Die Nachrichtenlage bezüglich des saudi - arabischen Bloggers ist derzeit mehr als dürftig.
"Wie es genau um ihn steht, weiß nicht einmal seine Familie", äußert sich Constantin Schreiber, der Herausgeber seines Buches in diesem Gespräch. „'Inzwischen ist kein Kontakt mehr möglich. Raif war im Hungerstreik, wurde in ein anderes Gefängnis verlegt. Die Informationen sind spärlich und irritierend.“ Badawis Frau wollte den Fall in die Öffentlichkeit bringen, um ihn vor den Auspeitschungen zu schützen. 'Aber es ist jetzt auch schwieriger, ihn freizulassen', glaubt Schreiber: 'Es würde das Bild von Saudiarabien schädigen, wenn er mit seiner Geschichte in Talkshows geht.'“
Die Äußerungen von Mark Demesmaeker, einem belgischen Mitglied des Europaparlamentes und Sprecher für Menschenrechte der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR), der seit Sonntag Saudi - Arabien besucht und mit dem saudischen Justizminister gesprochen hat, gehen in eine ähnliche Richtung. Eine Freigabe des Bloggers scheine seiner Meinung nach immer noch ein Tabu für das Regime zu sein. Allerdings sei es eine Option, die Auspeitschungen zu stoppen, wenn die gesundheitliche Situation Raif Badawis es erfordere, so hätte sich der saudische Justizminister ausgelassen.
Stillstand also, nach wie vor...
"Wie es genau um ihn steht, weiß nicht einmal seine Familie", äußert sich Constantin Schreiber, der Herausgeber seines Buches in diesem Gespräch. „'Inzwischen ist kein Kontakt mehr möglich. Raif war im Hungerstreik, wurde in ein anderes Gefängnis verlegt. Die Informationen sind spärlich und irritierend.“ Badawis Frau wollte den Fall in die Öffentlichkeit bringen, um ihn vor den Auspeitschungen zu schützen. 'Aber es ist jetzt auch schwieriger, ihn freizulassen', glaubt Schreiber: 'Es würde das Bild von Saudiarabien schädigen, wenn er mit seiner Geschichte in Talkshows geht.'“
Die Äußerungen von Mark Demesmaeker, einem belgischen Mitglied des Europaparlamentes und Sprecher für Menschenrechte der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR), der seit Sonntag Saudi - Arabien besucht und mit dem saudischen Justizminister gesprochen hat, gehen in eine ähnliche Richtung. Eine Freigabe des Bloggers scheine seiner Meinung nach immer noch ein Tabu für das Regime zu sein. Allerdings sei es eine Option, die Auspeitschungen zu stoppen, wenn die gesundheitliche Situation Raif Badawis es erfordere, so hätte sich der saudische Justizminister ausgelassen.
Stillstand also, nach wie vor...
Diesen Sachverhalt erhellende Meinungsäußerungen - hoffentlich auch für euch, meine Leserinnen, interessant - habe ich heute zusammen getragen. Genug Lesestoff für einen verregneten Samstag!
Da ist einmal ein für mich sehr aufschlussreiches Interview, welches die Deutsche Welle mit Adam Coogle, einem Forscher von "Human Rights Watch", zum Rechtssystem in Saudi- Arabien geführt hat.
Coogle betont, dass die Gerechtigkeit in Saudi- Arabien völlig beliebig ist, denn das Land hat kein Strafgesetzbuch, ja, generell gibt es keine geschriebenen Gesetze. So lautet die Anklage gegen politische Dissidenten und Aktivisten immer "Bruch der Treue gegenüber dem Herrscher", es ist aber nirgendwo festgehalten, was das eigentlich ist, geschweige welche Strafe dafür vorgesehen ist. Das ist dann Auslegungssache des einzelnen Richters.
Tübingen, 6.2.2016 |
Als Beispiel nennt er den Fall des Dichters Ashraf Fayadh, der wegen Apostasie verurteilt wurde. Ein allererstes Urteil lautete auf vier Jahre Gefängnis und 800 Peitschenhiebe. Doch ein Berufungsgericht wies diese Entscheidung zurück und verhängte die Todesstrafe.
In der letzten Woche ( ich habe hier darüber berichtet ) wandelten andere Richter das Urteil um in 8 Jahre Gefängnis und 800 Peitschenhiebe: Beim gleichen Vergehen & identischer Beweislage im gleichen Fall gibt es drei Varianten im Urteil - wenn das kein Fall von Willkür ist!
