Montag, 16. April 2018

Stadt - Land im April: Die Menschen II


"Ich empfinde die Intensität an Nähe hier erträglich. Man kann seine Ruhe haben .. also fast immer .. und man kann aber auch leicht Menschen finden, wenn man sie mal braucht. Man kann sich ins Kaffeehaus nach draußen in die Sonne setzen und den Leuten beim Vorbeigehen zuschauen. Das entspannt", schreibt Susanne in diesem Post im Rahmen ihrer Reihe "Stadt - Land" über ihre Nachbarschaft.

Genau so würde ich meine Nachbarschaft auch beschreiben und die Mischung aus Nähe und Distanz für mich als genau richtig definieren. ( Ich habe ländliche Nachbarschaft erlebt im Südwesten Deutschlands, da wurde sehr viel kontrolliert, eingemischt, aber auch geheuchelt und geratscht. So wollte ich nicht leben. )

Ich habe ja schon einmal in meinem "Preptalk" zu dieser Linkreihe über meine "Nohbarschaft", mein "Veedel" geschrieben. Auch über meine Straße habe ich mich an dieser Stelle geäußert. Deshalb heute noch ein paar persönlichere Erkenntnisse und Einsichten.



Was für meine Nachbarschaft in meiner Straße typisch ist, dass hier eine größere Anzahl von Familien lebt, bei denen ein Partner schon hier aufgewachsen ist, Haus & Grundstück von den Eltern geerbt hat und auch jetzt noch mit einem Teil der nächsten Generation, also Kindern und Kindeskindern, bewohnen. Das ist bei unseren unmittelbaren Nachbarn zur Linken und bei denen gegenüber auf der anderen Straßenseite der Fall. Im rechten Nachbarhaus wohnt der Sohn der Eigentümerin mit seiner fünfköpfigen Familie ( und ein paar Singles in kleinen Apartments ). Auch bei der Floristenfamilie wohnen drei Generationen mit weiteren Mietern in einem Häuserensemble, ein paar Häuser weiter bewohnt inzwischen der Sohn mit seiner vierköpfigen Familie das Haus, nachdem die Eltern eine altersgerechte Wohnung bezogen haben. Alle kennen sich also schon sehr lange, was aber nicht zu allzu großer Intimität geführt hat, die solche Neuzugezogenen wie uns ausschließt.



Die Kontakte waren einstmals enger, als die Kinder klein waren und miteinander gespielt haben oder der Herr K. mit seinen mathematischen Fähigkeiten bei schulischen Hängern weiter geholfen hat. Jetzt informiert man sich über längere Abwesenheiten, damit das Haus im Auge behalten wird, und erzählt sich ab und an von den zunehmenden körperlichen Gebrechen des Alters, tauscht diesbezüglich Tipps und Adressen, aber auch im Hinblick auf kulturelle & sonstige Veranstaltungen.

Nachbarschaftshilfe gibt es, ist aber eher auf das Ausleihen von Gartengerät oder Kleinmaschinen beschränkt oder das Annehmen von Paketen. Ein besonderer Fall von Nachbarschaftshilfe bezieht sich auf eine - ebenfalls wie wir durch Kauf des Hauses hinzugekommene - Nachbarin, die immer stärker Anzeichen einer Demenz zeigt. Sie lebt alleine, allerdings mit einer Mieterfamilie im Haus, und benötigt bei vielerlei praktischen Dingen Unterstützung. Anlaufstelle ist dann meist unsere Friseurin zwei Häuser weiter, die als Drehscheibe für Informationen dient und die anderen mobilisiert. So war es auch eine Angelegenheit der halben Straße, als eine Freundin der Dame diese als vermisst meldete. Da hat jeder seine Kenntnisse und Fähigkeiten eingebracht, und alle waren erleichtert, als die Gesuchte sich irgendwann aus der Innenstadt meldete...





Unserem Haus gegenüber ist zum Ende des letzten Jahrhunderts auf einem größeren Grundstück aus einem Landarbeiterhöfchen, Werkstätten und Garagen ein Sieben - Familienhaus mit drei kleinen Stadthäusern im Innenhof entstanden. Zu den jungen Familien, die aus ihrem Kinderzimmerfenster direkt in unsere Fenster schauen konnten, gab es immer einen guten Kontakt. Dafür sorgten die Kinder, die so manches Fenstertheater veranstalteten und damit unsere Aufmerksamkeit und Zuwendung erweckten. Leider brauchten diese Familien immer eine größere Wohnung und zogen weg. Der jetzige Bewohner dieser Wohnung macht durch Kartons & Jalousien vor dem Fenster deutlich, dass er nicht wahrgenommen werden will. Eigentlich stehen wir nur in Verbindung zur sehr betagten Dame im Penthouse und einer fünfköpfigen Familie im Innenhof.

