Freitag, 19. Februar 2016

Von Raif Badawi, Adonis u.a.


Heute haben die österreichischen Grünen ihre 60. Mahnwache (!) für Raif Badawi u.a. vor dem König-Abdullah-Zentrum am Wiener Schottenring abgehalten - das ist die aktuellste Nachricht zum Thema, die ich bieten kann.

Ach doch, noch eine: Der kanadische Politiker Pierre-Luc Dusseault hat eine neue Initiative ins Leben gerufen, um Druck auf die Regierung seines Landes auszuüben, endlich dem Blogger die Ehrenstaatsbürgerschaft zu verleihen...

Deutscher Pavillion
Source


Wie schon letzte Woche werte ich also andere Infos rund ums Thema aus und zitiere an dieser Stelle u.a. aus einem Artikel in der FAZ, den Stefan Weidner geschrieben hat:

Anfangs beschreibt er darin sehr bildhaft den deutschen Ausstellungspavillion beim Kulturfestival in Riad, um in einem zweiten Teil über die Gespräche in kleineren Kreisen von 30 Personen zu berichten, die wohl der wahre Zweck des Festivals seien. Sie lassen nach Weidners Ansicht "die Sehnsucht nach dem starken Staat" erkennen, aber auch, "wie eng das Schicksal auch der progressiveren unter den saudischen Eliten an das des Königshauses und der allein von ihm zusammengehaltenen Staatlichkeit Saudi-Arabiens geknüpft ist. Man kann sich nicht leiden, beklagt den Reformstau, die Korruption, die Segregation der Geschlechter und die Willkür der reaktionären Justiz, die mit Urteilen gegen Aktivisten und Künstler wie Ashraf Fayadh und Raif Badawi den Reformern immer wieder in die Parade fährt. Letztlich sitzt man aber in einem Boot, profitiert von der ungleichen Verteilung der Reichtümer und will es mit dem Fortschritt lieber nicht überstürzen."

Die Beschäftigung mit den europäischen Denkern der Aufklärung scheint da l'art pour l'art zu bleiben, und unsere Hoffnung, in der saudischen Elite Gleichgesinnte zu finden, reichlich idealistisch...

Sein Fazit: "der wahre Herrscher in Saudi-Arabien des Jahres 2016 ist nicht König Salman, sondern die schiere Angst."



Heute hat der syrische Essayist und Dichter Adonis (Ali Ahmad Said) in Osnabrück den Erich-Remarque-Friedenspreis entgegen genommen.

Seine Nominierung wurde kritisch aufgenommen, u.a. vom Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels 2015, Navid Kermani, der sich geweigert hat, die Laudatio zu halten & auch von Stefan Weidner.

Für mich ist das hier aber auch ein Raum, um Kontroversen zu beleuchten & zu erörtern...


In seinen Entgegnungen auf diese Kritik gab Adonis in dieser Woche nämlich Statements ab, die ich im Zusammenhang mit der Lage Raif Badawis und der Menschenrechtler in Saudi - Arabien bemerkenswert & richtig finde. So bezeichnet er als Ursache für das Versagen arabischer Gesellschaften das totalitäre System, auf dem sie basieren, und die Tatsache, dass das gesamte Zusammenleben bis ins kleinste Detail von der Religion diktiert wird. Religionen könne man nicht reformieren, Menschen schon. "Wenn es keine Trennung zwischen Religion und Staat gibt, wird es keine Demokratie geben, keine Gleichstellung für die Frau. Dann behalten wir ein theokratisches System." Adonis befürchtet gar, dass mit Hilfe des Westens neue Theokratien gefördert werden.

In seiner harschen Kritik bezeichnet er die arabische Kultur als "am Ende. Ich meine damit, dass die Araber keine kreative Kraft mehr sind. Der Islam trägt nicht zum intellektuellen Leben bei, er regt keine Diskussion an. Er gibt keine Anstöße mehr. Er bringt kein Denken, keine Kunst, keine Wissenschaft, keinerlei Vision hervor, die die Welt verändern könnten. Diese Wiederholung ist das Zeichen seines Endes." Und: "Ich bin ein radikaler Feind einer Kultur und einer institutionalisierten Religion, die einer ganzen Gesellschaft aufgedrängt wird."