Der Angeklagte hat in SA das Recht, sich zu verteidigen, im Allgemeinen auch, einen Anwalt in der der Verhandlung dabei zu haben. Doch wenn man Kritik an Behörden & staatlichen Einrichtungen übt, worauf eine Gefängnisstrafe droht, ist diese Möglichkeit nicht gegeben.
Nach Meinung Adam Coogles hat sich die juristische Situation in Saudi Arabien seit den arabischen Aufständen im Jahr 2011 verschärft und mittlerweile sind praktisch alle eingesperrt, die sich für Menschenrechte eingesetzt hatten.
Verbesserungen kann er nur in Bezug auf die Rechte der Frauen oder bei der Behandlung von ausländischen Arbeitnehmern feststellen. "In Bezug auf die Grundrechte, wie Meinungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und die Freiheit der Religion, könnte es nicht schlimmer sein. Die Situation ist absolut trostlos", meint er.
Oslo, 6.2.2016 |
Angesprochen auf die Einflussmöglichkeiten westlicher Politiker findet er, der Westen habe immer Angst gehabt, die Saudis zu beleidigen. Tatsache sei aber auch, dass kein Land ihnen gegenüber ein echtes Druckmittel in der Hand hat.
Er ist aber auch der Ansicht, dass es ein wichtiges Signal für das Regime wäre, wenn z.B. Deutschland sagen würde, wir sind nicht bereit Panzer zu verkaufen, bevor die Herrschenden nicht die Menschenrechtsverletzungen im Land bereinigt haben. Dass der Außenminister Steinmeier für seinen Besuch in unserem Land kritisiert wird, wäre vor fünf Jahren noch nicht der Fall gewesen. Diese Kritik zeigt, dass zumindest in Europa der Umgang mit SA inzwischen strittig ist. Und möglicherweise veranlasst das Saudi - Arabien, sein Image in Europa verbessern zu wollen...
Zürich, 6.2.2016 |
NDR - Kultur führte wiederum ein Interview mit dem Islamwissenschaftler und Übersetzer Stefan Weidner, der für das Goethe-Institut zweimal im Jahr die deutsch-arabische Kulturzeitschrift "Art and Thought" herausgibt.
Weidner, darauf angesprochen, dass Deutschland das derzeitige Kulturfestival in Riad wegen der Menschenrechtsverletzungen in SA nicht boykottiert hat, findet das "aus meiner persönlichen Sicht" richtig.
"Wir können die Beziehungen mit Saudi-Arabien nicht einfach abbrechen - das wäre eine sehr unrealistische Politik. Die Geschichte um Ashraf Fayadh z.B. haben wir im engeren Kreis mit saudi-arabischen Künstlern und Aktivisten, die mit Fayadh befreundet sind, angesprochen und die haben zu uns gesagt: Sprecht das an, aber bitte tut das hinter den Kulissen. Macht es nicht zu offensiv - der Schuss kann nach hinten losgehen. Das heißt, in Saudi-Arabien findet sehr viel hinter verschlossenen Türen statt."
Auf den Vorwurf, dass der "schnöde Mammon" wieder über die Moral gesiegt habe, entgegnet Weidner:
"Das können Sie so sehen - ich glaube aber nicht. Es geht ja nicht nur um Wirtschaftssysteme. Die Region, der Nahe Osten fliegt uns zurzeit um die Ohren. Deutschland und Europa haben ein riesiges Interesse daran, dass diese Länder stabil bleiben. Saudi-Arabien ist noch ein stabiles Land, das allerdings von innen und von außen gleichermaßen bedroht ist. Die Bevölkerung ist sehr unzufrieden. Wir müssen auf die Länder setzen, mit denen wir einigermaßen funktionierende Beziehungen haben und die selber stabil sind. Es mag einem weh tun und es tut einem vielleicht auch leid, dass das ausgerechnet Länder sind, deren offizielle Politik weit entfernt ist von unserem Verständnis von Menschenrechten, Freiheit usw. Aber in der derzeitigen weltpolitischen Situation können wir es uns nicht leisten, die Region noch weiter zu destabilisieren oder so zu tun, als könnten wir einen noch halbwegs stabilen Faktor einfach beiseite wischen mit dem Argument: Die halten sich nicht an die Menschenrechte."
Weidners Bemerkung zum Umgangsstil der Saudis mit Kritik - alles hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreis anzusprechen - hilft mir, mir zu erklären, weshalb nach über einem Jahr internationaler Proteste gegen die Bestrafung Raif Badawis, nach der Verleihung etlicher Preise, nach Debatten in Parlamenten & allerlei diplomatischer Bemühungen bisher nichts erreicht worden ist für den Blogger. Offensichtlich ist das für den saudischen Geschmack zu viel öffentliche Aufmerksamkeit - da muss das Regime wohl mit Sturheit dagegen halten, weil das Gesicht gewahrt werden muss. Die oben zitierten Äußerungen Constantin Schreibers gehen ja in eine ähnliche Richtung.
