdeutschen Mittelstandswelt trifft Gabriele den Nagel auf den Kopf, und die Leser jener Zeit können sich in all ihren Texten wieder erkennen. ( Patchworkfamilien, diese ganzen neuen Lebensformen, die wir heute so kennen, kommen in ihren Texten kaum vor. )

"Mir ist dies etwas verrufene Private relevant genug, meinetwegen auch gesellschaftlich relevant genug, denn es liefert die Startbahn für alles Überprivate", sagt sie, auf die Frage, warum sie nie die Gesellschaft beschreibe, sondern in ihren Erzählungen auf Intoleranz, Anpassung, Unmoral abziele. 

1972
Von ihrem Ehemann Reiner Wohmann nach Kräften in der Arbeit unterstützt, führt sie selbst keine Ehe, die Vorbild für "trübselige Schilderungen despotischer Gatten und Väter hätte sein können", wie weniger wohlwollende Kritiker über ihre Erzählungen urteilen.

Reiner Wohmann ist schon in jenen Jahren, als der Begriff noch nicht gebräuchlich ist, ein Hausmann im besten Sinne, der seiner schreibenden Frau den Kopf frei hält, den Alltag organisiert und sie umsorgt. Er ist ihr Lektor und Archivar und zuständig für die oft mühsame literarische Sekundärarbeit. ( Ihr Ehemann wird ihr und ihrem Werk tatsächlich über sechzig Jahre seines Leben widmen. ) Als ihr ihr Verlag vorschlägt, unter dem ungewöhnlicheren Mädchennamen zu veröffentlichen, lehnt sie ab mit dem Verweis, dass ihr Mann "doch alles mitmacht". Die Rolle, die ihr die Medien damals zuweisen, ist nicht immer schmeichelhaft:
"Viele sagen, ich sei die Frau mit dem bösen Blick. Männer mögen von Frauen nicht gern das Satirische. Ihre Ironie verletzt sie am meisten." Und an anderer Stelle: 
"Meistens finde ich, was Männer über Frauenempfindungen denken, unfreiwillig komisch und missglückt. Frauen sind aus der männlichen Perspektive unglaublich sexgierig und wollen mehr und mehr. Woran ich sehr zweifle. Ich lese beispielsweise John Updike und Philip Roth sehr gern; aber ihr unheimlicher Sexismus stört mich. Aus Sex ein Mysterium zu machen, finde ich lächerlich."
Noch Anfang der 1960er wird ein Fernsehspiel von ihr über das Misslingen von Gemeinschaft abgesagt, weil es zu negativ sei. Dabei "handelt alle dauerhafte Literatur von den unglaublichen Kompliziertheiten des menschlichen Zusammenlebens, in dem sich winzige Kränkungen zu katastrophalen Zerstörungen auswachsen können", kommentiert sie das.

In den 1970er Jahren sieht das dann schon ganz anders aus: Da schafft es ihr viertes Fernsehspiel 1973 sogar schon vor der Sendung in die Boulevard - Presse. "Ex-Drogensüchtige erzählt ihr Schicksal" oder: "Das Spiel, das bitterer Ernst war", heißt es da u.a.
Das Fernsehspiel heißt "Entziehung - ein Tagebuch", handelt von einer nach Beruhigungsmitteln süchtigen Frau, die den Gatten und das Leben satt hat und sich in einen Intellektuellen verliebt. Der Clou: Gabriele Wohmann selbst spielt die Rolle der Entzugsperson, als Laie unter lauter Profis ( an der Seite Heinz Bennents u.a. ), verwahrt sich aber strikt dagegen, dass sie sich selbst darstellt:

Source



Fast 2 Millionen Zuschauer sehen den Auftritt der Autorin...

Ihren größten Erfolg beim Leserpublikum erzielt sie dann mit dem 1974 erschienenen Roman "Paulinchen war allein zu Haus", der mehr als zwanzig Auflagen erlebt und 1981 auch verfilmt wird.

