Montag, 3. August 2020

Auf meinem Stehpult XII

Da habe ich also schon wieder sechs Wochen ins Land gehen lassen mit einer Büchervorstellung! Nicht, dass hier nichts gelesen würde, aber meine Lektüre bleibt weitgehend beschränkt auf Biografien bzw. Autobiografien, die ich lese, um meine  Great-Women-Posts zu schreiben. Doch Bilderbücher gehen immer mal wieder. Deshalb liegen heute zwei auf meinem Stehpult:

Das kleinere rechts enthält eine Sammlung von Fotografien von David Carreño Hansen, Sven Stolzenwald und Christian A. Werner und trägt im Untertitel den Hinweis,  dass diese Bilder auf einer Deutschlandreise gesammelt worden sind. Schon die ersten Eindrücke ließen auf eine Sammlung schließen, die so vom Herrn K. und mir in jüngeren Jahren auch angestellt worden ist, komme ich doch aus einem Dorf, dass scheinbar alljährlich bestrebt gewesen ist, beim Wettbewerb "Unser Dorf soll häßlicher werden" den ersten Platz zu machen. Mein Lieblingsbild im Buch ist das unten links, zeigt es doch Gestaltungs- und Verschönerungswillen, der so nur in die Hose gehen kann:

Das Bild rechts könnte dann auch aus meinem Veedel sein.

Das Vorwort des Buches stammt von Frank Goosen, und ich finde, für mich persönlich hätte man keinen Geeigneteren dafür finden können, denn der ist in den Sechzigern groß geworden, als in diesem Land die älteren Leute immer kühmten, "dass früher alles besser gewesen sei, obwohl da Krieg gewesen war." Ich selbst kannte ja dieses "Früher" auch nicht und hoffte immer im tiefsten Innern, dass es da wirklich so schön gewesen ist wie in Frankreich oder Italien oder Holland ohne alte, kriegsversehrte Orte, denn die ästhetische Anspruchslosigkeit und der Mangel an Traditionalismus im Bauwesen hierzulande hat mich schon in jüngeren Jahren verzweifeln und in mir die Einsicht wachsen lassen, die wahre Zerstörung der Schönheiten in diesem Land hat eigentlich erst nach dem Krieg stattgefunden.




Aber mehr Lesetext als die fünf Seiten Vorwort enthält das Buch dann auch nicht. Dafür 208 Bilder, aufgenommen quer durch die Republik, die staunen, schmunzeln, den Kopf schütteln lassen und so viel näher an der Wirklichkeit sind als die vielen Ansichten bei Instagram oder auf Blogs.

"Heiter bis wolkig. Eine Deutschlandreise", erschienen bei Hatje Cantz in Berlin

So nüchtern & handlich das erste Buch im Oktavformat ist, so opulent & fantastisch das zweite auf meinem Lesepult, das man wegen dieser Größe auch am besten an diesem Ort aufschlägt, betrachtet und liest. Auf je einer Doppelseite werden siebzehn "Blumen" bildlich und mit einem Text, der meist Angaben zur Herkunft, Bedeutung, Nutzen für die Menschen in Medizin und Ernährung macht und auf Mythen & Märchen oder Darstellungen in der Kunst hinweist.

Der Wegwarte, "meine" blaue Blume der Romantik, wurden so zum Beispiel im Mittelalter Liebeskräfte zugeschrieben und heute weiß man, dass sie Stoffe gegen Stress enthält.





Die Bilder sind vom Illustrator Olaf Hajek, der sie in Wirklichkeit auf Holztafeln im viel kleineren   Format von Schulheften malt, und nicht nur diese Materialwahl weist darauf hin, dass er sich in der Gestaltung von Volkskunst und Renaissance- bzw. Miniaturenmalerei, archaischer Symbolik und Florilegien, i.e. alte botanische Studien wie die von Maria Sybilla Merian, anregen lässt und Spaß an märchenhaften Szenerien hat. Mit diesem Buch wollte der bei Erwachsenen recht populäre Künstler sich explizit einmal an jüngere Leser wenden.

Christine Paxmann: "Olaf Hajeks Buch der Blumen", erschienen beim Prestel Verlag

Zufällig habe ich entdeckt, dass in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "Flow" vier Blätter aus dem Buch auf deren "Trennerseiten" abgedruckt sind, womit ich mir gestern zwei Bilderrahmen bestückt und meine Bilderleiste in der Küche geschmückt habe. Das nur als Tipp am Rande, alles ganz freundschaftlich und aus persönlicher Begeisterung, ohne dass ich für diesen Post durch Verlage etc. "gedungen" worden bin. In diesem Sinne: keine Werbung!



