Freitag, 22. November 2019

Rache statt Rechtsstaat

Über Ahmet Altan habe ich hier schon einmal geschrieben. Jetzt hat das PEN-Zentrum Deutschland den türkischen Schriftsteller und Journalisten zum Ehrenmitglied ernannt und die türkischen Behörden aufgefordert, ihn "sofort und bedingungslos aus dem Gefängnis zu entlassen". 

Am 4. November 2019 war Altan unter Auflagen zusammen mit der Journalistin Nazlı Ilıcak freigelassen worden. Doch nach acht Tagen wurde er nach Einspruch der Generalstaatsanwaltschaft erneut in Haft genommen. Zuvor hatte es eine Social-Media-Kampagne gegen Altan gegeben, die wiederholt dazu aufrief, ihn wieder ins Gefängnis zu werfen. 

"Nach der kurzen Freude, in Freiheit zu sein, ist er unter skandalösen, selbst für die Türkei alles andere als legalen Umständen wieder inhaftiert worden", so Ralf Nestmeyer vom PEN.  Der neue Haftbefehl sei ihm dann nicht direkt oder über seine Anwältin zugestelllt, sondern über die Nachrichtenagentur Anadolu verbreitet worden. "Dann wurde er wegen angeblicher Fluchtgefahr verhaftet. Er hat in keinster Weise versucht zu fliehen."

Diese Willkür der türkischen Justiz steht im Widerspruch zu jeglicher Rechtsstaatlichkeit und ist für mich ein erneuter Beweis für den despotischen Charakter des türkischen Regimes.

Ahmet Altan, Nazlı Ilıcak und Mehmet Altan


Ahmet Altan war im Juli 2016 wegen "Unterstützung einer Terrororganisation" festgenommen worden und am 16. Februar 2018, dem Tag der Freilassung von Deniz Yüzel, zusammen mit seinem Bruder Mehmet Altan und der Journalistin Ilicak von einem Gericht in Istanbul verurteilt worden, obwohl keinerlei stichhaltige Beweise vorlagen. Vorher, im Januar, hatte das türkische Verfassungsgericht schon einmal seine Freilassung angeordnet gehabt, ein Gericht in Istanbul kassierte diesen Beschluss jedoch wieder ein. 

Ein ganz schöner Nervenkrieg gegen einen alten, fast siebzigjährigen Mann, und man fragt sich, warum. Offensichtlich ist er dem neuen türkischen Sultan auch ordentlich auf die Nerven gegangen, hat Altan ihm doch u.a. in einer Fernsehsendung vorgeworfen, er habe dieses schöne Land Türkei kaputt geherrscht und solle mal aufpassen. Mit dieser Aussage wurde dann auch begründet, dass Altan vom bevorstehenden Putsch gewusst habe. Mein ist die Rache, spricht der Herr. Da soll wohl eine kritische Stimme im Land zum Verstummen gebracht werden... 

Der von mir gern gelesene türkische Autor & Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, der sich politisch nicht gerade oft äußert, hat inzwischen angemahnt, dass die Türkei umgehend zur Rechtstaatlichkeit zurückkehren müsse. Das derzeitige Justizsystem bezeichnet er als  absolut beschämend. Auch die Europäische Union hat kritisiert, dass Altan erneut inhaftiert worden ist. 

Ende des Monats soll Ahmet Altan der Geschwister-Scholl-Preis für "Ich werde die Welt nie wiedersehen. Texte aus dem Gefängnis" verliehen werden. Die Stadt München und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in Bayern würdigten den früheren Chefredakteur der Zeitung "Taraf" bei der Bekanntgabe der Entscheidung als "kritischen Kommentator des Geschehens in der Türkei", der für alle spreche, "die für die Wahrheit eintreten und die Freiheit verteidigen".

Zur Verleihung der Auszeichnung am 25. November in München wird er aber nicht erscheinen können, da er weiter im Gefängnis sitzen muss.


Erst im letzten Monat war in der Türkei ein Gesetzespaket zur Justizreform durch das Parlament gegangen, welches besonders Menschen, die aufgrund von Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Gefängnis sitzen, Besserungen bringen sollte. Doch der Herr E. findet immer wieder neue Wege, Rache an seinen Kritikern zu nehmen, indem er eine Justiz nutzt, die er sich gefügig gemacht hat.





4 Kommentare:

  1. Liebe Astrid, es ist großartig, dass Du nicht müde wirst, auf all die Missstände hinzuweisen.Ich hätte auch einiges, was ich hier mal näher beleuchten möchte. Aber das geht momentan über meine Kraft.
    LG
    Magdalena

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  2. Umso mehr müssen wir unsere eigene Rechtsstaatlichkeit schützen, denn man sieht ringsum, wie schnell es in eine ganz andere Richtung gehen kann.
    Dass Ahmet Altan den Geschister-Scholl-Preis verliehen bekommt, ist sehr ehrenwert, aber leider der Tatsache geschuldet, dass er selbst unschuldig inhaftiert war und wieder ist.
    Es wäre so schön, wenn diese Art Preise nicht mehr nötig wären...
    Einen bewussten Frei-Tag Abend wünsche ich,
    Sieglinde

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  3. Überall greift man ins Schreckliche... Tun was man kann. Lieben Dank für dein nimmermüdes Informieren und Aufklären. Lieben Gruß Ghislana

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  4. was will man von so einem Despoten anderes erwarten .. wer ihm nicht huldigt geht halt in den Knast
    ein Grund findet sich immer
    leider sind diese Menschen durch kaum etwas zu beeindrucken
    was ich aber nicht verstehe.. dass da immer noch Leute hin fahren
    mir wäre das viel zu gefährlich

    liebe Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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