Freitag, 23. September 2016

Was Raif Badawi mit der "Freiburger Deklaration" zu tun hat


Und auch heute wieder die gleiche Meldung:"Nach wie vor gibt es kaum Nachrichten zu Raif Badawi, wie es ihm geht usw. Mit schöner Regelmäßigkeit erfahre ich nur von der Mahnwache der österreichischen Grünen vor dem Wiener König-Abdullah-Zentrum am Schottenring" ( der 91. heute ).

Also nutze ich auch heute wieder mein Blog, um auf einen anderen Zusammenhang mit Raif Badawis Ansichten, die ihn schließlich seit 1582 Tagen im saudischen Gefängnis halten, aufmerksam zu machen: Die "Freiburger Deklaration", einer gemeinsamen Erklärung deutscher, Schweizer und österreichischer Muslime zu ihrer Vision vom Islam. Schon die vorangestellte Äußerung finde ich bedenkenswert & entspricht meiner Erfahrung:

"Unwissenheit führt zu Angst, Angst führt zu Hass und Hass führt zu Gewalt. Das ist eine einfache Gleichung."

Ibn Ruschd, 1126 – 1198, muslimischer Philosoph und Arzt







Muslime aus dem deutschsprachigen Raum haben sich vor einer Woche getroffen, um sich für eine tiefgreifende Reform des Islam einzusetzen, der an den allgemeinen Menschenrechten orientiert und dem Humanismus verpflichtet ist. Das verbindet sie mit den Ansichten, die Raif in seinem Blog veröffentlicht hat.


Sie haben eine Deklaration verfasst, die betont, dass die islamische Gemeinschaft nach ihrem Verständnis "den Glauben als eine persönliche Angelegenheit zwischen Gott und dem Einzelnen" auffasst und die Möglichkeit bietet, diesen Glauben auch immer wieder kritisch zu hinterfragen.

Die Deklaration benennt "als "Fundament" der in der demokratischen Gesellschaft vorhandenen "Freiheiten … die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte" (...): "Demokratie und Menschenrechte stellen für uns die Grundlage für das friedliche Miteinander aller Menschen in unserer Gesellschaft dar." Die Deklaration erwähnt Artikel 30 der Menschenrechte (Auslegungsregel) als für die Reformmuslime "über jedem Anspruch, der möglicherweise aus einer islamischen Rechtsprechung erwachsen könnte" stehend. Eine deutliche Absage an jegliche Scharia-Vorstellungen!

Die Freiburger Deklaration erwähnt eine Reihe von Positionen, für die die Reformmuslime einstehen: von der Gleichberechtigung von Mann und Frau, dem Verbot von Kinderehen, der Ablehnung von Körperstrafen und Todesstrafe, über die Teilnahmepflicht von Kindern am Schulunterricht "ohne Freistellungen aus islamischen Gründen", eine angst- und gewaltfreie Erziehung (ohne Drohungen mit der "Hölle") bis hin zum "staatlichen Gebot zur religiös-weltanschaulichen Neutralität" - befürwortet wird, dass "Staatsdiener" – genannt werden insbesondere Lehrerinnen und Richterinnen – auf das Tragen von religiös begründeter Kleidung verzichten.

Für die "Vertretung der Muslime gegenüber dem Staat streben wir die Bildung eines Rates an, der sich aus Mitgliedern konservativer Verbände sowie Mitgliedern eines reformierten liberalen Islams zusammensetzt", heißt es in der Freiburger Resolution. Eine richtige und gleichzeitig hochaktuelle, politisch dringende Forderung: keine Ausgrenzung des konservativen Islams, aber eine Einbindung in Strukturen, in denen dessen Vertreter und die Vertreter des liberalen Islams kooperieren. Bislang kooperieren bekanntlich Staat und Behörden in Deutschland fast ausschließlich nur mit den Vertretern des konservativen Islams, darunter DITIB und teilweise ähnlich obskuren Vereinigungen."
( Quelle hier )

Zu den Unterzeichnern gehören auch Personen, die ich in meinem Blog schon erwähnt habe, wie Lale Akgün ( in diesem Post ) oder Elham Manea ( in diesem Post ), aber auch Necla Kelek, Seyran Ateş oder Ali Ertan Toprak.

"Unterschreiben" möchte ich noch einmal die erneute Forderung der Initiatoren an die Politik, ihre Haltung, die völlig einseitig auf die Kooperation mit konservativen islamischen Verbänden fixiert ist, wie es DITIB, Zentralrat oder Islamrat und Co nun einmal sind, endlich aufzugeben und liberale Muslime an gesellschaftlichen Entscheidungen mit zu beteiligen. ( Besonders in Harnisch bringt mich diese Einseitigkeit immer hinsichtlich meines alten Arbeitgebers, des Schulministeriums NRW. ) Für ein gedeihliches Zusammenleben ist das unabdingbar!

Ich bleibe allerdings dabei: Eine Einteilung der Menschen in religiöse Gruppen dient nie dem Zusammenhalt der Gesellschaft, dient nicht der Integration, eher im Gegenteil...



5 Kommentare:

  1. Danke Astrid! Deine Hintergrundinformationen regen mich an selbst nachzudenken, nachzuforschen. Deine Ideen sind einfach meinungsbildend bei mir.

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  2. Das freut mich. Sprach gerade heute mit Ghislana darüber, was Raif Badawi alles bei mir angestoßen hat. Da hat sich auch einiges in meinen Ansichten getan.
    Bon week-end!

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  3. Liebe Astrid, lieben Dank für deine Freiburger Deklaration!! Keine Ausgrenzung aber eine Struktur, dass ist es was wir erreichen sollten, denn dann entsteht nicht die Angst, die der weise Philosoph Ibn Ruschd vor so vielen Jahren auf den Punkt gebracht hat. Wir brauchen uns < nur< auf die großen Perönlichkeiten der Vorzeit erinnern !! Danke für deinen Post.
    Gruß zu dir nach Köln( dort bin ich morgen zum Orgelkonzert im Kartäuserkloster )
    heiDE

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  4. sehr gut, astrid. ohne dich wäre diese deklaration mal wieder an mir vorbeigegangen.
    liebe grüße, mano

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  5. Was für eine vielversprechende Deklaration! Ich werde sie mir beizeiten näher angucken und bin ganz deiner Meinung, dass die Kooperationen im politischen Bereich dringend ausgeweitet werden müssen. Auch in gesellschaftlichen Gremien finden sich nämlich oft nur die konservativen Vertreter wieder, von denen sich viele Muslime sicher gar nicht vertreten fühlen. Hier gibt es sicher Reformbedarf...

    Lieben Dank für deine Infos!!
    Herzlich
    Steffi

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