Im Übrigen bekommt auch der Westen in seiner Rolle als Unterstützer menschenverachtender Regime im Nahen Osten sein Fett ab. Das ganze Interview ist hier zu lesen.

Würden doch die Politiker wieder mehr mit den Dichtern verkehren & reden. Da hatten wir wahrlich schon bessere Zeiten...






14 Kommentare:

  1. Du öffnest jeden Freitag Fenster, durch die ich ohne dich nicht schauen würde. Danke... Lieben Gruß Ghislana

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    1. !
      kann ich nur zustimmen. Danke, Astrid

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    2. Mir geht es auch so. Darum auch von mir Danke.
      Lieben Gruß
      Katala

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  2. Da kann ich Ghislana nur beipflichten.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  3. König-Abdullah-Zentrum.... schräg hoch drei.

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  4. Ein sehr interessantes Interview, das du da verlinkt hast.
    Liebe Grüße
    Anneliese

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  5. Hat (jede) Religion gepaart mit Politik und Macht schon jemals etwas Gutes bewirkt?

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  6. Danke - mal wieder - liebe Astrid.

    Adonis-Auszug: "Man kann eine Religion nicht reformieren. Wenn man sie reformiert, trennt man sich von ihr. Deswegen ist ein moderner Islam nicht möglich, moderne Muslime schon. Wenn es keine Trennung zwischen Religion und Staat gibt, wird es keine Demokratie geben, keine Gleichstellung für die Frau ..."

    Ich mag diesen Denker ja.

    Liebe Grüße - Monika

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    1. Je mehr ich von ihm erfahre, seinen Ansichten, der Tatsache dass er seit 1985 in Paris im Exil lebt, seiner einzigartigen Stellung als Dichter arabischer Sprache, um so weniger verstehe ich seine Kritiker.
      "Es geht auch um die - ökonomisch motivierte - Einflussnahme des Westens im Nahen Osten. Der Pakt der westlichen Demokratien mit autokratischen Machthabern wie zum Beispiel in Saudi-Arabien stinkt zum Himmel. Adonis wird nicht müde, dies anzuprangern. Er positioniert sich massiv gegen alle Parteien im innersyrischen Konflikt - dem Regime von Machthaber Assad ebenso wie mit der religiös unterschiedlich stark vereinnahmten Rebellenszene", kommentiert Stefan Dege von der Deutschen Welle.
      Ich werde gleich in meinen arabischen Lyrikbänden nach seiner Poesie suchen...
      Gute Nacht!

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  7. ..."Diese Wiederholung ist das Zeichen seines Endes." ... Ich denke jedoch, das WÜNSCHT Adonis sich bloß und es sieht aus der Perspektive selbständig denkender und künstlerisch agierender Menschen auch so aus. Aber das, was er für das Ende hält, kann - wie ich fürchte - ein Jahrhunderte währender Prozess sein...

    Danke fürs Verlinken deines tollen Resteshirts und danke, dass du Christelle auf ANL aufmerksam gemacht hast! :o)
    Alles Liebe
    Traude

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    1. Aber wenn ich rekapituliere, wie es bergab gegangen ist mit den christlichen Religionen im Laufe meiner Lebensjahre, kann so etwas sehr schnell passieren. Doch noch sind die Menschen im Islam nicht so weit zu erkennen, welche Zusammenhänge bestehen...
      GLG

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    2. erinnert euch mal wie schnell es mit dem ostblock vorbei war - das hätte auch niemand vermutet noch 1-2 jahre vorher.
      andererseits denke ich dass es da grosses wirtschaftliches interesse im westen gibt dass "die da unten" sich weiterhin die köpfe gegenseitig einschlagen.....
      danke astrid für den das nachdenken anregenden post!!!
      xxxxx

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  8. Danke auch heute wieder für deinen freitäglichen Beitrag. Das Interview ist sehr bemerkenswert. Ich hoffe, dein Wochenende wird nicht so düster wie unsere Wettervorhersage...LG Lotta.

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  9. Das Interview habe ich aufmerksam verfolgt und bin ganz auf der Seite des Dichters Adonis, meiner Auffassung nach sind seine Kritiker auf einem Auge blind!

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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