Samstag, 3. Februar 2018

Stadt - Land...in unserem Veedel


Die geschätzte Wiener Bloggerfreundin Susanne hat sich für dieses Jahr ausgedacht, dass wir uns Monat für Monat erzählen, wie es ist, bei uns zu leben, in der Großstadt, auf dem Lande, wherever... Auch, um uns vielleicht in unserer Verschiedenartigkeit besser zu verstehen.


Für den Februar hat sie sich überlegt, quasi als "preptalk" ( jetzt kenne ich das Wort endlich auch ), bereits im Vorfeld über ihr direktes Wohnumfeld zu schreiben, ihren Bezirk, wie es in Wien heißt, oder - noch weanerischer - Grätzel.

So was gibt es hier auch. Nur heißt es Veedel.

Als ich in meine Stadt, die viertgrößte Deutschlands und eine der ältesten des Landes überhaupt mit einer 2000jährigen Geschichte, gezogen bin, war gerade ein Lied dazu sehr populär:


"Es waren komische Zeiten damals. Chorweiler wurde gebaut mit seinen riesigen Hochhäusern, das alte Stollwerck abgerissen, die Linie 16 nach Rodenkirchen ausgebaut.“ In der Band "Bläck Fööss" wurde wie in der ganzen Stadt über den Städtebau diskutiert. "Wir haben uns unsere eigenen Gedanken gemacht, wie es in Köln weitergeht. Dass neue, große Stadtteile am Rand der Stadt entstehen, fanden wir kritisch. Wir haben versucht, alle Probleme ( in das Lied, Anm. von mir ) reinzupacken. Also wirklich ein Protest- Lied gegen die Entwicklung“, erzählen die Musiker vierzig Jahre später dazu.

Das ist Kölsch sentimental pur! Und so wahr! So wahr, wie ich es vorher - in der doch viel steiferen damaligen Bundeshauptstadt aufgewachsen - nie, nie geglaubt hätte. 

"Nepp" und "Niep" auf einem Bild...


Nippes heißt mein Veedel. Nein, nicht nach den Staubfängern auf irgendwelchen Gesimsen. Eher nach "Niep" für eine feuchte Senke und in Erinnerung daran, dass hier einst ein Rheinarm verlief. Oder nach "Nepp", dem Wort für eine kleine Anhöhe, die sich hier drei Minuten von meinem Zuhause entfernt befindet, auf der schon im 1. Jahrhundert eine römische Villa ( deutsch: Landhaus ) stand, im 12. Jahrhundert drei Höfe, darunter die urkundlich erwähnte "Herrlichkeit Mauenheim", heute  "Altenberger Hof" und das geschätzte Bürgerzentrum des Veedels.


Nippes ist ein linksrheinischer Stadtteil innerhalb des gleichnamigen Kölner Stadtbezirks 5, außerhalb der Stadtgrenzen des Kölns des 19. Jahrhunderts gelegen, aber immer schön mit Sicht auf den Dom über die alte Römerstraße, die als Neusser Straße das Veedel durchzieht, Hauptschlagader sozusagen.

Alte Römerstraße im 21. Jahrhundert
Links und rechts von dieser Straße befinden sich sehr disparate Teil - Viertel wie das Sechzigviertel, ein ehemaliges Eisenbahnerquartier, oder das Preußen - Quartier mit imposanten Bürgerhäusern im historistischen Stil, das Thüringer Quartier mit eher kleineren Häusern derselben Epoche oder dem Afrikaviertel mit ( überwiegend ) Einfamilienhäusern der 1930er Jahre, um nur einige zu nennen. Auf dem ehemaligen Gelände des Bundesbahnausbesserungswerkes ist seit Beginn des Jahrtausends die sogenannte autofreie Siedlung entstanden und momentan wird auf dem Gelände der ehemaligen Clouth-Werke auf ungefähr 25.000 Quadratmeter Grundstücksfläche ein neues Quartier errichtet, das nach und nach bezogen wird.