Von der feministischen Literaturkritik wird sie hingegen oft ( auch wegen oben erwähnten "bösen Blicks" ) gerügt. In einer Schweizer Rezension schreibt Ester Cornioley 1975 sogar:
"Durch das Werk der Gabriele Wohmann zieht sich wie eine Blutspur ihr gestörtes Verhältnis zur Frau, zum eigenen Geschlecht, ziehen sich ihre hasserfüllten Volten gegen alles Weibliche, die sie in extremen Momenten in die Nähe der Esther Vilar bringen."
In andere Kritiken wird ihr ein zu behutsamer Umgang mit dem männlichen Geschlecht vorgeworfen - noch heute durchzieht den Beitrag über die Schriftstellerin bei fembio ein leichter Vorwurf des Anti- Feminismus. Ihre Reaktion darauf:
"Das tangiert mich wirklich nicht. Ich habe nie Emanzipationsprobleme gehabt. Als Kind war ich selbstbewusst genug. Das liegt sicher an ermutigenden Eltern, die nicht gesagt haben: Du bist bloß ein Mädchen. Du kannst nichts! Man muss von sich aus Selbstvertrauen haben. Es klappt sowieso nicht, wenn jemand sagt: Sei doch stolz, dass du eine Frau bist! Stolz ist sowieso Quatsch!" ( Quelle hier )

1977
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Die Heldinnen ihrer Bücher seien wie sie selbst, hat man sich gern eingeredet, denn auf vielen Fotos blickt sie unterm schwarzen Haar meist herb und düster in die Welt. "Ich bin kein Fabulierer, kein Personen- und Stoff-Erfinder, ich habe den Authentizitätstick, also werde ich beim Schreiben auch immer so ziemlich in meiner eigenen Nähe bleiben", sagt sie von sich selbst.

Doch erst nach dem Tod des Vaters 1974 - und einer psychischen Krise - beginnt Gabriele nicht nur kritisch über die Begebenheiten zu schreiben, die sie in ihrer Umwelt beobachtet hat, sondern sie fragt nun nach "dem Richtigen" und beginnt, persönliche Erlebnisse zu verarbeiten:

In ihrem Roman "Schönes Gehege" (1975) schickt sie einen übersatten, melancholischen Schriftsteller auf Sinnsuche. Und in "Ausflug mit der Mutter", dem Roman von 1976, der vom Umgang mit der frisch verwitweten Mutter handelt, verarbeitet sie die eigenen Schuldgefühle. "In der ausführlichen Sorgfalt, mit der Gabriele Wohmann solch banale, herzliche Kleinigkeiten schildert, hat der Roman seine Qualität", schreibt damals Peter Iden in der "Zeit".

1988
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In den 1980er Jahren erscheinen schon mal bis zu zehn Werke von Gabriele Wohmann pro Jahr: Romane, Erzählungsbände, Gedichtbände, einzelne Texte in bibliophilen Ausgaben. Das Lob des Feuilletons ist ihr sicher und das Interesse der Leser auch.

Der Roman "Der Flötenton" von 1987 nimmt in ihrem Werk insofern eine Sonderstellung ein, da Gabriele entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheiten auf ein aktuelles gesellschaftliches Ereignis reagiert, die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Sie beschreibt darin, wie die Menschen nach dem Gau leben und im Dunstkreis der radioaktiven Wolke ihren Beziehungsalltag gestalten.

Für ihre Werke erhält die Autorin zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem 1981 den deutschen Schallplattenpreis, 1988 den Hessischen Kulturpreis, 1992 den Konrad-Adenauer-Preis der Deutschland-Stiftung und 1997 das Große Bundesverdienstkreuz, außerdem 2002 die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg. Dies Auszeichnungen werden - wie auch all ihre Verträge & Urkunden - von Reiner Wohmann verwahrt.

Gabrieles ältere Schwester Doris, der sie sich besonders verbunden fühlt, erhält 1994 die Diagnose "inoperabler Gehirntumor", stirbt daran 1999 - ein halbes Jahr nach dem Tod der gemeinsamen Mutter. Ein Schmerzensjahr der Schriftstellerin...
Sie verarbeitet das Erlebte in "Abschied von der Schwester" (2001). Dieses Buch, in einer Grenzsituation entstanden, gewinnt seine Überzeugungskraft vor allem auf der menschlichen Ebene.

Ihren siebzigsten Geburtstag 2002 nennt Gabriele "ein unerfreuliches Ereignis". Wie nur wenige Schriftstellerinnen hat sie sich bis dahin innerhalb des launischen Literaturbetriebs behauptet und etliche Verlagswechsel überstanden. Einer jüngeren Generation von Lesern ist sie aber zu diesem Zeitpunkt kein Begriff mehr. Vielleicht, weil sie nicht den Launen des Publikums nachläuft? Zu ihrer Entfremdung vom Literaturbetrieb gesellt sich die Gewissheit der Folgen des Alterns:

"Nein, Frauenleben mit viel kosmetischer Betreuung sind mir fremd. Aussehen will ich nicht mit Ansichten verbinden. Kommt plötzlich etwas, muß ich einfach darauf setzen. Alles Fixierte liegt mir nicht.“ ( Quelle hier )

Doch all die -osen, wie sie sagt, ( ihre Arthrose und die Osteoperose ) machen ihr das Leben an sich schwer. Das Reisen – eine Unmöglichkeit. Lesungen – eine Zumutung für den Körper! 

