Sonntag, 21. April 2024

Monatsspaziergang April 2024

Jeden 3. Sonntag im Monat lädt Kristina Schaper zu einem Monatsspaziergang ein. Ein Vierteljahr habe ich nun aus den unterschiedlichsten Gründen pausiert. Jetzt, wo es wieder wärmer wird und meine Laufwerkzeuge wieder funktionieren, wie sie sollen, habe ich mal wieder eine kleine Exkursion in eine Siedlung in meiner Umgebung unternommen. In der bin ich seit über fünfzehn Jahren nicht mehr gewesen, seit die riesige Fabrik in meinem Veedel ihren Betrieb eingestellt hat, ab 2012 alles abgerissen wurde, und das Gelände mit einer ganz neuen Siedlung nach und nach bebaut worden ist.
Inzwischen kann frau also das Gelände der ehemaligen Clouth Gummiwerke an diesem Tor passierend betreten. Früher konnte frau zur "kleinsten Siedlung Kölns" nur durch einen eher verborgenen Eingang an einem Kiosk auf der angrenzenden Florastraße gelangen, der jetzt verschlossen ist.

Mein Mann und ich sind gerne nach unseren Spaziergängen zur Flora/Botanischer Garten auf dem Rückweg nach Hause in diese eigene, wundersame Welt eingetaucht, die so gar nichts mit unserer Lebenswirklichkeit im bürgerlichen "Künstlerviertel" des Stadtteils zu tun hatte. Damals gab es nur einen Zugang von Südosten her über die Franz-Clouth-Straße, und die für Autos gedachte Straße führte noch auf der südlichen Seite der Häuserreihe vorbei, also an deren Gärten entlang. Die Häuser selbst waren bis dicht an die Fabrikanlagen gebaut. ( Ein Luftbild ist hier zu sehen, die Siedlung, das sind die neun Häuschen am unteren Bildrand. )

Am westlichen Ende der Häuserreihe verwehrten hohe Mauern den weiteren Zugang zum Firmengelände, dort, wo jetzt der rotgestrichene Neubau eines Kindergartens steht. Blieb also nur die schmale Passage, die ich eingangs erwähnt habe. So blieb diese Siedlung bis 2014 abgeschlossen und ganz verborgen für viele Mitbürger.


Heute führt eine Straße vom "Tor 1" und weiteren Bauten um die Ecke nördlich an der Siedlung vorbei. Das erste Haus ist etwas größer als die übrigen acht, mit einem Eingang nach Norden und für vier Familien konzipiert, so auch heute noch. 

Damals, nach dem Krieg mit seiner extremen Wohnungsnot im massiv kriegszerstörten Köln, hat die Firma Clouth auf einem werkseigenen südlichen Brach- zw. Schrebergartengelände 1947 eine Siedlung für Werksangehörige geplant und umgesetzt. 

Die Häuser hatten den gleichen Grundriss und die gleiche, architektonisch schlichte Bauart. Die Grundstücke sind, abgesehen von dem einen Haus im Westen, das eben quer zu den übrigen steht, auch gleich groß. Gegen 1 DM Überstundenlohn halfen hier Clouth-Mitarbeiter nach Feierabend bei der Errichtung der Backsteinhäuser am Rande des Werksgeländes. Das Baumaterial - in diesem Fall  hauptsächlich Ziegelsteine -, welches auch bei der Errichtung der Fabrikhallen zur Produktion eingesetzt wurde, wurde zur Verfügung gestellt. In den Häusern wohnten damals immer zwei Familien. Der Hauseingang war auf der östlichen Gebäudeseite:





Heute sind die Häuser in Privatbesitz. Nur noch zwei davon werden von ehemaligen Clouth - Arbeitern bewohnt, die die Häuser später als Eigentum erworben hatten. Die Firma hatte sie zu Beginn der 1990er Jahre veräußert, um ihre Liquidität zu verbessern. 











Die Vorgärten zur neuen Seekabelstraße sind sehr unterschiedlich, aber meist liebevoll bepflanzt.









Selbst Feigenbäume, Palmen und viele diverse Obstbäume gibt es an der Straße wie in den Gärten.

Zwei Häuser zeigen recht junge Spuren einer Totalsanierung.

Die ehemalige Straße auf der Südseite wurde aufgehoben, und die Stadt Köln hat die Fläche an die Hauseigentümer weiterverkauft, so dass deren Gärten jetzt an die teilweise sehr hohen Mauern von Gewerbehallen an der Florastraße reichen.