Preußen - Quartier mit Planetarium


Wie Susanne so schön schreibt: "Für alle jene unter euch, die es weit und grün mögen": In Nippes leben 35 683 Menschen auf 2,99 qkm,  das bedeutet, dass sich auf einem Quadratkilometer knapp zwölftausend Einwohner tummeln.

In den letzen zehn Jahren hat das Veedel Tag für Tag mindestens einen Bewohner dazu gewonnen, ist der zweitjüngste Stadtteil der Stadt Köln und gilt schon seit längerem als einer der geburtenreichsten Stadtteile der Republik. Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. Ich selbst gehöre mit meinem Alter zu einer kleinen Minderheit von knapp 7 Prozent...

"Zinter Märtes" - das Fest für Kinder


Das Statistikamt der Stadt besagt außerdem, dass es hier etwa 1380 mehr Frauen als Männer gibt, dass 30% der Einwohner einen Migrationshintergrund haben, in jedem Haushalt durchschnittlich 1,7 Personen leben und dass 41% der Bevölkerung einen Hochschulabschluss hat.

Politisch steht das Veedel auf der grünen Seite. Jedenfalls hat diese Partei bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen bekommen, insgesamt sind über 60 Prozent der Veedelsbewohner dem Parteienspektrum in der Mitte bis ganz links zugeneigt und Populisten bleiben unter fünf Prozent. Dabei ist die Wahlbeteiligung sehr hoch und liegt um einiges über dem Bundesdurchschnitt.

Und ja: 48 Prozent der Veedelsbewohner bekennen sich zu den beiden christlichen Konfessionen.

"Summer en d'r Sity"



Sechs Millionen Menschen kommen jährlich nach Köln, um den Dom, die Museen und die romanischen Kirchen drumherum zu sehen, vielleicht noch den Rhein. In mein Veedel verirren sich nur die, die einen Reiseführer haben, in dem als "Geheimtipp" die traditionellste aller traditionellen Kölner Brauereigaststätten - "Em Golde Kappes" - verzeichnet ist ( schon im 17. Jahrhundert war die Gastronomie "om Nippes" berühmt-berüchtigt ) oder auf den einzigen, an sechs Tagen der Woche stattfindenden Markt hingewiesen wird. Doch der ist schon lange nicht mehr das, was er mal war.

"Rut un wies", besonders im Kneipenkarneval




Ausgesucht habe ich mir - wie Susanne- mein Veedel nicht. Mir ist vor fast 41 Jahren, als ich mit dem Herrn K. zusammen ziehen wollte, dort einfach eine Wohnung angeboten worden, nachdem es einige Absagen gegeben hat. Die Stärken meines Stadtteils sind mir auch erst klar geworden, als ich nicht mehr nur zum Schlafen oder Kofferpacken vor den jeweiligen Ferien in diese Wohnung gekommen bin. Das war, als ich nach der Geburt meiner Tochter in Erziehungsurlaub ging und mich nun auch tagsüber im Veedel bewegt habe.

Leider nicht meine Haustüre
So richtig identifiziert habe ich mich aber dann zehn Jahre später, als wir uns ein altes, völlig desolates Häuschen mit größerem Gartengrundstück in ein veritables Zuhause umgewandelt haben. Aber das ist eine andere Geschichte...

"Komm, loss fiere"


Und wie das so ist, in einer Millionenstadt zu leben, irgendwie doch dörflich mit einigem Grün, aber auch einer großen Vielfalt in menschlich - sozialer, kultureller und alltagspraktischer Hinsicht, werde ich von nun an in loser Reihenfolge erzählen.







Und da ich heute über mein Veedel schwaade ( =plausche ), setzte ich mich damit an Andreas virtuellen Kaffeetisch.