2007
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Regelmäßige Publikationen Gabriele Wohmanns folgen aber weiterhin im nächsten Lebensjahrzehnt: "Schwarz und ohne alles" heißt ein Erzählungsband von 2008. "Das gilt nicht nur für den Kaffee, sondern auch für sie. Die Tochter eines Pfarrers würde sich niemals, wie es in einer der Erzählungen heißt, 'verwandeln oder tarnen und mit den vielen anderen sich zur blöden Summe zusammenzählen'", schreibt Georg Magirius über das Buch.  2010 erscheint ein weiter Erzählband: "Wann kommt die Liebe", der mit typischen Wohmann-Personal aufwartet.

In mehr als fünf Jahrzehnten der Schriftstellerei veröffentlich sie über 650 Erzählungen, womit sie als hervorragende Chronistin bundesrepublikanischen Lebens gelten und völlig zu Recht als "Königin der Kurzgeschichte" ( "Neue Zü­rcher Zeitung" ) bezeichnet werden kann.

2012 erscheint zu ihrem achtzigsten Geburtstag noch eine Anthologie mit ihren schönsten Erzählungen "Eine souveräne Frau". "Weihnachten ohne Parfüm" heißt der letzte von ihr persönlich fertig gestellte Erzählungsband. Nach den für sie wichtigen Botschaften gefragt, die in all ihren Büchern enthalten sind, meint Gabriele Wohmann, dass sie nun "im Grunde alles geschrieben habe, was gesagt werden sollte".
"Meinen Tod fürchte ich nicht, aber ich fürchte sehr den Tod meines Mannes, falls er vor mir dran ist; und gegen diese Angst hilft überhaupt nichts. Ich kann mir mein Leben ohne ihn nicht vorstellen, zumal ich uralt bin und mich nicht mehr richtig be­wegen kann und mir dauernd helfen lassen muss." (Quelle hier )
Der Tod ereilt Gabriele Wohmann nach langer Krankheit am 22. Juni 2015 in ihrem Geburtsort Darmstadt. Ihre letzte Ruhe findet sie auf dem Bessunger Friedhof. ( Reiner Wohmann wird ihr 21 Monate später folgen- er ist am 9. März 2017 gestorben... )
"Niemand hätte eine Ahnung vom Glück, wenn er nicht im Umgang mit dem Unglück geübt wäre", hat Gabriele Wohmann einmal geschrieben. Und an anderer Stelle: "Aber Melancholie ist doch was Schönes" - das sind Gedanken, die ich mir für mein Leben aus ihrem Werk mitnehme, weil sie mir so wahr erscheinen...






Irmi stellt heute übrigens die auch - inzwischen weitgehend vergessene - amerikanische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Pearl S. Buck vor. Schaut doch mal vorbei!

16 Kommentare:

  1. Welch passende Zitate Du am Schluss als Essenz gefunden hast, liebe Astrid.
    Lange, lange ist es her, dass ich was von Gabriele Wohmann gelesen habe. Ja, die Neue Innerlichkeit damals, die verkörperte sie für mich. Aber wie Du schon sagst, die Zeit ging weiter. Patchworkfamilien gibts inzwischen auch im Pfarrhaus und in Politikerfamilien wirkt sich derzeit akut Familientragödie höchstpolitisch aus.
    Was hätte sie wohl dazu gesagt?
    LG Sieglinde

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  2. Die beiden unten zitierten Gedanken finde auch ich aus dem Leben gegriffen. Leben ist nicht nur rosa, und wenn wir das mal aus den Augen verlieren, werden wir wieder dran erinnert. Gelesen hab ich in den 80ern einmal was von ihr, war aber kein so tolles Leseerlebnis, so dass ich es nicht wieder versucht habe, könnte ich ja mal wieder, du bist da immer Anregerin, die ich ernstnehme 🙂. Liebe Grüße Ghislana (Daaaaaanke für deine Mail)

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  3. Liebe Astrid,
    wieder ein sehr schönes Portrait, das ich gerne gelesen habe und das mich neugierig gemacht hat auf das Werk dieser Autorin.
    Den Namen habe ich mir notiert und meiner Bücherwunschliste hinzugefügt, ich liebäugle mit der Antholgie.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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  4. Tolle Frau, Gabriele Wohmann! Zig Mal in Kursarbeiten der 11. und 12. wurden ihre Kurzgeschichten verwendet, auch im Abitur, schriftlich und mündlich. Und die beiden Grundgedanken zum Schluss unterschreibe ich sofort. Danke, liebe Astrid!Sunni