Ein ehemaliger Clouth - Mitarbeiter aus Nordgriechenland, der 1997 durch die Einstellung der Gummi-Produktion arbeitslos geworden war, hat mir voller Stolz seinen fast 400 Quadratmeter großen Garten gezeigt, in dem viele kleine Obstbäume & ein großer Quittenbaum wachsen, mitgebracht aus seiner Heimat in Drama.


























Am südöstlichen Ende der Siedlung kommt man heutzutage auf die Rückseite eines Kindergartens, der schon in früheren Zeiten an dieser Stelle angesiedelt war.


Die Seekabelstraße endet nun auf einem größeren Platz. Die dort sichtbaren Häuser bilden die Grenze zum Johannes - Giesberts - Park bzw. den Gebäuden der Kölner Kinderklinik an der Amsterdamer Straße. Durch diesen Park bin ich immer gekommen, wenn ich zu Fuß von meiner Riehler Schule nach Hause gelaufen bin.








Die Bewohner der "kleinsten Siedlung" schauen inzwischen nicht mehr auf Fabrikmauern, sondern auf eine Reihe von 17 kleinen, ansprechend gestalteten Stadthäusern von bis zu 130 Quadratmetern Wohnfläche. Dahinter sind dreistöckige Gebäude mit Eigentumswohnungen.





Was mich verwundert ( und gestört) hat, ist die Tatsache, dass die ganze Straße an einem Werktagsnachmittag vollgestellt war mit Autos auf beiden Seiten, obwohl es große Tiefgaragen im Quartier gibt.

Am Ende meiner Spazierrunde habe ich mir im iberischen Lokal im Pförtnerhäuschen einen Beerenkuchen plus Kapuziner gegönnt...


... bevor ich wieder die verkehrsreiche Niehler Straße gequert habe, um über das Preußen - Quartier in meine Veedelsecke zu kommen.


An der Niehler Straße sind übrigens die Außenmauern aus Backstein der Fabrikhallen der Firma Clouth erhalten geblieben und in den Neubau integriert worden. Dort befinden sich u.a. auch Künstlerateliers.

Wer mehr über die von Franz Clouth gegründete Rheinische Gummiwarenfabrik, die die Kölner Industriegeschichte über 140 Jahre geprägt hat, erfahren will, sei auf den Wikipedia - Artikel verwiesen.

Ich hoffe, es hat wieder Spaß gemacht, mit mir zu flanieren. Mir hat der Besuch der Siedlung  ausgesprochen gut getan.






13 Kommentare:

  1. Du zeigst oft so kuriose Siedlungen, die wirklich total interessant sind. Sehr schön, dass wirklich Wohnbebauung auf dem ehemaligen Werksgelände gemacht wurde. Bei uns war das teilweise nur wieder gewerbliche Nutzung wie z.B. auf AEG. Naja, ein wenig Kulturnutzung ist auch dabei auf AEG.
    Auf jeden Fall sind solche Strukturwandel doch nicht nur Unglück, sondern können auch ein echter Gewinn sein, wie man hier sieht.
    Danke fürs Mitnehmen!
    Herzlichst, Sieglinde

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    1. Der Mann einer Exkollegin hat dort auch eine private Baugruppe mit lauter Individualisten betreut. Die Beiden sind sich allerdings darüber in die Haare geraten. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht. Sie wohnen noch immer in ihrer prächtigen Altbauwohnung
      LOL

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  2. Du findest immer schöne Ecken in Köln liebe Astrid,
    von denen ich noch nie etwas gehört habe.
    Diese kleine Siedlung hat so etwas heimeliges, erinnert mich an die Häuser früher in Brühl, in denen meine Freundinnen wohnten.
    Danke fürs Mitnehmen und kuschelige Grüße aus dem regenreichen Rheintal
    Nicole

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  3. Liebe Astrid,

    ich finde es auch immer wieder spannend Dir zuzuhören, die schönen Fotos zu betrachten und Dich auf diesen interessanten Spaziergang zu begleiten. Wie schön dass diese nicht heimischen Pflanzen so eingefügt haben das gefällt mir.

