Freitag, 26. Oktober 2018

Peinlich


... finde ich die von der Bundesregierung verkündete vorübergehende Einstellung der Waffenlieferungen an Saudi- Arabien.


So empörend & bedauernswert das Schicksal des Journalisten Jamal Khashoggi ist - er ist nur ein i-Tüpfel angesichts dessen, was dieser Schurkenstaat schon so alles verbrochen hat: finanzielle Förderung fundamentalistischer Moscheen & Organisationen in Europa & weltweit - ich sage nur Brüssel -, aus denen heraus Terroranschläge verübt wurden, und entsprechender militärischer Gruppen im Orient, beides mit zahlenmäßig nicht korrekt erfassbaren Toten, Nine-Eleven mit 3000 Toten, Militäreinsatz im Jemen mit bisher mindesten zehntausend zivilen Toten, 600 Hinrichtungen seit 2014. Dazu kommen über hundert gefangengesetzte Menschenrechtler, darunter der Blogger Raif Badawi, wegen dem ich überhaupt angefangen habe, in meinem Blog über das Königreich zu recherchieren und zu schreiben. Dann die Einmischungsversuche in Bahrain 2011, in Katar oder dem Libanon ( Nötigung zum Rücktritt des libanesischen Regierungschefs Saad Hariri ) beides 2017, die unsägliche Behandlung von Arbeitsimmigranten und der schiitischen Minderheit im Lande. Es hätte also in den vergangenen Jahrzehnten genug Gründe gegeben, die bundesrepublikanische Politik zu überdenken und sich dabei mal endlich von den eigenen, ach so hochgehaltenen Werten leiten zu lassen.

Übrigens: Saddam Hussein und Muammar al Gaddafi haben Dissidenten und Oppositionelle auch ermorden lassen, Putin Abtrünnige vergiften. Die Reaktionen darauf sind bekannt? Aber die standen und stehen halt nicht unter dem besonderen Patronat des Westens.

Nun ist die Stimmung in der Bevölkerung wie dem Parlament in puncto Saudia - Arabien unüberhörbar so, dass man in Schwierigkeiten kommen könnte, sollte man weitere Waffenkäufe gutheißen. Da wird man vorsichtig. Eine weiße Weste behält man allerdings nicht, indem man sich wegduckt und weiterhin Geschäfte macht. Es kostet was, wenn man Menschenrechte wirklich ernst nimmt. Oder man gibt endlich offen zu: Erst kommt das Fressen, dann die Moral.

Von den Waffenlieferungen hängen Arbeitsplätze ab, da kann man eben nicht immer auf alles Rücksicht nehmen. Wen interessiert es schon, wenn im Jemen Unschuldige in einem Stellvertreterkrieg umkommen, solange es mit unseren Rüstungsgütern geschieht. Würden wir sie nicht verkaufen, würden es andere tun. Also, warum nicht den Euro selbst verdienen und dem eigenen Land nützen? ( Wer den Sarkasmus findet, darf ihn behalten. Ich bekomme davon immer mehr Bauchschmerzen. )

Persönlich denke ich, die nächsten Waffenlieferungen sind allerdings nur eine eine Frage der Zeit, bis über die Sache etwas Gras gewachsen ist. Das Königshaus wird eh darauf pochen, dass alles nur ein großes Missverständnis ist bzw. dass keiner aus dem Hause Saud in den Mord verwickelt ist.

In unserem Land ist es an der Zeit, einen völlig neuen Anlauf zur Rüstungsexportkontrolle zu unternehmen, in der endlich der Bundestag die entscheidende Rolle spielt ( bisher ist der Bundessicherheitsrat zuständig ). Befürworter der  Exporte an SA argumentierten bisher, der Partner sei zwar schwierig, aber in der Region dürfe man nicht wählerisch sein, Gegner wiederum meinten, diese Realpolitik habe gerade zum Chaos in der arabischen Welt beigetragen. Und die Kanzlerin wollte keinen offenen Konflikt. So wurde einfach gar nicht mehr abgestimmt, die Entscheidungen meist verschoben. Konsequent war diese Linie nie. Und alles erinnert an Hinterzimmerpolitik wie im 19. Jahrhundert, einer heutigen Demokratie nicht mehr angemessen und führt dazu, dass die Bevölkerung sich schlicht auf den Arm genommen fühlt. Ich habe am Dienstag am Tagesgespräch von WDR5 zum Thema teilgenommen und alle Anrufer - außer einem - sahen die Sache sehr ähnlich wie ich. Das sollte doch mal in Berlin ankommen...