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  5. Was du immer machst ;-). Jetzt habe ich extra meine alten Schulunterlagen rausgekramt. In der DDR kannte ich die Wohmann nicht, aber ich habe ja später im Westen noch mal Abi gemacht und in Deutsch haben wir die Kurzgeschichte "Der Antrag" interpretieren müssen. Mir ist diese Geschichte und die Autorin in sehr lebhafter Erinnerung geblieben. Sonst hab ichs ja nicht so mit Schulstoff, aber diese Geschichte hat mich sofort gepackt und dieser einmalige melancholische, fast emotionslose Stil hat mich beeindruckt, das Ende ließ mich total ratlos zurück, fand ich aber gut.
    Ich habe dann noch mehrere Kurzgeschichten gelesen.
    Lieben Gruß

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    1. Toll, dass Schulstoff doch mal hängen bleibt...;-) Ja, sie gehörte damals zum Standard im Deutschunterricht der Sekundarstufe im Westen. Da ich ja kurz vor der Wende meine persönliche "Wende" in die Grundschule genommen hatte, habe ich dann kaum noch mit ihr zu tun gehabt und privat nur das Schwesterbuch noch gelesen. Als Stilistin hat sie mich auch immer sehr beeindruckend. Und ihr privates Lebensmodell fand icherzählenswert, meist ist es ja umgekehrt gewesen ( bei etlichen meiner Protagonistinnen )...
      GLG

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  6. Liebe Astrid. Das ist mal wieder ein toller Post. Die hat man immer gern gelesen. Ihr letztes Buch, die Erzählungen kannte ich noch gar nicht. Vielen Dank für den Tipp, da habe ich gleich eine Urlaubslektüre. Liebe Grüße Susa

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    1. Das finde ich ja toll! Eine ganz treue Leserin also!
      GLG

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  7. Danke, dass Du Dir wieder die Arbeit für so ein interessantes Portrait gemacht hast!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  8. DAs Buch:"Abschied von der Schwester" werde ich mir bestellen. Danke für diesen Post, liebe Astrid!
    glg Susanne

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  9. Danke, liebe Astrid,

    dass die Melancholie und Traurigkeit das Leben runden, will heute kaum jemand wissen. Oft geht es um Auftritt und Spaß statt um Leben und Freude,
    Ich finde auch die Aussage wunderbar, dass ihre Kindheit glücklich war und über die Eltern nur Gutes zu sagen wär, darüber bräuchte sie also nicht zu schreiben...
    Ein gelungenes Leben, ein großartiger Nachlass.
    Lieben Ligagruß ins Wochenende!

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  10. Hallo Astrid,
    mir ergeht es wohl wie vielen anderen, dass ich die Autorin nicht kenne, dass ihre Werke aber klug und interessant klingen. Das ist leider im Leben so, dass das Angebot am Literatur so vielfältig ist, dass man einfach nicht alles kennen kann.

    Gruß Dieter

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  11. Liebe Astrid,
    Wieder einmal vielen Dank für Deinen Post. Wieder hast Du uns eine sehr interessante Frau gezeigt. Eine sehr starke Persönlichkeit wie ich finde. Auch ich werde al. ein Buch von Ihr lesen.
    Herzlichen Gruß Sylvia

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  12. Nicht zu viel versprochen! Eine bemerkenswerte, beachtenswerte Autorin, die mir offen gesagt kaum bekannt. Eine Parallele sehe ich in ihrer Haltung zum eigenen Sterben, was Mascha Kaléko wohl ähnlich ausdachte.

    Interessant zu lesen, und ich vertiefe demnächst - oder später - die Bekanntschaft zu Frau Wohmann!

    Ich wünsche Dir noch schnell einen angenehmen Abend und sende herzliche Grüßle, Heidrun

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  13. ich habe auch heute noch eine große zuneigung zu gabriele wohmann. nach dem studium und der "vertreibung" in eine fremde stadt - eine der schwierigsten phasen meines lebens - hat sie mir mit ihren erzählungen viel halt gegeben und ich habe ihr bücher immer als schatz mit mir herumgetragen, und war sogar ein wenig in ihr bild verliebt. heute weiß ich nicht mal mehr, was ich von ihr gelesen habe. aber dein beitrag hat mich an so vieles erinnert, dass ich mich beim nächsten büchereibesuch nach ihr umschauen werde.
    sei herzlich gegrüßt
    mano
    ...mit tränen in den augen, weil mir gerade so einiges an negativen erinnerungen wieder hochkam!

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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