9 Kommentare:

  1. Liebe Astrid, ich freue mich immer über all die netten Formulierungen mit der Werbung. Was man auf die alten Tage nicht alles beachten muss. Die Bücher von Goosen finde ich generell immer herzerfrischend. Nichts wird beschönigt aber alles belächelt. Das Blumenbuch führt mich wieder in Versuchung.
    LG
    Magdalena

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  2. Hallo Astrid,

    also haben dir in der "Flow" die Bilder von Hajek auch so gut gefallen wie mir. Wie hätte meine Oma gesagt?: Fantasie mit Schneegestöber...


    Goosen ist ein paar Jahre nach mir geboren, aber in seiner Schreibe erkenne ich vieles aus dem Pott, genau wie bei Torsten Sträter. Gefällt mir einfach.
    Das Buch mit den Bausünden kommt jedenfalls auf meine Liste der zu erwerbenden Bücher, für Skurrilitäten bin ich immer zu haben.

    Einen guten Start in die Woche wünscht - Brigitte aus dem Münsterland

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  3. Da hast Du uns ja zwei Gegensätzlichkeiten ausgesucht, liebe Astrid.
    Die Realität ist wirklich oft grausam. Und leider auch in vielen anderen Ländern so. Was habe ich mich in Italien immer gegruselt in den industriellen und Wohn-Vorstädten bis ich endlich in die Schönheit einer Altstadt gekommen bin... Ich habe nie verstanden, wie Menschen, die solch einen Sinn für Ästhetik haben und soviel Schönheit vor Ort, gleichzeitig solche Monströsitäten zulassen können.
    Auf jeden Fall ein interessantes Buch!
    Und dann das Gegenteil: Das Reich der Blumen und der Fantasie... das schaut sehr reizvoll aus. Werde ich mir im Buchladen mal ansehen, das wäre was für meine Enkelin zum Geburtstag. Wir sind eh oft mit "Was blüht denn da?" unterwegs. Das wäre dann eine feinsinnige Ergänzung.
    Danke fürs Vorstellen sagt
    Sieglinde

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  4. Wegearte! Oh ja, ich liebe sie! Ich mag die Stellen an denen sie wächst, natürlich ihre Farbe und eine Verquickung die glaub ich die Liebe festigt: Wenn ich die erste sehe, dann weiß ich in 1, 2 Wochen sind Ferien. Sie sind quasi mein Ferienanzeiger.

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  5. Hallo Astrid,
    das Buch von Olaf Hajek habe ich auch und es gefällt mir sehr. Ich mag opulent farbige Illustrationen! Schön, dass Du es vorgestellt hast!
    LG Renate D.

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  6. Ach, deshalb kamen mir die Bilder aus dem Buch der Blumen gleich so bekannt vor...
    Bei den Bausünden musste ich grinsen. Es erinnerte mich an meine Geographie-Exkursionen an der Uni zum Thema Stadtgeographie. Da machte sich der Prof. ab und an den Spaß, die gesamte Busladung von Studenten vor so einer Bausünde auszukippen und über die angesammelte Hässlichkeit zu dozieren. Für manchen Hausbesitzer vielleicht etwas unangenehm...
    Liebe Grüße
    Andrea

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  7. Guten Morgen liebe Astrid, ja das sind wohl die Fotos, bei denen sich regelmäszig meine Linse sträubt ;-)
    Aber das Blumenbuch ist ein guter Tip für mich, das kommt jetzt gleich auf meine antiquarische Wunschliste (wo es gut und gerne paar Jahre warten darf, so ist ja immer meine Taktik, die mich meist zum Ziel führt letzten Endes doch!) - danke für den Tip.
    Erhole mich gerade von einer multiplen Wespenattacke, die von Notarzt mit Kortison und Antibiotikum bekämpft werden muszte und bin heut erstmals halbwegs wieder unter den Lebenden...
    Liebe Grüsze und eine gute Woche noch
    Mascha

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  8. Liebe Astrid,
    wenn ich an Fachwerkhäuser denke, dann ich Deinen folgenden Gedanken nur unterschreiben: "...und in mir die Einsicht wachsen lassen, die wahre Zerstörung der Schönheiten in diesem Land hat eigentlich erst nach dem Krieg stattgefunden."
    Eine Zeit lang hat man doch wirklich versucht, Fachwerkhäuser in die Moderne, oder in das, was man für die Moderne hielt, zu holen. Das ist jedesmal gründlich daneben gegangen. Die Häuser verloren nicht nur ihren Charme, sondern wurden auch nachhaltig beschädigt. Und da gibt es auch noch viele anderen Beispiele...
    Ich wünsche Dir noch eine schöne Restwoche.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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    1. Das haben wir in der Familie ja selbst erlebt, als ein Malermeister meinem Schwager für die Wetterseite an seinem Fachwerk-Anwesen einen Kunststoffputz für viel Geld verkauft hat. Aber du kennst ja die Folgen für das Holz...
      GLG

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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