23 Kommentare:

  1. Ja, da hat Dich Dein Lebens-Weg ins richtige Veedel geführt.
    Das, was bei uns die "Nordstadt" ist, in der ich lebe.
    In der Großstadt gut, grün und gern zu leben, das ist ein großer Gewinn.
    Besonders, wenn man älter ist. Kurze Wege und kurzweilige Unterhaltungsmöglichkeiten - und wie bei Dir noch dazu kommt, eine gute Nachbarschaft - da kann man sehr zufrieden sein.
    Mich freuen Deine Berichte über Deine Straße und Dein Veedel und machen neugierig auf Weiteres...
    Schönen Samstag wünscht Sieglinde

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  2. Stadtleben hat was. Ich bin eine Landmaus. Ländlicher geht nicht. Liebe Grüsse von Regula

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  3. Liebe Astrid, ein sehr interessanter Einblick in den "Veedel" und die Bläck Fööss dazu (wird wahrscheinlich mein heutiger Ohrwurm) .Schönes Wochenende und liebe Grüße! Sabine

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  4. Das war wirklich spannend zu lesen. Ich bin mitten im Ruhrgebiet aufgewachsen, als ursprünglich Stadt(rand)kind. Aber wenn ich mir das so anschaue, merke ich, dass ich dauerhaft in keiner Großstadt mehr leben könnte (im Dorf aber auch nicht!). Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung deiner Reihe!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  5. Irgendwie erinnert mich dein Bezirk, an meinen. Großstadt möchte ich eigentlich nicht missen, vor allem, wenn die frische Luft nicht weit entfernt ist.
    Grüße aus der Großstadt
    Andrea

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  6. Das ist ja eine interessante Aktion. Ich habe Deinen Text mit Spannung gelesen und auch den der Susanne. Nun bin ich gespannt, wie es weitergeht.
    Lieben Gruß und ein schönes Wochenende
    Katala

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  7. Dank dir bin ich jetzt auf Susannes Aktion gestoßen und verfolge sie mit Spannnung. Außerdem habt ihr beide mich jetzt motiviert, mich auch statistisch mit meiner neuen Umgebung auseinander zu setzen. Mal gucken, ob es das in den Blog schafft. :)

    Liebe Grüße
    Sabrina

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  8. Liebe Astrid, vielen Dank für den interessanten Einblick.
    Tolle Aktion. Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und lieben Gruß Sylvia

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  9. Liebe Astrid, das liest sich wirklich sehr interessant. Und vor allem für mich, in einem Kleinstadtkäffchen hinter den Bergen lebend. Großstadt finde ich ja für 2-3 Tage interessant, verführend und großartig, was die kulturellen Möglichkeiten angeht. Leben möchte ich dort nicht, zu viel Lärm, zu trubelig. Aber das ist sicher auch eine Gewohnheitssache. Es ist eben wie immer:Alles, was man gern hätte, kann einem das Leben nicht gleichzeitig liefern.Ich bin gespannt auf die Fortführung der Aktion.Herzlich, Sunni

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  10. Liebe Astrid,
    interessant was Du alles über "Dein" Köln zu berichten weißt.
    herzlich Margot

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  11. Danke für den Bericht. Habe auch den vom Hauskauf gelesen. Ob ich diesen Mut gehabt hätte??? Ich weiß es nicht. Einen schönen Sonntag wünscht Rela

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  12. Beneidenswert, so eine Stadt und ihre Vielfalt!
    Und die Bläck Föös kenne ich auch von früher, wir hörten ja immer "Feindesradio", den Deutschlandfunk.
    Freue mich auf weitere Erzählung und überlege, mich wieder mit dem Kontrastprogramm zu beteiligen ;-)
    Schneegrieselgrüsze zur blauen Stunde und Sonne für den Sonntag
    Mascha

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  13. ...da hast du wieder gründlich recherchiert, liebe Astrid,
    um uns deinen Veedel vorzustellen...so lange lebst du nun schon dort und man spürt, dass du es gerne tust...bin gespannt, was du uns im Laufe der Aktion noch erzählen wirst,

    liebe Grüße Birgitt

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  14. Hey, interessanter Post. Macht Neugier....Mir ist neulich erst bewußt geworden wie sehr ich Stadtmenschin bin, lach. Mal sehn ob ich Nerv habe zu schreiben dazu. Ich danke für Gesundungswünsche und schicke meinerseits welche für Deiniges Ehegespons. Mögen sie gesund werden! Liebe Grüße, Eva

