Freitag, 19. Oktober 2018

Die Verhältnisse, sie sind nicht so



"Das Recht des Menschen ist’s auf dieser Erden,
da er doch nur kurz lebt, glücklich zu sein,
teilhaftig aller Lust der Welt zu werden,
zum Essen Brot zu kriegen und nicht einen Stein.
Das ist des Menschen nacktes Recht auf Erden,
doch leider hat man bisher nie vernommen,
dass etwas recht war und dann war’s auch so!
Wer hätte nicht gern einmal Recht bekommen?
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so."
...

Ein guter Mensch sein! Ja, wer wär’s nicht gern?
Sein Gut den Armen geben? Warum nicht?
Wenn alle gut sind, ist Sein Reich nicht fern.
Wer säße nicht sehr gern in Seinem Licht?
Ein guter Mensch sein? Ja, wer wär’s nicht gern?
Doch leider sind auf diesem Sterne eben
die Mittel kärglich und die Menschen roh.
Wer möchte nicht in Fried’n und Eintracht leben?
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!
...

Natürlich hab ich leider recht,
die Welt ist arm, der Mensch ist schlecht.
Wer wollt auf Erden nicht ein Paradies?
Doch die Verhältnisse, gestatten sie’s?
Nein, sie gestatten’s eben nicht."

 aus: Bert Brecht: Erstes Dreigroschen -Finale 
(Über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse)



Klar wären wir lieber gut, würden wir lieber die Menschenrechte achten bzw. darauf achten, dass sie andere achten. Da erheben wir uns gerne bzw. unsere Stimme, sind empört, verlangen von unseren Regierungen, dass sie auf den Tisch hauen, wenn solche Dinge geschehen wie der Tod eines Journalisten im Konsulat eines Staates, wie das in jenem von Saudi - Arabien in Istanbul mit dem arabischen Exil - Journalisten  Jamal Kashoggi passiert ist.

Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so, da redet auch der Herr im Weißen Haus, der angeblich mächtigste von allen, nicht drumherum:"Ich will nicht, dass am Ende deshalb Arbeitsplätze verloren gehen", erklärte er in einem Interview, angesprochen auf seine verhaltene Reaktion gegenüber Saudi - Arabien im Fall Khashoggi.

( Inzwischen weiß man u.a., dass den US-Geheimdiensten zumindest Pläne des Kronprinzen bekannt gewesen seien, Khashoggi entführen zu lassen und dass vier der fünf im Konsulat Beteiligten Personenschützer des Kronprinzen gewesen sind und vieles mehr, das ich hier nicht en detail schreiben mag - ich will nicht zum Splatter-Blog verkommen.)


Die Verflechtungen zwischen Saudi - Arabien und den Vereinigten Staaten sind einfach immens: 

SA hält US-Staatsanleihen in Höhe von mehr als 166 Milliarden Dollar, Anteile an Firmen wie Apple, Twitter und Uber, WeWork und an der Kommunikationsplattform Slack. Zusammen mit dem japanischen Konzern SoftBank steht Saudi-Arabien hinter der SoftBank Vision Fund, einem Investmentfond, der insgesamt 100 Milliarden Dollar in neue Technologien und innovative Firmen stecken will und aktuell 2,25 Milliarden Dollar in die Sparte "Autonomes Fahren" bei General Motors gesteckt hat. Schon jetzt hält SA fünf Prozent an Tesla, dem Hersteller von Elektroautos.

Die wechselseitigen Abhängigkeiten sollen intensiviert werden mittels "Neom", dem 500-Milliarden- Dollar -Projekt in der saudischen Wüste ( hier darüber berichtet ). Dutzende von Firmen aus dem Silicon Valley stehen da auf der Teilnahmeliste, ausgerechnet die, die den Anspruch an sich selbst haben, die Welt besser zu machen. Wie blöde, dass Apple Chefdesigner Jonathan Ive auf der Liste ist - versehentlich natürlich, wie jetzt behauptet.

