Freitag, 13. Oktober 2017

Doğan Akhanlı kommt frei!


Das habe ich heute gegen 14 Uhr im Radio erfahren - mit großer Erleichterung! Das spanische Justizministerium hat das am Freitag in Madrid entschieden. Ich hatte hier über den Fall berichtet.

Ich bin um jeden froh, den der Herr E. nicht als Geisel nehmen kann, um die westlichen Staaten zu erpressen. Seine rein politischen Motive hinter dem Auslieferungsantrag via Interpol an Spanien waren ja nur zu transparent. Akhanlı wird am kommenden Mittwoch wieder in Köln eintreffen, so ließ er seine Unterstützer in der Stadt und die Presse wissen.

Doğan Akhanlı
Source: dpa

"Wo tiefe Risse fast alle Gesellschaften prägen und Fake News die journalistische Berichterstattung herausfordern, wächst der Wunsch nach fundiertem Wissen und gut recherchierten Nachrichten. Wir liberal-demokratisch gesinnten Büchermenschen müssen in Zeiten, in denen giftige Narrative Hochkonjunktur haben und die Verbreitung von Angst und Hass wieder gesellschaftsfähig wird, mit attraktiveren Gegenentwürfen antworten.“
Das sagte am Dienstagabend vor der Eröffnungsfeier der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boosvor Journalisten, und maß den Verlagen und der Buchbranche in einer immer unübersichtlicheren Welt eine stabilisierende Rolle zu. 

Auf der Eröffnungsfeier kam dann auch u.a. die Lage der Meinungsfreiheit weltweit zur Sprache und die Tatsache, dass in vielen Teilen der Welt Kulturschaffende von Despoten "drangsaliert, inhaftiert und mit dem Leben bedroht" werden Der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, meinte dazu: "Die Türkei ist noch immer das größte Gefängnis für Journalisten und Autoren weltweit.“ 

In seiner Rede erinnerte er natürlich auch an Raif Badawi und sein unerträgliches Schicksal in Saudi-Arabien, den Buchhändler Gui Minhai in China sowie den deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel und die Übersetzerin Mesale Tolu in der Türkei. ( Gegen letztere findet ja gerade der Prozess in Silivri bei Istanbul statt. Und alles was, man da über die Umstände erfährt, lässt einem die Fußnägel aufrollen...)

Ahmet Şık - Mesale Tolu mit Sohn Serkan - Gui Minhai


Am Mittwochabend nahm stellvertretend der Anwalt von Ahmet Şık, Can Atalay, den ihm verliehenen "Raif Badawi Award" entgegen. Der Investigativjournalist sitzt seit dem 29. Dezember 2016 wegen vermeintlicher Terror-Propaganda in türkischer Haft sitzt. "Beide zahlen einen hohen Preis dafür, dass sie darauf bestanden, das freie, furchtlose Wort zu sprechen und zu schreiben", hat Ensaf Haidar, die Frau Badawis in ihrer Begründung für die Verleihung über ihren Mann und Şık gesagt. Can Atalay verlas bewegende Worte des inhaftierten Preisträgers. Şık habe sich über den Preis als Ausdruck der Solidarität sehr gefreut: "Aber wir konnten darüber nur zehn Minuten reden – seine Isolation im Gefängnis ist umfassend." Selbst Gespräche mit dem Anwalt würden aufgezeichnet.
"Er sitzt im Hochsicherheitstrakt Silivri 9 am Rande Istanbuls und ist total isoliert. Er kann seine engste Familie eine Stunde pro Woche treffen, aber keine Freunde. Er kann keine Briefe empfangen oder verschicken. Er kann nicht mal den Himmel sehen", erzählt der Anwalt in diesem Interview. "Ich möchte nicht zu viel Privates von Ahmet verraten. Was ich sagen kann, ist: Er hat erhebliche Probleme mit seinen Augen. Menschen, die lange Zeit im Gefängnis sitzen, wird empfohlen, regelmäßig in den Himmel zu schauen und zum Beispiel einen Vogel zu beobachten, damit die Augen ausreichend aktiv bleiben. Das kann Ahmet nicht. Dies ist nur ein Beispiel für die Folgen der Isolationshaft im Gefängnis von Silivri."