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  15. Liebe Astrid, ich habe gerade die „andere Geschichte“ gelesen. Alle Achtung! Da habt ihr viel Mut bewiesen und viel Kraftaufwand betrieben. Schön, das ihr euch daraus ein so schickes Zuhause gemacht habt und schön, dass ihr euch nun schon Jahrzehnte darin wohlfühlt! Wünsche euch weiterhin ein glückliches Wohnen und grüße herzlich
    Ingrid

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  16. Ein ganz toller Einblick Astrid Köln ist eben nicht nur Köln.
    LG
    Ursula

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  17. Tolle Aktion und dein Beitrag über dein Veedel ist sehr interessant geschrieben.
    Liebe Grüße
    Anette

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  18. Liebe Astrid,
    gestern abend habe ich ganz lange noch bei dir gelesen, ein sehr interessanter Bericht, gefällt mir gut. Köln habe ich einen halben Tag mal vor Jahren gesehen, viel zu wenig.
    Ich kenne durch ein Forum eine watschechte Kölnerin ein echte "rheinische Frohnatur" nicht negativ gemeint, die auch ein echter Jeck ist.
    Ein echtes Kölner Mädel und sie liebt ihre Stadt.
    Ich selbst bin nun ein Stuttgarter Mädel ich bin im Westen geboren, bin in den Osten von Stuttgart gezogen und in den Süden und ich habe überall gerne gewohnt. Ich habe mit dieser Stadt gearbeitet und ich kann behaupten, ich kenne sie wie meine Westentasche, vor allem der Bezirk Nord, das war mein Gebiet im Büro. Allerdings sind wir dann auf das Land gezogen, Land eher nicht, denn wir sind ja auch nahe der Stadt, mitten im Grün und nur 7 km von Ludwigsburg entfernt. Früher konnte ich mir nicht vorstellen auf dem Land zu leben. Aber inzwischen bin ich nun im 6. Jahr zuhause in der Rente und ich bin jedesmal froh, wenn ich Stuttgart wieder entronnen bin. Ich mag diese Stadt, aber die totale Veränderung, das gefällt mir so sehr nicht. Ein Architekt sagte mal im Büro zu mir. Stuttgart ist die Stadt in Deutschland, in der am meistern gebaut wird und wo Bauen am kompliziertesten ist. Da ist was dran und wurde auch schon mal in der Stuttgarter Zeitung heiß diskutiert.

    Nun bin ich mal gespannt was du diesen Monat in deinen Fakten fragst. Ich freue mich drauf.
    Lieben Gruß Eva

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  19. Liebe Astrid,
    ich finde, Du hast es gut mit Deinem Veedel getroffen.
    Es gibt bei weitem schlimmere...
    Allerdings hast Du recht, in Nippes war ich selten, eigentlich nur, wenn ich von A nach B wollte und der Weg halt dadurch ging.
    Sollte ich vielleicht mal ändern.
    Auch bei mir geht es heute um Köln, aber eher dekorativ.
    Dir einen schönen Sonntag, lieben Gruß
    Nicole

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  20. Liebe Astrid,
    so genau kannte ich Nippes bislang nicht! Ich bin ja Dorfkind, aber je älter ich werde, denke ich darüber nach, wie es wäre in einem urbanen Lebensraum zu wohnen, mein Freund wohnt ja auch in Colonia, aber auf "Der schäl Zick"...
    mir gefällt es, wie Du Dich dort wohlfühlst... naja immer hin gut vierzig Jahre ist ja auch ein halbes Leben...
    LG Marita
    die gleich ihre Stimme einsetzt bei der "Kölschen Mess" als Chorsängerin "Mir söngen Platt"

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  21. durch dich lerne ich ein wenig diese stadt zu kennen...
    meine füsse sind auf vielen ebenen..
    zwischen land, stadt, meer und see...da kann ich nicht so gut erzählen wie du...liebe grüsse

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  22. Weisst Du was bei mir das Schöne ist? Ich wohne auf dem Dorf mit direktem Stadtanschluss ...

    LG Astrid rechtsrheinisch

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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