Die Kinder - das schreibt ja auch schon Susanne - sind ja immer diejenigen, die die Kontaktaufnahme erleichtern & befördern. So war es auch bei denen, die das Haus bewohnen, das in der Parallelstraße mit seinem Garten an unseren Garten angrenzt. Drei der fünf Eigentümer kennen wir gut, sei es durch gemeinsame kleine Feiern, sei es übers Blumengießen und Katzenbetreuen. Eine - die "Nachbarin gegenüber" in meinen Posts - ist eine sehr gute Freundin & Ratgeberin geworden, der frau auch schon mal für Skulpturen Modell steht.


Die für die nachbarschaftliche Kommunikation wichtige Friseurin habe ich ja schon erwähnt, denn bei ihr werden nicht nur die Haare auf dem Kopf gepflegt. Die kennt eigentlich inzwischen jeden, der hier und der näheren Umgebung wohnt. Einen weiteren Konnex bieten die beiden Lokale auf dem Platz am Anfang unserer Straße, wo sich jeder mal bei schönem Wetter für einen Kaffee hinsetzt und man so ganz und gar nicht das Gefühl hat, dass die Nachbarn im Arbeitsleben immer Vollgas geben müssen. Da ist es ganz schön lässig...

Was mir beim Nachdenken & Schreiben dieses Posts in den Sinn kommt, ist, wie relativ homogen doch meine unmittelbare Nachbarschaft in diesem Quartier meines Veedels ist: fast alles Akademiker, viele Kreative, so gut wie alle mit deutscher Staatsbürgerschaft, meist sehr, sehr familienbezogen. Was auch auffällt: Unsere Töchter haben fast alle internationale Partner darunter ein Franzose, ein Engländer, ein Marokkaner, ein Däne. Wir waren uns in einem Gespräch über diese Zufälligkeit einig, dass das eher daran liegt, dass unsere Töchter alle immer eine Familie haben wollten, die zur Auswahl stehenden möglichen deutschen Partner sich dazu aber nicht bereit zeigten. ( Das nur mal an die, die immer den Untergang des Abendlandes heraufbeschwören, weil die deutschen Frauen sich nicht genug vermehren. Könnte vielleicht auch an den Männern & ihren Bindungsängsten liegen. Dää! )



Fluktuation gibt es vor allem in den großen Mehrfamilienhäusern, von denen es vier in unserer Straße gibt. Dort leben aber auch vor allem Singles, die eh beruflich stark eingebunden sind und die man nur zu Gesicht bekommt, wenn man für sie Pakete angenommen hat. Die Senioren der Straße sind nämlich beliebte Packstationen. Unsere ( im übrigen sehr netten & tüchtigen ) Zusteller wissen schon, wen sie da behelligen können.

Übrigens hatten wir schon eine ähnlich angenehme, entspannte Nachbarschaft, als wir noch zur Miete in einem Zwölf - Familienhaus, eine Straßenecke von unserem jetzigen Haus entfernt, wohnten. Das ist ein Pfund, mit dem mein Veedel wuchern kann...



Susanne sammelt wie immer die Beiträge zum Thema hier.

13 Kommentare:

  1. Das klingt für mich alles fast wie ein Märchen (und ich würde gern wissen, ob es für mich leichter wäre, in solcher Umgebung zu leben oder ob es wirklich nur an mir und meinen kommunikativen Defiziten liegt, dasz ich sowas hier so gar nicht kenne -
    Frische Frühlingsregengrüsze sendet Dir
    Mascha

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  2. PS: gehört eigentlich nicht hierher, aber ging mir grad so durch den Kopf: in meinen jungen Jahren hatte ich mal einem echt unsymphatischen Mann einen Korb gegeben und als Antwort steckte dann eine Schmähschrift in meinem Postkasten, deren Inhalt - teils weit unter der Gürtellinie - ich nicht wiederholen mag und auch vergessen hab. Nur nicht den Satz: Du wirst von allen Seiten als unnormal angesehn, da kannst du ja wohl froh sein, dasz ich mich für dich interessiere! Nun ja, froh war ich ganz und gar nicht und es dauerte auch noch längere Zeit, den lästigen Zeitgenossen loszuwerden.