Ob man aber angesichts dieser Gepflogenheiten und der Tatsache, dass das Land zu den wenigen stabilen im Orient gehört, den Schwanz einziehen muss, will mir noch nicht als richtige Strategie erscheinen. Diplomatie war nie meine Stärke und meine Ambition... Ich denke aber, dass gerade wir Europäer selbstbewusster auftreten könnten, denn offensichtlich haben wir in vielerlei Hinsicht attraktive Angebote zu machen.
Wie sagte Frank Walter Steinmeier in seinem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, das am Mittwoch veröffentlicht wurde?
"Ich kenne keine Region der Welt, in der das Leben ähnlich lebenswert ist wie bei uns. Wir haben so lange wie nie zuvor in Europa Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit leben und erleben dürfen. Die Würde des Menschen, das Wohl jedes Einzelnen steht für uns im Zentrum. Aber wir führen in der Außenpolitik kein Selbstgespräch. Wir verhandeln mit anderen, die eine gute Lage eher dann verwirklicht sehen, wenn Ruhe, häufig gemeint als Friedhofsruhe, mit Gewalt durchgesetzte Stabilität und die Verhinderung von streitiger Auseinandersetzung gesichert sind. Das ist weit entfernt von unserer Vorstellung einer guten Gesellschaft. Aber es ist eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen."
Und zum Fall Raif Badawi:
"Ich glaube, es wäre falsch, nur auf Lautstärke oder nur auf stille Diplomatie zu setzen. Wir brauchen beides, nur zu unterschiedlichen Zeiten. Mal das laute Trommeln, mal das leise Sprechen. Wir brauchen manchmal Öffentlichkeit, damit Fälle bekannt werden. Und wir brauchen Verhandlungsmöglichkeiten, die gesichtswahrende Lösungen für einen Staat, der Repressalien ausübt, überhaupt erst möglich machen. Zu meinen Erfahrungen gehört allerdings auch, dass Daueröffentlichkeit oder medialer Druck allein noch nicht zum Erfolg führen. Gerade dort, wo Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückt wird, werden Medien nicht als schlagkräftige Spieler betrachtet, deren Einwände man berücksichtigen müsste. Die meisten Autokraten empfinden das nur als Provokation, der man sich erst recht nicht beugen darf."
Auch diese Aussage bestätigt noch einmal Eindruck, den Schreiber, Weidner und ich selbst inzwischen gewonnen haben. Nach über einem Jahr der Aktivitäten komme ich schon ins Grübeln, ob der Weg, den auch ich bisher als Erfolg versprechend angesehen hat ( weil die Strategie in anderen, ähnlichen Fällen meist gut gewirkt hat ), wirklich der richtige ist...
Das gesamte, lesenswerte Interview mit unserem Außenminister ist übrigens hier zu verfolgen.
Wien, 5.2.2016 |
Weidners Bemerkung zum Umgangsstil der Saudis mit Kritik - alles hinter verschlossenen Türen im kleinen Kreis anzusprechen - hilft mir, mir zu erklären, weshalb nach über einem Jahr internationaler Proteste gegen die Bestrafung Raif Badawis, nach der Verleihung etlicher Preise, nach Debatten in Parlamenten & allerlei diplomatischer Bemühungen bisher nichts erreicht worden ist für den Blogger. Offensichtlich ist das für den saudischen Geschmack zu viel öffentliche Aufmerksamkeit - da muss das Regime wohl mit Sturheit dagegen halten, weil das Gesicht gewahrt werden muss. Die oben zitierten Äußerungen Constantin Schreibers gehen ja in eine ähnliche Richtung.
Ob man aber angesichts dieser Gepflogenheiten und der Tatsache, dass das Land zu den wenigen stabilen im Orient gehört, den Schwanz einziehen muss, will mir noch nicht als richtige Strategie erscheinen. Diplomatie war nie meine Stärke und meine Ambition... Ich denke aber, dass gerade wir Europäer selbstbewusster auftreten könnten, denn offensichtlich haben wir in vielerlei Hinsicht attraktive Angebote zu machen.
Zürich |
Wie sagte Frank Walter Steinmeier in seinem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, das am Mittwoch veröffentlicht wurde?