Am Sonntag soll das Urteil über Israa al-Ghomgham ( hier habe ich von ihr berichtet ) gefällt werden, die der schiitischen Minderheit angehört und der ein Aufruf zum Protest, regimefeindliche Slogans und moralische Unterstützung von Demonstranten vorgeworfen wird und der als erster Frau die Hinrichtung droht. Sie ist nicht die erste und wird nicht die letzte sein. Kashoggi hat viele Gesichter. Man muss sie nur mal wahr- und zur Kenntnis nehmen...

Die österreichischen Grünen konnten heute übrigens ein eigenartiges Jubiläum begehen: die  200. Mahnwache für Ralf Badawi vor dem König Abdullah-Zentrum in Wien...







Noch einmal der Jemen - hier gibt es zum Beispiel Informationen!

9 Kommentare:

  1. Auch wenn Du vollkommen recht hast, dass Kashoggi seit Jahren viele Gesichter hat, wegen deren es keinerlei Reaktionen gab, so bin ich doch froh um die paar Wellen, die es jetzt schlägt. Es muss endlich eine bessere Rüstungsexportkontrolle geben, das ist gewiss. Vielleicht dämmert es den sog. bürgerlichen Politikern doch auch noch, dass sie politischer und demokratischer reagieren müssen. Die Erfolge der Grünen zeigen es auf und ich hoffe auch in Hessen am Sonntag.
    Dass die Grünen in Wien nun schon 200mal für Raif Badawi Mahnwache halten mussten, ist wirklich ein Trauerspiel und aber auch ein Zeugnis für einen langen Atem, den es eben auch gibt.
    So wie zum Glück auch bei Dir hier!
    Ich bin gespannt, wie sich die Dinge weiterentwickeln.
    GlG Sieglinde

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  2. Ich hab die vergangene letzte Woche im Berghaus die ganze peinliche Angelegenheit im Schweizer Radio verfolgt. Über Macrons Reaktion bin ich ganz besonders entsetzt...
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Entsetzt vielleicht, aber nicht im geringsten verwundert: Frankreichs Wirtschaft & Elite ist dermaßen verbandelt mit den Saudis, die haben Riesenimmobilien, sind heftigste Kunden der Luxusindustrie usw. undsofort - das gäbe gewaltigen Stress. Schade, aber die Verhältnisse, die sind nicht so.
      LG

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  3. Was für ein Gefühl, auf dem Sofa zu sitzen und den letzten Link anzuwählen und das Foto dieses Kindes zu sehen.
    Stille Grüsse, Sibylle

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  4. diese verdammte scheinheiligkeit unserer (und anderer) regierungen und der großen konzerne geht mir so auf den keks. herr kaeser wird auf seine milliardenschweren aufträge wohl kaum verzichten, auch wenn er auf druck der öffentlichkeit mal eben nicht an einer konferenz teilgenommen hat. es sind ja nur "einzelne", die diese verbrechen begehen, wie er es ausdrückte. na dann gute nacht und weiter wegsehen!
    liebe grüße
    mano

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  5. was muss noch passieren bis unsere Politiker regieren und mesnchenwürdig reagieren.
    Es ist grauenvoll und abscheulich was auf der arabischen Halbinsel geschieht.
    < Hauptsache die Waffenindustrie schreibt Gewinnen<!!!!
    Gruß zu dir
    heiDE

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  6. es ist ein Drama..
    und man weiß einfach keine Lösung dafür..
    was hilft und was schadet..
    früher als man noch mit Schwertern auf einander los ging war die Sache wohl einfacher :(
    wo man hinschaut so viel Leid
    und manche wollen es einfach nicht mehr sehen
    aber man kann sich nicht zurück lehnen und so tun als wüßte man von nichts
    hoffentlich werden wirklich die Rüstungsverkäufe herunter gefahren
    sollte es eigentlich nicht verboten sein an kriegsführende Staaten zu liefern?
    Die Saudis sind kriegsführend..
    aber es steckt wohl auch die Angst dahinter..
    wenn die Regierung der Saudis stürzt dass es im Chaos endet wie anderswo
    liebe Grüße
    Rosi

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  7. Dazu kann ich heute leider gar nichts sinngebendes teilen ... aber ich möchte schon dalassen, dass es gut ist darüber zu schreiben, zu reden ...

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  8. "Kashoggi hat viele Gesichter...". Genau so ist es, und trotz Kashoggis Tod haben das noch viel zu wenige gegenwärtig... Liebe Grüße Ghislana

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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