Freitag, 16. Februar 2018

Ein Jahr in türkischer Haft: Deniz Yücel ist frei!


Am Donnerstagabend hatte ich diesen Post geschrieben. Am Freitagmorgen, kaum dass ich meine morgendliche E- Paper - Runde begonnen hatte, las ich die Schlagzeile:

"Deniz Yücel ist frei!"


In dieser Woche hat sich zum ersten Mal der Tag gejährt, an dem der deutsch - türkische Journalist Deniz Yücel in Istanbul von der Polizei in Gewahrsam genommen worden war, nachdem er der Aufforderung zu einer Befragung Folge geleistet hatte. Die Begründung: An seiner Berichterstattung lässt sich die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Datenmissbrauch und Terrorpropaganda ablesen.

Am 27. Februar 2017 kam Yücel dann in Untersuchungshaft, nachdem ein Richter dies angeordnet hatte. Sein Vorwurf: "Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung". Bis heute gab es keine Anklage ( sie ist nun gleichzeitig mit der Freilassung erhoben worden. In ihr fordert die Staatsanwaltschaft 18 Jahre Haft. Ein Gericht habe die Anklageschrift angenommen und Yücel dann aus der Untersuchungshaft entlassen. ).

Seine Anwälte hatten Beschwerde gegen seine Inhaftierung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Dieser forderte die türkische Regierung in Ankara auf, bis zum 24. Oktober eine Stellungnahme abzugeben. Anfang Januar 2018 reichte das türkische Justizministerium nach neun Monaten endlich seine Stellungnahme beim türkischen Verfassungsgericht zur Beschwerde Yücels gegen dessen Untersuchungshaft ein. Neue Vorwürfe oder Beweise gegen den Journalisten wurden darin nicht aufgeführt. 

Seit gestern weilt der türkischen Ministerpräsident Binali Yıldırım in Deutschland und hat Angela Merkel im Berliner Kanzleramt getroffen. Im Vorfeld hatte Yıldırım durch ein überraschendes Interview in der ARD Hoffnung auf eine Freilassung aufkommen lassen, indem er sich dahingehend äußerte, er treffe zwar nicht die Entscheidung, aber er hoffe, dass Yücel "in kurzer Zeit freigelassen wird".

Nun sind diesen Worten tatsächlich Taten gefolgt. Die Gründe, warum, interessieren mich momentan nicht wirklich, denn ein Sieg für die Meinungsfreiheit ist ein Sieg für die Meinungsfreiheit. Ich wünschte mir nur, dass dieser Versuch, die Stimmung in Deutschland zu besänftigen, um die schwächelnde türkische Wirtschaft durch bessere Beziehungen zur EU zu stabilisieren, nicht durch allzu üble Zugeständnisse & schmutzige Geschäfte erkauft worden ist, für die zum Beispiel wieder die Kurden büßen müssen.

Im Radio habe ich am Jahrestag den Artikel gehört, den Deniz Yücel einst über den Aufstieg des Recep Tayyip Erdoğan geschrieben hat. Hier kann man ihn noch einmal nachlesen, auch, um sich noch einmal vor Augen zu führen, was für eines Geistes Kind dieser Herr E. ist und man nicht in den Irrtum verfällt, dass er doch ein guter, warmherziger, ein wahrer Präsident ist. Über 150 Journalisten in der Türkei können immer noch nicht sagen und schreiben, was sie denken, recherchiert oder beobachtet haben ( siehe hier )...


Zur Situation Raif Badawis weiß ich leider wieder nichts Neues zu berichten. Ich wünschte, ich könnte den obigen Satz endlich auch in Bezug auf ihn schreiben...


