Freitag, 1. Februar 2019

Von satanischen Mächten hier & heute


"These are tools of oppression. 
We are not given a choice... 
How can it be a choice 
when you are told you will burn in Eternal Hellfire 
if you don't wear it".

Ensaf Haidar, Menschenrechtsaktivistin,
Ehefrau von Raif Badawi zum Verhüllungsgebot


Wie oft habe ich an dieser Stelle in Kommentaren die - durchaus angebrachte - Kritik an saudischen Verhältnissen gelesen, die als "mittelalterlich" beschrieben wurden. Die Drohung mit dem ewigen Höllenfeuer ist im Islam ein probates Mittel, religiöse Vorstellungen und Verhaltensweisen bei den  Religionsangehörigen, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, durchzusetzen.

Dass das bei uns auch noch immer der Fall ist, in einem aufgeklärten, evidenzbasierten Sozialwesen des 21. Jahrhunderts, wollte ich eigentlich nicht mehr so recht glauben. Doch die Erfahrung eines jungen Mannes in unserem näheren Umfeld, dessen Konfirmationsunterricht von einem Evangelikalen übernommen worden ist, haben mich eines Besseren belehrt. Ich will aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre jenes jungen Mannes nichts weiter hier an diesem Ort darstellen, nur so viel: Seinen Glauben hat er verloren, und er zweifelt, dass er ihn je wieder zurückgewinnen wird. Als ich das gehört habe, gab es mir einen Stich, denn ich weiß aus eigenem Erleben, was der Verlust einer sicher geglaubten Gemeinschaft in diesem Alter mit einem macht.

Aber weg von dieser persönlichen Geschichte!

Am vergangenen Wochenende habe ich dann eine Radiosendung zum Thema "Befehlsempfänger Gottes" gehört ( hier nachzuhören oder zu lesen ), die mich nach den geschilderten persönlichen Erfahrung erst aufhorchen und dann gespannt zuhören ließ:
"Erstmal müssen wir wissen, wo steht der Feind, mit wem haben wir es zu tun? Wir haben es nicht mit ein paar verworrenen Theologen oder irgendwelchen Professoren zu tun, sondern: Hier kämpft der Widersacher. Wir haben es nicht mit Fleisch und Blut zu tun, sondern der Teufel kämpft von Anfang an gegen das Wort Gottes. Das ist der Hauptkampf, den er führt. Das müssen wir wissen, darum geht es." ( Jakob Tscharntke, Quelle hier )                  
In der Sendung gibt es dann eine ganze Reihe Originalstimmen zu hören, die deutlich werden lassen, welchen politischen Einfluss inzwischen Menschen mit diesen Vorstellungen von satanischen Mächten nehmen, nämlich über die Parteien mit dem "C", aber vor allem über die Blauen.  Und sie lassen auch keinen Zweifel aufkommen, welche demokratische Entwicklungen sie in unserem Land rückgängig machen wollen. In etlichen lateinamerikanischen Ländern, nicht nur Brasilien, ist ihnen das ja schon geglückt.  

Da geht ein evangelikaler Geistlicher, eben jener Jakob Tscharntke, inzwischen ohne Gemeinde, aber mit Internetpräsenz, auch so weit, dem amerikanischen Präsidenten zu attestieren, er sei zwar "kein christlicher Tugendbold", aber auch nicht so böse, wie ihn die Journalisten darstellten. An deren Kritik glaubt er vielmehr, den Geist Satans ablesen zu können. 

Schon wieder dieser Widersacher,  der Teufel...

Derselbe Mann sieht die Teufels-Gewalt auch am Werk, wenn in Deutschland Flüchtlinge aufgenommen werden. Denn das Ziel ist, die "herbeigeführte Überfremdung und Islamisierung Europas", und diesem Teufelswerk hat sich u.a. Angela Merkel unterworfen.

Als Heidi Mund, Mitbegründerin der evangelikalen Gruppierung "Himmel über Frankfurt" bei der Aktion "Hooligans gegen Salafisten" in Berlin auftritt und dort skandiert "Wir sind das Volk", stockt mir kurzzeitig der Atem: Holla, da geht es also wieder mal lang:

Da soll die eigene private Glaubensüberzeugung zur allgemeinen Norm für unser Gemeinwesen gemacht werden, dem sich Andersdenkende zu unterwerfen haben, sonst gehören sie eben nicht mehr dazu? Dogmen und religiöse Anschauungen aus dem 19. Jahrhundert werden propagiert und sollen in unserer Gemeinschaft als verbindlich anerkannte erkämpfte bürgerliche Freiheitsrechte bzw. Menschenrechte aushebeln? 

Unser Staat hat weltanschaulich neutral zu sein, das haben die Väter & Mütter des Grundgesetzes aus trauriger Erfahrung so eingebracht, alles andere ist bei uns verfassungsfeindlich. Der Widersacher ist ein ganz anderer, wohl eher ein Wiedergänger aus überwunden geglaubten Zeiten...



3 Kommentare:

  1. Wie schade, dass ein junger Mensch hier nahezu traumatisiert wurde. Eigentlich kann Spiritualität so eine gute Erfahrung sein.
    Leider gibt es Evangelikale in allen religiösen Formen auch bei uns, nur dürfte es sie nicht bei der Evang. Kirche geben und junge Menschen zur Konfirmation begleiten. Das ist bitter und hoffentlich wurde hier einiges offengelegt.
    Dass sie auch im politischen Feld wieder sehr tätig sind, wundert mich nicht. Macht es aber nicht ungefährlicher.
    Religion ist nie unpolitisch. Auch wenn sie es sein sollte.
    Nachdenkliche Grüße schickt Sieglinde

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  2. es tut mir sehr Leid dass der junge Mann solche Errfahrungen gemacht hat
    ein junger Mensch sollte mit Liebe und Einfühlungsvermögen begleitet werden

    aber vielleicht wird er doch erfahren dass der Glaube aus dem Herzen kommt und nicht vom "Bodenpersonal" abhängt
    den Personal ist nicht immer das Beste

    ich wußte gar nicht dass es diese Strömungen hier auch gibt
    sicher ist nicht alles was heute so üblich ist mit dem Glauben und der biblischen Auffassung zu vereinbaren
    aber das sollte man nicht versuchen mit der "Brechstange" jemandem beizubringen
    darüber kann man reden und auch diskutieren
    und je nach dem wird der Betreffende diese Erkenntnisse auch selber erlangen

    eigentlich lehrte Jesus nur eines
    und zwar die Liebe..

    liebe Grüße
    Rosi

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  3. Danke für diesen Post, den ich jetzt endlich auch gelesen habe.
    Es ist immer wieder unfassbar, was im Namen dieses Gottes so veranstaltet wird. Wie verzerrt, verformt und verstümmelt diese Leute die „frohe Botschaft“ des Christentums verkünden, macht mich immer wieder fassungslos. Und das als Konfessionslose!

    Liebe Grüße
    Sabrina

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