Freitag, 4. Januar 2019

Würde Raif Badawi eine Moscheensteuer befürworten?

Vor über einer Woche sprach sich die Berliner Rechtsanwältin und Imamin Seyran Ateş in der Onlineausgabe der Welt für die Einführung einer Moscheensteuer aus. Sofort sprangen Politiker diverser Couleur auf diesen Zug auf und sahen in dieser Idee eine Möglichkeit, verloren gegangenen Einfluss auf bestimmte gesellschaftspolitische Veränderungen zu nehmen. Bei meiner Heimkehr aus dem Weihnachtsurlaubs war diese Meldung in jeder Nachrichtensendung im Radio zu hören.

Ehrlich gesagt, war ich entsetzt.

Statt das Prinzip der Trennung von Staat und Religion endlich in unserem Land konsequent zu vollziehen, will man nun bestehende Religionsprivilegien auf andere Weltanschauungsgemeinschaften wie die Islamverbände ausweiten. Statt einer Umsetzung sämtlicher humanistischer Grundprinzipien in einer immer stärker säkular geprägten Gemeinschaft wie der unsrigen, zu denen die Religionsfreiheit nun mal gehört ( und die umfasst nun mal auch, dass man seine Religion bzw. Nicht-Religion gegenüber dem Staat verschweigen kann & darf ), statt das also endlich anzugehen, will man die Festschreibung eines alten Privilegienbündels aus der Weimarer Zeit bzw. des Reichskonkordats von 1933 ausweiten!

Die gerade zum Siebzigsten gefeierte "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" verbietet mit Artikel 18 übrigens auch den Zwang sowie die unbewusst wirkende Einflussnahme und Manipulation in puncto Religion. Und unser Grundgesetz, das in diesem Jahr ebenso alt wird, sieht vor, dass jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbst ordnet & verwaltet und selbst entscheidet, ob sie vom Recht des Steuereinzugs Gebrauch macht oder nicht. Das noch mal zur Erinnerung!


















Hierzulande ist es aufgrund der Kirchensteuererhebung durch den Staat ja immer noch unmöglich, seine religiöse Einstellung privat zu halten, denn über die Steuerkarte erfahren staatliche Institutionen wie der Arbeitgeber, ob ich glaube oder nicht und was ich glaube.

Mein Vertrauen ist da auch nicht sehr groß, dass z.B. ein streng gläubiger muslimischer Chef auf seinen Arbeitnehmer, der sich vom entsprechenden Glauben entfernt hat, keinen Druck ausübt, habe ich doch seit meiner Beschäftigung mit der Religionsfreiheit nach der Auspeitschung Raif Badawis vor vier Jahren oft genug mitbekommen, dass islamisch geprägte Länder Atheisten ebenso wie Christen zunehmend der Verfolgung aussetzen und sich darin gerechtfertigt sehen, weil sich diese Religion auch als eine versteht, die das gesellschaftliche Miteinander formen & bestimmen will. Erfahrungen von Freunden & Verwandten mit den christlichen Institutionen in dieser Hinsicht bieten mir da auch genug Erfahrung & Anlass zu Misstrauen...

Mir ist klar, dass insbesondere die von der DITIB betriebenen Moscheen unter starkem finanziellen & politischen Einfluss der türkischen Regierung stehen und die in der Türkei ausgebildeten Imame zu uns geschickt und vom Konsulat bezahlt werden. Auch andere Moscheegemeinden werden finanziell aus dem Ausland, speziell aus den Ländern der arabischen Halbinsel, gefördert und entsprechend beeinflusst, dazu habe ich schließlich oft an dieser Stelle geschrieben. Aber was soll eine Moscheensteuer an dieser jahrelangen Praxis plötzlich ändern? Sie würde lediglich die bestehende Finanzierung aufstocken. Also alles Augenwischerei!

Wenn es der Politik wirklich darum ginge, den Geldstrom - und mit ihm die Einflussnahme ausländischer fundamentalistischer Strömungen auf Muslime in Deutschland - zu unterbinden, wäre da ein Gesetz, analog dem 2015 in Österreich geschaffenen, nicht wesentlich wirksamer, welches die Auslandsfinanzierung von Moscheen in unserem Land schlicht & ergreifend verbietet und entsprechend juristisch ahnden könnte?

Geht es den Politikern wieder einmal darum, mit dem Thema "Islam" Stimmung zu machen? Oder geht es darum, das Privileg der Kirchensteuererhebung durch den Staat so lange wie möglich fortzuschreiben, indem man es auf andere Religionsgemeinschaften ausweitet, obwohl im Land die Anzahl der konfessionell gebundenen Bürger immer weiter sinkt? Was soll die damit verbundene Diskriminierung aller Atheisten & Agnostiker im Lande? Warum wird der große Teil der deutschen Bevölkerung, welcher außerdem stetig wächst, einfach nicht respektiert?