10 Kommentare:

  1. "denn ein Sieg für die Meinungsfreiheit ist ein Sieg für die Meinungsfreiheit."
    Das finde ich auch. Wenn er auch sicher teuer erkauft ist.
    So schade, dass die Türkei sich so verändert hat, dachten wir doch einstmals, dass sie eher europäisch werden wird.
    Ein Pulverfass ist sie geworden. Bin gespannt, wie es in München bei der Sicherheitskonferenz zugehen wird.
    Aber ein Grund zur Freude ist die Freilassung heute allemal.
    GLG Sieglinde

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  2. Liebe Astrid, richtig freuen für ihn kann ich mich erst, wenn er das Land sicher verlassen hat.
    Ausserdem: Gleichzeitig mit der Entlassung aus der Untersuchungshaft wurde eine Anklageschrift angenommen, in welcher 18 Jahre Haft für ihn gefordert wurden. Offiziell ist er nur für die Dauer des Verfahrens freigelassen worden und auch wenn keine Ausreisesperre verhängt wurde, wird ihm wohl als Flucht ausgelegt, wenn er das Land verlässt.
    Die zusätzlich schlechte Nachricht ist, dass gleichzeitig 6 Türkische Journalisten zu lebenslanger Haft verurteilt worden sind. Weitere über 100 Journalisten sind aktuell in der Türkei inhaftiert.
    Deniz Yüksel ist also momentan ein glückliches Einzelschicksal (das mich für ihn dennoch freut!). Ansonsten gibt es leider - wie Du schreibst - nicht viel Grund zur Freude zum Thema Pressefreiheit.
    Liebe Grüsse, Miuh

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  3. ich konnte es erst auch gar nicht glauben und hab mich so sehr gefreut, dass er frei gekommen ist. aber natürlich bleibt ein bitterer geschmack übrig, wenn man an all die anderen denkt, die weiterhin inhaftiert bleiben.
    liebe grüße
    mano

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  4. Eine gute Nachricht!!!!
    Ich bin gespannt, ob irgendwas über die Umstände bekannt wird, warum jetzt, bzw. überhaupt.

    Aber so what!?

    Ich freue mich für ihn und seine Familie, dass er frei ist.

    LG, Monika

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  5. Ich hoffe auch, dass unsere Regierung nicht auf irgendwelche fadenscheinigen Kompromisse eingegangen ist. Schön das Deniz wieder auf freiem Fuß ist. Und ich hoffe, dass in nächster Zeit, mehr zu unrecht Festgehaltene, wieder in Freiheit entlassen werden. Gutherzig ist dieser Präsident bestimmt nicht. Berechnend, wohl eher.
    Nachdenkliche Grüße
    Andrea

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  6. Liebe Astrid,

    ich hab mich auch unglaublich über das Bild des einander umarmenden Paares gefreut. Ich hoffe sehr, dass der Schrecken damit zumindest für ihn ein Ende hat.

    Hoffentlich haben auch die anderen Inhaftierten so ein großer Unterstützer*innennetz und werden nicht irgendwo in einem Gefängnis vergessen...

    Liebe Grüße
    Sabrina

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  7. Es braucht zwischendurch auch mal schöne Bilder, in dem ganzen Whansinn!

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  8. Ja, ich habe mich auch gestern erst mal nur sehr gefreut... Das ist auch mal gut... Was mich mehr und mehr beunruhigt, dass die Grenzen von Satire zu Hass und Hetze so vielen Menschen nicht (mehr) klar ist. Wenn ich jetzt lese, wie A*D über Yücel herzieht und wieviel Beifall dafür geklatscht oder besser gegrölt wird. Lieben Gruß und einen schönen Samstagabend! Ghislana

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  9. wie schön dass er frei gekommen ist
    seine Gedanken werden allerdings bei seinen verurteilten Kollegen sein (Isolationshaft für Menschen die ihrem Beruf nach gingen .. das ist Folter )
    es ist wirklich schlimm was in der Türkei vor sich geht
    nie und nimmer würde ich dort hin fahren
    dieser Mensch dort ist wie der Rattenfänger von Hameln
    er spielt seinen Leuten eine süße Melodie vor
    aber er lockt sie ins Verderben :(

    ach.. man darf gar nicht weiter darüber nachdenken

    liebe Grüße
    Rosi

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  10. Bei mir wird dadurch gar nichts besänftigt..... ich bin nur froh, dass er jetzt endlich frei ist! :) Aber es sind noch viele ungerechtfertigt dort eingesperrt....
    Liebste Grüße
    Christel

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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