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    1. so ein Mistkerl..
      wahre Liebe war das dann ja wohl nicht ..
      was sich so manche einbilden
      nur gut dass du ihn losgeworden bist ..
      aber ich bin hier auch sehr für mich da es mir nicht so liegt auf andere Menschen zuzugehen .. mein Mann war da anders.. er war aber auch hier aufgewachsen
      LG
      Rosi

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  3. Nicht ganz so verwurzelt, aber doch auch sehr heimisch gehts bei uns auch zu im Viertel. Es ist alles weitläufiger und es fehlt definitiv der Platz mit den Cafés!! Leider sind einige vertraute Menschen aus der Nachbarschaft weggezogen oder gestorben. In nun 34 Jahren hier, ist das aber nur natürlich.
    Wir haben auch einen Garten rund ums Haus und der Stadtpark ist unmittelbar nah. Grün war mir immer wichtig.
    Als Landkind genieße ich auch diese offene Mischung aus Nähe und Distanz, die mir das Wohnen in der Stadt in meinem Viertel bietet.
    Euer Veedel würde mir auf jeden Fall auch gefallen!
    Liebste Grüße von Sieglinde

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  4. liebe Astrid..
    das hört sich wirklich sehr schön an
    so sollte es auch sein
    Nähe und Distanz.. so wie man es braucht
    und ein schönes Miteinander
    da kann man sich wohlfühlen
    hier bei uns in der Straße hat sich im Lauf der Jahre auch sehr viel verändert .. es wechselt jetzt auch sehr oft in den Mietverhältnissen
    ich wohne ja jetzt schon fast 50 Jahre hier.. davor 5 Jahre grade um die Ecke .. bin eine der Letzten aus der alten Generation ;)
    ich wünsch dir eine schöne Woche
    Rosi

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  5. Dein Veedel liest sich sehr sympathisch. Ich kann es mir richtig vorstellen, wie sich das so anfühlt.
    Ähnlich wie bei uns .. mit etwas mehr Raum dazwischen, mehr Grün.
    So ungefähr!

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    1. Dafür fehlt mir der Naschmarkt! Was gäbe ich drum, morgens zum Frühstück zu Neni zu gehen!
      LG

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  6. :-)
    wer weltoffen ist braucht weltoffene Partner...

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  7. Das ist lustig, ich bin vom Großstadtrand ja in den Rand einer Kleinstadt gezogen. In der Großstadtsiedlung meiner Kindheit wurde kontrolliert, eingemischt, getratscht, verklagt etc. Und wenn man als Kind mal nicht gegrüßt hat, wurden sofort die Eltern informiert. Vielleicht halte ich deshalb heute Nachbarschaft eher auf Abstand und wähle engeren Kontakt lieber sorgfältig aus. So erreicht mich das Getratsche wenigstens nicht ;-). Unsere Straße wurde nach 20 Jahren von einer Sackgasse zu einer durchgehenden Straße und um eine hochpreisige exklusive Doppelhaussiedlung "bereichert", was die Yuppisierung unserer Gemeinde (wie viele andere im Bodenseeraum) noch mal unterstreicht.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  8. ...das klingt erfreulich, liebe Astrid,
    schön, wenn man sich in seiner Umgebung so wohl fühlt...ich kenne das eigentlich auch nicht anders, habe nie böse Nachbarn gehabt...und sie auch immer mehr oder weniger gekannt...selten enge Freundschaft aber immer ein freundlicher Umgang miteinander...
    und heute habe ich mich sehr über deine Karte gefreut und danke dir herzlich,

    liebe Grüße Birgitt

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  9. Sehr interessant wieder. Zeigt aber auch deutlich, dass wir alle irgendwie in einer Blase leben und vielleicht manchmal vergessen, dass es auch ganz anders zugehen kann.
    Liebe Grüße

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    1. Durch meine Arbeit habe ich diese anderen Verhältnisse oft hautnah mitbekommen, war ja in vier anderen Stadtteilen tätig, sowohl rechts-wie linksrheinisch. Da war dann so ein Rückzugsort wichtig, um aushalten zu können.
      LG

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  10. es hat schon was, in der stadt zu wohnen, aber auch hier auf dem lande haben wir so unglaublich nette nachbarn (bis auf einen!), dass ich hier nicht mehr wegziehen möchte! da ist nähe und distanz auch in genau der richtigen form gegeben. allerdings haben wir zu anderen im dorf kaum kontakt. unsere tochter ging nämlich hier nicht in den kindergarten und in die schule, sondern immer in bs. und vereine gibt es auch nicht, sodass sich da nichts aufbauen konnte.
    liebe grüße
    mano

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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