Die rückwärts gewandte Politik und Hascherei nach rechter Zustimmung ist alles andere als zukunftsorientiertes Handeln. Denn da sehe ich aus Erfahrungen in anderen Ländern in der Säkularisierung das wesentlich bessere Konzept, um ein friedliches Zusammenleben der unterschiedlichsten Menschen zu entwickeln und zu unterstützen. Gesellschaften mit der größten Vielfalt an Herkunft, Religion oder Weltanschauung & Kultur, ohne die eine gegenüber der anderen zu bevorzugen, sind die auf dieser Erde erfolgreichsten, da friedlichsten Gemeinschaften, das auch zur Erinnerung. Der gesellschaftliche Kitt ist nicht die Religion, sondern die Mitmenschlichkeit, die über religiöse Grenzen hinweg Gültigkeit besitzt.

Damit kann ich dann auch wieder den Bogen zu Raif Badawi schlagen. Der hat auf seinem Blog einstmals geschrieben: "Säkuralismus respektiert jeden und kränkt niemanden. Säkularismus ist eine geeignete Methode, um Staaten ( unsere eingeschlossen ) aus der Dritten in die Erste Welt zu hieven."





7 Kommentare:

  1. Ich finde die Idee per se sinnig, dass sich jede Glaubensgemeinschaft selber erhalten soll. In dem jeweiligen Land. Ich kenne mich diesbezüglich zu wenig aus, aber dass der Vatikan keinerlei Einfluß auch finanziell auf die katholische Kirche in Österreich hat, halte ich für eine Mähr. Dass der Islam ein österreichischer sein soll, finde ich nicht schlecht. Wobei es mir halt an sich eher egal ist. Was mir nicht egal ist, ist halt die Einflussnahme Dritter.
    Das finde ich äußerst SEKANT!
    :-)
    Bussi

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  2. eine Kappung der Geldströme aus dem Ausland ist sicher wünschenswert
    aber das geht sicher anders besser
    Beeinflussung ist allerdings nie zu vermeiden.. siehe Werbung und Medien ;)
    man muss halt genau hinschauen und das tun leider viele nicht
    liebe Grüße
    Rosi

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  3. Nun nimmt Deutschland ja nicht nur über die Kirchensteuer und Angaben dazu Einfluss und die Kirche, welche auch immer, sehr gezielt und genau andererseits, teilweise sehr wohl über Geldgeber im Ausland (Vatikan, natürlich, wer bitte sonst...)Ich halte die Trennung von Kirche und Staat für essentiell! Alles andere ist Einflussnahme und übergriffiges Tun, teilweise mit Vergewaltigung im weitesten Sinne gleichzusetzen und immer mit Abhängigkeiten. Allerdings erwarte ich von einem Staat, der seine Bürger - und darunter verstehe ich nicht nur die, die per se seine Staatsbürger sind - schützt vor jeglichem Übergriff, ob durch direkte Taten, psychische Einflussnahme oder sagen wir den Dauerversuch an staatlichen Orten eine Religion als Staatsreligion vorbildhaft vor Augen zu führen. Und davon ist Deutschland meilenweit entfernt. Es ist vergleichbar mit der EInflussnahme einer bestimmten Stiftung in D, der wir letztlich die Verdummung und das absolute Chaos in der deutschen Rechtschreibung verdanken, das keiner wieder auflösen wird und woran genau diese "Zentrale deutscher Sprachmacht" den größten Anteil hat - natürlich auch gesteuert mit den unglaublichen Geldmitteln, die da vorhanden sind. In allen diesen Bereichen kann man es gut mit den Worten des Zauberlehrlings beschreiben: "Und die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht los." Was ein Mensch denkt, glaubt...das gehört in seinen Privatbereich. Grundsätzlich. Herzlich, Sunni

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  4. Ich bin auch entsetzt. Die ewig gleichen, falschen Antworten und Forderungen. Das ist nicht zukunftsfähig, das finde ich auch.

    Raif Badawi schreibt: Säkuralismus respektiert jeden und kränkt niemanden. Säkularismus ist eine geeignete Methode, um Staaten ( unsere eingeschlossen ) aus der Dritten in die Erste Welt zu hieven."

    Und man möchte hinzufügen: Sakralisierung könnte Staaten der Ersten Welt in die Dritte Welt stürzen....

    GlG Sieglinde

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  5. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass Staat und Kirche getrennt sein sollen, allerdings ist die Lage hier etwas komplizierter und auch vertrackt. Wie immer gibt es 2 Seiten der Medaille. Liebe Astrid, da hast Du mir jetzt einen zusätzlichen Postauftrag verpasst. Dauert aber ein paar Tage. Bis dann, gehabt euch wohl ihr streitbaren Geister (und streitet eifrig weiter)!
    LG
    Magdalena

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  6. Ja, du streitbarer Geist 💛. LG Ghislana

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