Freitag, 2. Oktober 2020

Vom nahen und vom näheren Osten

Das Regime in Saudi -  Arabien kennt keine Gnade mit dem liberalen Blogger Raif Badawi, das wissen wir nun seit bald sechs Jahren. Seine Frau Ensaf Haidar darf immer nur kurz mit ihm telefonieren.

"Ich kann nur zweimal in der Woche fünf Minuten mit ihm reden. Mal ist Raifs Gemütsverfassung besser, mal wieder schlechter", berichtete Ensaf Haidar mal wieder gegenüber der Presse. Seit acht Jahren - genau 3052 Tagen - sitzt ihr Mann im Gefängnis. Den genauen Gesundheitszustand ihres Mannes kenne sie nicht. Dazu würden ihr die saudischen Behörden keine Details mitteilen.

Mittlerweile haben in Wien und Sherbrooke/Canada bereits die 300. Mahnwachen für Raif Badawi stattgefunden...



Schon lange habe ich mich nicht mehr mit dem ( uns in vielerlei Hinsicht näheren ) Land am Mittelmeer beschäftigt, wo die Lage der Menschenrechte ebenfalls sehr erbärmlich ist, weil dort eine Regierung Methoden anwendet, die wir aus der Geschichte von faschistischen Regimen nur zu gut kennen.

Da es dem Herrn E. offensichtlich nicht zu seiner Zufriedenheit gelingt, Oppositionelle im Land wie im Exil mundtot zu machen, verwendet er den alten Trick und nimmt denen, die ihm nicht zu Kreuze kriechen, ihr Eigentum. Auf diese Weise ist der türkische Präsident schon länger gegen Hunderte, die er als Staatsfeinde betrachtet und Gülenisten nennt, vorgegangen. Letzte Woche traf es dann auch den im deutschen Exil lebenden Journalisten Can Dündar:
"Liebe Leserin, lieber Leser,                                                                     
vergangene Woche entschied ein Gericht in İstanbul, dass mein gesamtes Vermögen in der Türkei konfisziert wird, sollte ich nicht innerhalb von 15 Tagen zurückkehren. Das bedeutet, der Staat würde mir mein Wohnhaus und mein Sommerhaus wegnehmen, für die ich 40 Jahre lang als Journalist gearbeitet und gespart habe. Dabei gibt es nicht einmal ein finales Urteil... Nicht nur meine Häuser möchten sie uns wegnehmen, sondern auch das Haus, in dem meine Mutter, die ich auch schon seit Jahren nicht gesehen habe, allein drin wohnt. Das alles ist die Rache für meine Berichterstattung von vor sechs Jahren... In der Türkei als Journalist oder Journalistin zu arbeiten, hat einen hohen Preis, das erleben und zeigen wir tagtäglich."
Am Freitagmorgen vor einer Woche wurde außerdem ein Großteil derjenigen Mitglieder der zweitgrößten Oppositionspartei der Türkei, der HDP, die noch nicht in Haft sind, festgenommen. Damit befindet sich beinahe die gesamte Führungsebene der Partei im Gefängnis. Begründet wird das damit, dass sie sich solidarisch mit dem Widerstand in Kobanê vor sechs Jahren gemacht haben.

"Der politische Druck steigt in der Türkei mit paralleler Geschwindigkeit zum wirtschaftlichen Fall. Das Land erwartet sehr ernsthafte Entwicklungen", so Dündar in seinem Newsletter zu diesem Vorfall.

Das Auswärtige Amt hat in einem vertraulichen Lagebericht, der eine wichtige Entscheidungshilfe in Asylverfahren ist, zum Zustand der Menschenrechte in der Türkei - auf dem Stand im Juni dieses Jahres - festgestellt: "Die türkische Verfassung garantiert Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit. In der Praxis sind diese Rechte aber weitgehend ausgehebelt.

Die türkischen Print- und TV-Medien werden in dem Bericht als "nahezu vollständig gleichgeschaltet" beschrieben. Die Justiz wird als "in weiten Teilen dysfunktional" und teils politisch beeinflusst charakterisiert. "Darüber hinaus wurden einzelne Richter nach kontroversen Entscheidungen suspendiert oder (straf)versetzt, woraufhin andere Richter gegen die gleichen Angeklagten zum politisch opportunen Ergebnis kamen."

Leider ist das alles momentan ziemlich außerhalb des politischen Radars, deshalb habe ich es an dieser Stelle mal wieder thematisiert...

4 Kommentare:

  1. Es ist kaum zu glauben, dass das praktisch in unserer "Nachbarschaft" geschieht. Die Türkei ist vielen von uns nur als Urlaubsland bekannt und durch unsere türkischen Mitbürger*innen. Die politische Lage dort ist "außerhalb des Radars" wie Du es schreibst, aber nicht minder gefährlich deshalb. Und alles beginnt mit der Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit. Wie bei Raif Badawi und nun bei Can Dündar auf andere Art und Weise. Da sind solcher Art Systeme ja sehr findig.
    GlG Sieglinde

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  2. Danke fürs thematisieren! Es ist so vieles hier vom Radar gerustscht.... wir beschäftigen uns landauf landab nur noch mit unsrer Coronablase oder deutscher Einheit, dass heute auch Tag der offenen Moscheen war, war keinen Radiosender, den ich heute hörte, Erwähnung wert. Liebabendgruß, auf das Braunwerden der Lasagnekästekruste wartend, Eva ....

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  3. ja..
    manches gerät etwas aus dem Fokus
    aber es gibt auch einfach zu viele Brennpunkte
    dass die Türkei kein Rechtsstaat mehr ist hat sie oft genug gezeigt
    und so schnell wird sich das auch nicht ändern :(
    dieser E. hat schon lange die Bodenhaftung verloren
    man kann leider nicht viel oder gar nichts tun
    dorthin reisen würde ich ja sowieso nicht

    auch Saudiarabien bleibt wie es ist ..auch wenn sie versuchen sich als Wolf im Schafpelz zu verkaufen..

    liebe Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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