    Liebe Grüße
    Kerstin und Helga

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  4. Liebe Astrid,
    wie schön mal wieder einen Spaziergang mit dir zu machen. Hier war ich auch schön öfter mit Katrin spazieren ... und dann eine Pause im portugiesischen Café in dem süßen Pavillon ... die Natas mit Espresso sind immer einen Besuch wert. Danke dir für die schönen Bilder und liebe Grüße nach Köln.
    Sabine

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  5. Wieder so eine besondere Ecke in Deiner Stadt!
    Fabrikgebäude mit ihren preiswerten Wwohnungen gab es ja häufiger in Städten und auch kleinen Orten. Diese, ganz klassisch mit Ziegeln gebaut, gefallen mir noch heute besser, als die modernen Bauten, die nun auf dem ehemaligen Werksgelände gebaut wurden. Auch wenn das, was wir Dank Dir da sehen, gefällt. Schön, dass es ein Veedel für Menschen wurde. Ich mag einfach Schrägdach und Ziegel ;) Bei Dir immer etwas Geschicht(en) über diese einzelnen Ecken zu erfahren, mag ich sehr
    Danke Dir und liebe Grüße
    Nina

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  6. unglaublich und sehr interessant und spannend was du auf deinen Spaziergängen in die Vergangenheit erzählst und uns damit mitnimmst, denn ich war nur einmal als 16jährige bei meinem Onkel in Köln, zu kurz um in Teilen der Stadtgeschichte zu folgen.
    Leider gibt es ihn nicht mehr sonst hätte ich es noch vertiefen können...
    den Wikipedia Artikel werde ich mir auf jeden Fall nun noch ansehen...
    danke für*s dabei sein dürfen...
    herzlich angel

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  7. ta promenade est très instructive et je peux bien m'imaginer marcher là * tes images et tes détails historiques sur ce quartier décrivent à merveille cette évolution citadine * je n'étais jamais à Köln et je n'en ai gardé que de vieilles cartes postales que ma famille m'envoyait quand elle visitait cette ville !
    belle semaine
    mo

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  8. es hat mir großen spaß gemacht, mit dir diese ansprechende siedlung zu entdecken. solche kleinode sind ja leider immer seltener zu finden. das alte halbrunde (eingangs-?)gebäude der alten fabrik gefällt mir auch sehr, es ähnelt fast dem kornhaus in dessau.
    schön auch, dass du kontakt zu einem bewohner bekommen hast. griechische bäume mitten in köln finde ich prima!
    danke fürs mitnehmen und liebe grüße von mano

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  9. In die Stadtgeschichte dieser Art mitgenommen zu werden macht Spaß. Werksiedlungen dieser Generation haben einen ganz besonderen Charme. Erstaunt hat mich beim Nachlesen, dass tatasächlich alles abgerissen worden ist und kein Fitzel an Produktion überlebt hat.
    viele Grüße, Karen

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  10. So alte Industriegelände sind tatsächlich noch die letzten großen zusammenhängenden Gebiete für Stadtentwicklung. Zum Glück macht man dann doch meist einen Mix aus frei finanziert = Investorenbau und gefördertem Wohnbau, so wird es dann nicht gar so homogen und großformatig. Was du zeigst, ist zwar auch weit entfernt vom kleinformatigen Wohnbau, scheint aber durchaus recht ansprechend zu sein. Dazu noch die etwa 9% Bauherrengemeinschaften und die verbliebenen Bestandsbauten. Von denen allerdings nicht recht viel blieb, und da auch nur das unter Denkmalschutz stehende. Ich warte nur darauf, dass bestehende Bausubstanz endlich als Potential und nicht als Hindernis erkannt wird, und auch als klimafreundlicher, da keine extra Energie mehr in die Herstellung der Materialien gesteckt werden muss. Besonders gut gefällt mir ja die kleine Bestandssiedlung, die als einer der wenigen Zeitzeugen der Fabrik erhalten blieb. Und das Pförtnerhäuschen. Schön dass man das erhalten hat, und es als Café auch noch öffentlich zugänglich ist. Danke für diesen schönen Spaziergang, liebe Grüße, heike

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  11. Hallo liebe Astrid, wie schön, das du immer wieder tolle Ecken in Kölle entdeckst.
    Vielen Dank fürs Mitnehmen. Es hat Spaß gemacht, alles zu lesen.
    Die Firma Clouth ist mir bekannt, Ich habe zu meiner Zeit als Telefonistin beim Brühler Eisenwerk öfters telefoniert.
    Liebe Grüße
    Tilla

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  12. Hallo Astrid,
    ich mag diese Spaziergänge sehr, man erfährt so viel über die Örtlichkeiten. Schöne Fotos sind das von der ehemaligen Werkssiedlung, ich mag diese Ziegelhäuser sehr, die sieht man bei uns kaum. Und auch Werkssiedlungen gibt es hier kaum noch, aber es war bestimmt toll, wenn man einen guten Arbeitsplatz hatte und dann noch so wohnen konnte.
    Diese Ecke von Köln werde ich wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen, wenn wir demnächst dort sind, aber ich werde feste an Dich denken.
    Liebe Grüße
    Manu

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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