Dienstag, 16. April 2024

Lieben sie Lyrik? {20}

 
Mary Oliver
I Worried 

I worried a lot.
Will the garden grow, 
will the rivers flow in the right direction, 
will the earth turn
as it was taught, 
and if not how shall
I correct it?

Was I right, was I wrong, 
will I be forgiven, can I do better?
Will I ever be able to sing, 
even the sparrows can do it and I am, well,
hopeless.

Is my eyesight fading or am I just imagining it, 
am I going to get rheumatism,
lockjaw, dementia?
Finally, I saw that worrying had come to nothing. 
And gave it up. 
And took my old body
and went out into the morning,
and sang.

 Ich sorgte mich

Viel Sorgen habe ich mir gemacht.
Werden die Pflanzen im Garten wachsen,
werden die Flüsse in die richtige Richtung fließen, 
wird sich die Erde drehen, wie sie soll,
und wenn nicht, wie soll ich das korrigieren?

Habe ich recht oder habe ich mich geirrt, 
wird mir vergeben,
kann ich es besser machen?
Werde ich jemals singen können,
wo doch selbst die Spatzen es können, 
und bin ich, na ja, ein hoffnungsloser Fall?

Verblasst mein Sehvermögen oder stelle ich es mir nur vor, 
werde ich Rheuma bekommen,
Wundstarrkrampf, Demenz?

Schließlich sah ich ein, dass all die Sorgen zu nichts geführt hatten. 
Und ich gab es auf, mir Sorgen zu machen.
Und nahm diesen meinen alten Leib,
ging aus dem Haus hinaus in den Morgen 
und sang.

Als ich es das erste Mal hörte, dachte ich sofort: Wie für mich gemacht! Und die letzten Zeilen nahm ich dann gleich mit, um anders gestimmt in meinen Alltag zu starten. 

Ich bin nämlich so eine Sorgerin und lähme mich damit oft selbst. Sei es, dass ich das in den Genen habe oder von meiner Mutter übernommen, die den Krieg und seine Folgen als Teenager erlebt hat und sich immer und über jeden Sorgen gemacht hat bis auf ihre letzten Tage. Sei es, dass ich mir als Lebensziel die Fürsorge für meine Mitmenschen in Familie und Beruf ausgesucht habe - es ist oft so unangemessen & unproduktiv, sich so viele Gedanken zu machen ( und darüber auch sich selbst zu vergessen und seine Bedürfnisse & Wünsche ). Und Singen? Ja, das hätte ich gerne etwas professioneller betrieben, aber nie den Mut gehabt zu entsprechendem Unterricht, weil ich einfach keine Noten lesen konnte.

Jetzt, am Ende meines Lebens, hab ich genug Erfahrungen gesammelt und ein Fazit gezogen, wie es Mary Oliver in diesem Gedicht am Schluss formuliert und mich damit zum Lachen gebracht hat. Ich lege es euch und besonders allen Sorgerinnen ans Herz.

Hier kann man übrigens Helena Bonham Carter beim Lesen des Gedichtes zuhören.







9 Kommentare:

  1. Vielen Dank für dieses Gedicht und deine Geschichte dazu. Ich habe mich sowas von wiedererkannt. Liebe Grüße, Alexandra @werkelsucht

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  2. liebe astrid, danke für dieses wunderbare gedicht! hab einen guten tag, herzlichen gruß ins geliebte köln, roswitha

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  3. Liebe Astrid,
    was für ein schönes und tröstliches Gedicht!
    Ich tröste mich manchmal damit:
    "Vieles misslang mir - doch auf meinem Teich nistet ein Wildentenpaar."
    Leider weiß ich grad nicht, von wem das ist.

    Herzliche Grüße aus Schleswig-Holstein
    Christiane (ohne blog)

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  4. was für ein schönes Gedicht
    und ich habe es auch (fast ) im Original lesen können ;)
    meine Mutter war auch so eine Sorgerin
    um die Menschen in ihrem Umfeld
    das kam nicht immer gut an (die Kinder müssen noch ein Höschen drüberziehen ..die erkälten sich sonst.. Mädel deine Haare ..*seufz* da war ich längs verheiratet .. und mein Mann wurde fuchtig .. dabei wollte sie dass ich mich für meinen Mann schön mache )
    und das hat auch 2 x zu einem Nervenzusammenbruch bei ihr geführt
    auch ich mach mir öfter mal "Sorgen" um die Familie
    aber im Stillen und versuche es nicht überhand nehmen zu lassen
    denn es kommt wie es kommt
    liebe fröstelnde Grüße
    Rosi

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  5. Liebe Astrid,
    sehr schön, ich gehöre leider auch zu den Sorgerinnen. Von Martin Luther kenne ich folgenden Spruch: Ihr könnt es nicht verhindern, dass die Vögel der Sorgen über eure Köpfe fliegen, aber dass sie Nester in euren Haaren bauen.
    Liebe Grüße
    Ingrid

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  6. Liebe Astrid, das ist ein toller Text! Er passt in gewisser Weise auch auf meine Mutter, die in jüngeren Jahren zwar sorglos wirkte, aber je älter sie wurde, desto mehr grübelte sie und sorgte sie sich. Das hörte erst so nach und nach in ihrer Zeit als Pflegefall auf. Ich selbst erkenne Tendenzen bei mir, kämpfe aber dagegen an... bisher durchaus mit Erfolg.
    In diesem Sinne: Fröhliches Singen!
    Alles Liebe nach meiner Blogpause,
    Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2024/04/einmal-um-die-ganze-welt-in-54-tagen.html

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  7. Mir geht es ganz genau so, liebe Astrid. Ich sorge mich ständig. Um dieses oder jenes oder um meine Lieben. Doch am wenigsten sorge ich mich um selbst. Lass uns gemeinsam singen, meine Liebe! Drücker, Deine Nicole

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  8. Ein wirklich wunderbares Gedicht. Wir sollten viel mehr singen mit unseren alten Leibern.
    Herzlichst,
    Sieglinde

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  9. Hallo Astrid,
    ich muss hier so einiges nachlesen, wie Du gerade feststellen kannst.
    Ein tolles Gedicht und ich bin auch eine von den Sorgerinnen und denke später oft, was für einen Kopf ich mir gemacht habe...
    Die Tochter und der Mann sind das absolute Gegenteil was ich manchmal überhaupt nicht verstehen kann und dann gibt es wieder die Momente wo ich denke, es lebt sich glaub leichter wenn man sich nicht so viele Sorgen macht.
    Liebe Grüße
    Manu

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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