Freitag, 8. April 2016

Raif Badawi, Saudi - Arabien & seine neue PR - Aktion



Seit nunmehr sechs Wochen kann ich freitags keine neuen Informationen zu Raif Badawi - inzwischen 1414 Tage inhaftiert - bieten, nur dass er auf die Nominierungsliste für den "Freedom to Publish Prize" 2016 der "International Publishers Association" in Genf gesetzt worden ist und dass die österreichischen Grünen heute ihre 67. Mahnwache abgehalten haben...

Stattdessen gerät mein freitäglicher Beitrag zu einem wöchentlichen Infopost über den Nahen Osten, insbesondere Saudi - Arabien mit seinen Bestrebungen der Einflussnahme hier & dort, und um unsere Wertvorstellungen, die dazu oft konträr stehen. Als ich mit den Posts angefangen habe, habe ich mir das auch ganz anders vorgestellt. War wohl alles zu naiv gedacht...

Als Rechtfertigung kann ich nur anführen, dass ich - wie viele hierzulande - kaum Ahnung von Saudi - Arabien & den Verhältnissen dort hatte und mich - wie viele hierzulande - auch einen feuchten Kehricht darum geschert habe, wie lässig unser Land & all seine Politiker, Diplomaten und Wirtschaftsleute mit diesem menschenverachtenden Regime umgegangen sind, über Jahrzehnte hinweg.


Inzwischen breitet sich im Nahen und Mittleren Osten überall eine Ideologie des Terrors aus, so dass die Region vor dem totalen Kollaps steht, und wir mit diversen Auswirkungen in unserem bis dato recht gemütlichen Europa konfrontiert sind. Nur Kooperation kann vor dem Zusammenbruch bewahren, meint der Iraner Seyed Hossein Mousavian in einem informativen Gastbeitrag in der FAZ  ( hier ).

Dass Saudi - Arabien allerdings wenig an einer erneuten Konsolidierung seines Verhältnisses zu Iran gelegen sein könnte, lässt die neueste Statistik befürchten, die das Friedensforschungsinstitut SIPRI gerade veröffentlicht hat. Demnach hat das Land im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viel für die militärische Rüstung ausgegeben wie Deutschland und Russland klar hinter sich gelassen. Es liegt jetzt mit 87,2 Milliarden Dollar weltweit auf Platz drei vor Russland mit 66,4 und Großbritannien mit 55,5 Milliarden Dollar ( unangefochten an der Spitze: die USA mit 596 Milliarden Dollar vor China mit 215 Milliarden ). Wer dermaßen aufrüstet, muss viele Feinde um sich herum sehen...

Was diese hohen Ausgaben leicht vergessen lassen könnten: Saudi-Arabien hat gewaltige wirtschaftliche Probleme. In jüngster Zeit wurde der sagenhafte Reichtum der Herrscher wegen der schwindenden Öleinnahmen durch die niedrigen Preise dezimiert.

Subventionen wurden bereits gestrichen,  und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung kann nicht mehr mit üppigen staatlichen Zuwendungen gestillt werden. Bald könnte dem Land ein Anwachsen von bislang niedergehaltenen Spannungen drohen, für die es bisher kein angemessenes politisches oder wirtschaftliches Konzept hat.

Etwas platt gesagt: Die arbeitslosen jungen Männer des Landes, die keine Steuern kennen und zumeist auch keine Arbeit – die Steuern zahlt der Staat, die Arbeit machen Ausländer –, müssen vom aufrührerischem Müßiggang abgebracht werden. Ein neuer Gesellschaftsvertrag muss her, der die individuelle Selbstverantwortung betont.

Dafür steht der Vize-Kronprinz Mohammad bin Salman, merkwürdigerweise verantwortlich für die Verteidigung wie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Im Zuge eines Börsengangs wolle das Königreich den größten Staatsfonds der Welt schaffen, verkündete er einer Nachrichtenagentur in einem fünfstündigen ( !!! ) Interview. Der Public Investment Fund (PIF) solle künftig Werte von mehr als zwei Billionen Dollar kontrollieren. Dabei sollen zunächst weniger als fünf Prozent der Anteile des bisher weltgrößten Öllieferanten Aramco an Privatinvestoren gelangen. Ein staatlich geplantes Wirtschaftswunder mit den verbliebenen Ölmilliarden soll das Land modernisieren und reformieren ( und so den sozialen Druck aus dem System nehmen ).

Selbst Frauen sollen die wirtschaftlichen Machtzentren geöffnet werden!

Der Prinz verheißt im Interview gar eine ökonomische Transformation, vergleichbar mit "dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch der Sowjetunion".


Das saudi-arabische Herrscherhaus beweist in diesem Falle wieder sein ungeheures Geschick in der Öffentlichkeitsarbeit & im Umgang mit dem Westen. Der Verteidigungs- und Wirtschaftsminister in Personalunion, in Europa inzwischen in der Kritik z.B. wegen des Kriegs im Jemen, ist aber auch der Mann fürs Geschäft, so dass die europäischen Politiker Ersteres beim Handschlag mit einem Lächeln übergehen, weil sie ja ihre wirtschaftlichen Interessen meinen wahren zu müssen.


So wie sie die Mitverantwortung Saudi - Arabiens bei den jüngsten Attentaten in Brüssel auch nicht ernsthaft auf die politische Ebene bringen...







6 Kommentare:

  1. Ich kann auf Facebook auch nur lesen, dass Ensaf Haider weiterhin rastlos um die Welt reist, um ihren Mann nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
    Je mehr ich über Saudi-Arabien hier lese, um so mehr Angst bekomme ich. Seufz.
    Das erscheint wie ein weiteres Pulverfass, das nur darauf wartet, zu explodieren.

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  2. Liebe Astrid, ich bin auch inzwischen fassungslos. Saudi-Arabien ist ein unglaublicher Kriegstreiber, und wenn man die Berichte über das maßlose und letztlich niveaulose Leben der jungen Generation liest, macht mir das jedenfalls Sorge. Dann kommen die Gedanken an unsere Rüstungsindustrie.....
    Hab trotzdem ein schönes Wochenende.
    Magdalena

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  3. So im ersten Anflug frage ich mich immer, ob ich das alles eigentlich so genau wissen will...(ja...natürlich....will ich..."Augen und Ohren zu" kann auch nicht die Lösung sein...). Danke für deine Zusammenfassung. LG Lotta.

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  4. Und das ganze nennt man dann Diplomatie.
    Danke für die Infos.
    Lieben Gruß
    Katala

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  5. Bei Geld endet die Freundschaft und das Gewissen ...
    LG Astrid rechtsrheinisch

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  6. Da kann einem nur Angst und Bange werden...
    Liebe Grüße
    Andrea

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