Auch die Finanzbranche ist natürlich immer dabei. Jetzt wird das offensichtlich aber selbst zu heiß für den Chef von JPMorgan, den Gründer von BlackRock oder den Blackstone-Chef Steven Schwarzman, der zuletzt mit dem Königreich kooperiert hat, weil es 40 Milliarden Dollar in US-Infrastrukturprojekte stecken wollte.  

Da sind die Aufträge für Rüstungslieferungen - laut einer Analyse der "Washington Post" -  nicht, wie der Präsident vorgibt 110, sondern nur knapp 15 Milliarden Dollar wert und damit in solchen Kreisen eigentlich "Peanuts" und somit fast zu verschmerzen, denn die Saudis können sowieso nicht so schnell das Bestellte über Käufe in Russland oder China beschaffen. Auch die Öllieferungen - 9 Prozent der amerikanischen Ölimporte - sind da nicht wirklich relevant, was die Abhängigkeiten anbelangt.

Gründe, das Königreich mit Sanktionen zu belegen, gibt es seit Jahrzehnten, nicht erst wegen des aktuellen Falles. Doch die Regierungen der Welt haben sich seit ebensolchen Jahrzehnten für Nachsichtigkeit gegenüber dem Königreich in der Wüste entschieden, früher, weil es lange der größte Ölproduzent der Welt war und heute immer noch, weil man gerne moderne Waffen und Autos an das reiche Königreich verkauft. Das gilt auch in besonderem Maße für unser Land.

Momentan scheint die deutsche Regierung noch jedes einzelne Wort in Richtung saudisches Königshaus abzuwägen und was das die heimische Wirtschaft kosten könnte. Doch angesichts der wirtschaftlichen Fakten fällt es mir schwer, der Regierung abzunehmen, in unserem Sinne zu handeln, wenn moralische Prinzipien verkauft werden, weil Exporte in Höhe von 6,6 Milliarden auf dem Spiel stehen ( bei einem Gesamtvolumen von 1200 Milliarden ).

Die Schlussfolgerung, dass Journalisten aus aller Welt vom mächtigsten Land der Erde keine Unterstützung mehr erfahren werden im Falle eines Falles, wie sie Ben Rhodes, ehemaliger Sicherheitsberater Barack Obamas, gezogen hat, teile ich. Eine klare Haltung ist unter diesen Bedingungen dennoch nicht unmöglich. Und Verhältnisse können sich ändern. Ein entsprechend formulierter Brief an Herrn Maaß ist wieder unterwegs. Auch wenn der nie antwortet.







Wer wissen will, warum meiner Meinung SA schon lange, lange die Freundschaft aufgekündigt gehörte, der darf sich hier eine Aufstellung der Gründe ansehen.

9 Kommentare:

  1. Ich bin schon lange sprachlos, dass mit diesem Staat noch Geschäfte gemacht werden. Aber letztlich geht es doch immer nur ums Geld. Was zählt da der einzelne Mensch?
    Magdalena

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  2. jetzt schein es wohl so zu sein
    auch wenn die Türkei immer noch nicht offiziell etwas dazu sagt sondern nur "hintenherum" etwas verlauten läßt

    die Grausamkeiten die da geschildert werden sind unfassbar

    dass das Kranprinz nichts davon gewußt haben soll halte ich auch für absurd
    und Trumps "Schaukelpolitik " erst recht..
    ich hab ihn lieb.. ich hab ihn nicht lieb .. ich hab ihn lieb...
    mals sagt er er glaubt den Saudis
    mal sagt er es müsse Sanktionen geben ..
    aber tun.. tut er nichts..
    Die Saudis sind genau so auf den Westen angewiesen wie umgekehrt
    das Öl wird nicht immer sprudeln
    und arbeiten halten sie ja für unter ihrer Würde ..
    ich denke sie verachten den Westen weil er kuscht..
    wenn alle zusammen die Saudis sanktionieren würden dann hätte das schon ein anderes Gewicht
    aber leider nur Wunschdenken
    mir tut die arme Frau Leid die eine Hochzeit erleben wollte
    und nun nicht mal ein Grab hat um zu trauern ..
    das Gedicht ist leider so wahr ..