Mich erschüttern all diese persönlichen Schicksale sehr. Und ich wünschte mir, es würden sich mehr Menschen rühren und sich darum kümmern, dass sie nicht vergessen werden. All die oben erwähnten Menschen, die von ihrem (Menschen-)Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht haben, erleben so viel systematische Grausamkeit, die wir uns in unseren Lebensverhältnissen gar nicht mehr vorstellen können. All diejenigen, die immer nur 'rum meckern können, ihre Wut über unser Land raushängen und sich meinungsmäßig ständig unterdrückt fühlen, sollten sich mal fragen, ob sie hierzulande, wenn sie in Haft kämen, ihr Kind mitnehmen müssten, dem dann jegliches Spielzeug verboten wird, ob sie bis zu ihrer Erblindung oder angesichts bedrohlicher Herz- Kreislauferkrankungen ohne ärztliche Behandlung bleiben müssten ( von juristischen Schikanen gar erst einmal abgesehen ). "Biodeutschen" ( nicht den Immigranten, an die er sich eigentlich richtet ) empfehle ich den letzten Teil des Artikels von Murat Kurnaz zu lesen...

Im Augenblick hängt mir das nämlich alles zum Halse heraus.





Hier kann man sich einer Aktion von Amnesty International anschließen...
Im Domradio gab es ein aktuelles Interview mit Ensaf Haidar - hier nachzulesen.

6 Kommentare:

  1. Liebe Astrid,
    ich kann deine Wut und deinen Kloß im Hals gut nachvollziehen. Man betrachtet die Welt und denkt sich, das gibt's doch nicht, das kann und darf doch alles nicht sein. Es gibt so viele Bereiche, in denen Menschenrechte verletzt werden - ob diese Menschen nun von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht haben oder ob sie z.B. indigenen Völkern angehören, die in Regenwäldern leben und von dort vertrieben oder gar getötet werden, damit andere an billiges Holz kommen oder billiges Palmöl anbauen können oder ob sie wie die halbe Million Rohingya von Myanmars Militär systematisch und brutal vertrieben wurden, ob sie Frauen in frauenfeindlichen Ländern sind oderoderoder... Und das ist ja längst noch nicht alles, denn so brutal, wie Menschen mit anderen Menschen umgehen, gehen sie auch mit der Natur um, mit Tieren, mit unwiederbringlichen Landschaften ...
    Je mehr man sich mit der Welt und ihren Bewohnern beschäftigt, desto deprimierter könnte man werden. Ich fürchte, das ist einer der Gründe, weshalb es so wenige tun...
    Alles Liebe - und habe trotz allem ein möglichst angenehmes Wochenende!
    Traude

    AntwortenLöschen
  2. Danke für´s immer wieder erinnern.
    Ruth

    AntwortenLöschen
  3. Liebe Astrid, ich habe die Nachricht auch eben gesehen. Ich habe mich so aufgeregt, dass das in Spanien jetzt so lange gedauert hat. Interpol arbeitet oft ohne Überblick. Was die anderen betrifft, es macht mich unglaublich wütend. Ich versuche, auf Facebook einige Aktionen zu unterstützen, aber ob es was bringt?
    Magdalena

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Nein, das liegt nicht an Spanien, sondern die Türkei hatte 40 Tage Zeit, ihr Anliegen zu untermauern & dem span. Justiministerium vorzulegen.
      Und Interpol ist keinen völkerrechtlichen Verträgen oder Parlamentsbeschlüssen unterworfen, es gibt keine externe Kontrolle ihrer Tätigkeit, sondern die Organisation überwacht ihre Arbeit selbst und hat sich dazu Regelwerke und Gremien geschaffen. In diesem Falle haben sie schnell die Red Notice gelöscht, weil die politische Absicht zu offensichtlich war.
      Doğan Akhanlı hat sich hier letztendlich recht positiv geäußert:
      http://www.ksta.de/politik/koelner-schriftsteller-akhanli-im-interview--ich-kann-keine-zellen-mehr-ertragen--28579374
      Auch der festgesetzte Schwede ist wohl wieder frei.
      LG

      Löschen
  4. Hallo Astrid,
    ich kann deine Wut verstehen,
    bin mir aber nicht sicher ob genau erreicht werden soll,
    Wut schüren.
    Liebe Grüße, Kerstin

    AntwortenLöschen
  5. Wie soll man das auch verstehen können, was da vor sich geht?
    Welche Motive und was für Menschen stecken hinter all den Gemeinheiten, Unmenschlichkeiten, Ungerechtigkeiten? Ich kann sie nicht begreifen.
    Wie Schachfiguren werden Menschen eingesperrt, vielleicht mal wieder freigelassen, wieder eingesperrt in diesen Un-Rechts-Staaten.
    Wie recht hat Murat Kurnaz in seinem Artikel. Von ihm bin ich schwer beindruckt und für Doğan Akhanlı freue ich mich.
    All den anderen muss man Kraft und Ausdauer wünschen für ihr eigentlich unterträgliches Leben in Gefangenschaft. Gut, dass es Menschen wie Dich und Organisationen wie Amnesty gibt, die sie nicht vergessen lassen!
    Herzlichst, Sieglinde

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.