    nachdenkliche Güße
    Rosi

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  3. Man hat leider nicht das Gefühl, dass sich seit dem Mittelalter irgendetwas in diesen politischen Gefilden geändert hat.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  4. Nun, ich habe gerade einen Artikel gelesen, der mich zum Nachdenken bringt. In etwa so: alle Regierungen haben immer schon mit Diktatoren und Schurkenstaaten Geschäfte und auch Politik gemacht.
    Zur Zeit ist es wieder einmal ungemütlich so etwas zu tun. Und durch das Internet ist es auch nicht so leicht die Bevölkerung zu begaukeln und ihnen Märchen zu erzählen. Es ist für Regierungen nicht mehr ganz so simpel mit den bösen Buben in der Sandkiste zu sitzen.

    Wäre ich Ministerpräsident der EU (fiktiv Bitteschön) tja ... dann ist das moralisch sein womöglich eben dann doch nicht mehr ganz so leicht. Arbeitsplätze, Geld ...

    Man kann es ein wenig als einen Prozess betrachten .. die moralischen Werte werden immer lauter, immer deutlicher. Und ja, in der vergangenen Zeit haben die USA viel Dreck auf ihren Stecken gesammelt, aber sie waren auch die, die ihre Männer in die Schlacht geschickt haben. Und die gekämpft haben.
    (die Franzosen machen das noch .. viel mehr fallen mir da nicht ein)

    Ich fürchte so ganz schwarz/weiß kann man das Handeln der USA (zumindest in den letzten Jahren) und der EU nicht sehen.

    SA sehe ich allerdings ziemlich dunkelgrau, mit einem saftigen Stich ins Pechschw ... ziemlich ziemlich ...

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    1. Deshalb hab ich den Song aus der Dreigroschenoper gewählt, der ( und die anderen ) zeigt eben, dass das menschliche Leben, na ja, eben dialektisch ist. Simplizität ist ein frommer Wunsch.
      GLG

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  5. Liebe Astrid, es gibt viele Fälle aus diesem Land, auf die ich erst durch Dich aufmerksam geworden bin. Vielleicht bin ich deshalb unterdessen allgemein etwas hellhöriger. Aber dieser Fall nun schlägt sogar in den internationalen Medien tagelang Wellen - aus äusserst traurigem Anlass und durch unfassbare Grausamkeit, Hinterhältigkeit und Gewalt leider, aber immerhin nicht ungehört und ignoriert. Ich bin ein positiver Mensch, immer wieder glaube ich ans Gute in den Menschen. So hoffe ich, dass dieser grausame Mord nicht ohne Folgen bleiben wird und dass einige mächtige Politiker oder Wirtschaftsführer Rückgrat zeigen und Taten, Konsequenzen folgen lassen. Liebe Grüsse, Miuh

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  6. Dass man von den Saudis keinerlei Art Höflichkeit oder gar politcal correctness erwarten kann, ist klar. Aber von unserem gewählten Politiker und Volksvertreter Herrn Maaß schon. Dass er niemals antwortet, finde ich ganz unmöglich. Wofür wird sein Stab, sein Büro von der Steuerzahlerin bezahlt?
    Ob die Antwort dann gefallen würde, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Erst muss sie einmal kommen. Das ist demokratische politische Kultur. Und hier bei uns sind die Verhältnisse - noch - so.
    Also, Herr Maaß wir erwarten die Antwort!

    GLG Sieglinde

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  7. Ich sach ma wieder Danke.
    Ein toller Beitrag. Kaum einer, der sich nicht wirklich intensiv mit diesen Themen beschäftigt, steigt da noch richtig durch. Da wird verschleiert, gemauschelt und verheimlicht was das Zeug hält und es ist Opportunismus in Reinform.
    Liebe Grüße

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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