"Ich kenne keine Region der Welt, in der das Leben ähnlich lebenswert ist wie bei uns. Wir haben so lange wie nie zuvor in Europa Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit leben und erleben dürfen. Die Würde des Menschen, das Wohl jedes Einzelnen steht für uns im Zentrum. Aber wir führen in der Außenpolitik kein Selbstgespräch. Wir verhandeln mit anderen, die eine gute Lage eher dann verwirklicht sehen, wenn Ruhe, häufig gemeint als Friedhofsruhe, mit Gewalt durchgesetzte Stabilität und die Verhinderung von streitiger Auseinandersetzung gesichert sind. Das ist weit entfernt von unserer Vorstellung einer guten Gesellschaft. Aber es ist eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen müssen."
Und zum Fall Raif Badawi:
"Ich glaube, es wäre falsch, nur auf Lautstärke oder nur auf stille Diplomatie zu setzen. Wir brauchen beides, nur zu unterschiedlichen Zeiten. Mal das laute Trommeln, mal das leise Sprechen. Wir brauchen manchmal Öffentlichkeit, damit Fälle bekannt werden. Und wir brauchen Verhandlungsmöglichkeiten, die gesichtswahrende Lösungen für einen Staat, der Repressalien ausübt, überhaupt erst möglich machen. Zu meinen Erfahrungen gehört allerdings auch, dass Daueröffentlichkeit oder medialer Druck allein noch nicht zum Erfolg führen. Gerade dort, wo Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückt wird, werden Medien nicht als schlagkräftige Spieler betrachtet, deren Einwände man berücksichtigen müsste. Die meisten Autokraten empfinden das nur als Provokation, der man sich erst recht nicht beugen darf."
Auch diese Aussage bestätigt noch einmal Eindruck, den Schreiber, Weidner und ich selbst inzwischen gewonnen haben. Nach über einem Jahr der Aktivitäten komme ich schon ins Grübeln, ob der Weg, den auch ich bisher als Erfolg versprechend angesehen hat ( weil die Strategie in anderen, ähnlichen Fällen meist gut gewirkt hat ), wirklich der richtige ist...
Berlin |
Das gesamte, lesenswerte Interview mit unserem Außenminister ist übrigens hier zu verfolgen.
Ein phantastisch zusammengestellter fundierter Post! P.
AntwortenLöschenJa, die Herren haben da wohl recht. Kommt mir wie eine Schulklasse vor die Sch... gebaut hat. Und keiner will sagen wer es war. Gib ihnen die Möglichkeit es still und leise zu richten und plötzlich gehts.
AntwortenLöschenÄrgerlich, zumal es da um Leben geht.
Danke das du wieder alles zusammengefasst hast,
Andrea
Danke für die viele Arbeit, die Du jede Woche aufwendest.
AntwortenLöschenLieben Gruß und ein schönes Wochenende
Katala
Danke für deine interessanten und informativen Ausführungen. Diplomatie wäre auch nie mein Tätigkeitsfeld....
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Andrea
So manches ist in der Welt schon bewegt worden, weil der Druck von außen zu groß wurde. Nur habe ich in diesem Fall nicht sehr viel Hoffnung, ist doch Raif Badawi auch nur einer von vielen, denen Unrecht geschieht...Selbst wenn Raif Badawi wieder freigelassen werden sollte, ändert das sicherlich nichts am System...für alle anderen Unschuldigen besteht nach wie vor keine Hoffnung. Zumindest wird es wohl ein steiniger und sehr langer Weg werden...wenn überhaupt. Im Moment sieht es nicht wirklich danach aus, als wolle gerade die Welt gerechter und freier werden...ganz im Gegenteil. Danke für dein Engagement...Resignation ist wahrscheinlich der Anfang vom Ende...LG Lotta.
AntwortenLöschen"Absolut trostlos" diese Worte sind so treffend. Und trotzdem darf Kritik nie aufhören. Ohne kritische Stimmen - egal ob laut oder leise - würde sich nie etwas bewegen... LG mila
AntwortenLöschen"Bruch der Treue gegenüber dem Herrscher"
AntwortenLöschenWie im Mittelalter - und so soll es wohl auch bleiben ...
Liebe Grüße - Monika
Trotz alledem:
AntwortenLöschenDie Liebe und das Mitgefühl sind die Grundlagen für den Weltfrieden - auf allen Ebenen.
Dalai Lama
Wir müssen das Mitgefühl dringend zur klaren, leuchtenden und dynamischen Kraft in unserer polarisierten Welt machen!
Verwurzelt in dem festen Willen, Selbstsucht und Gier zu überwinden, kann Mitgefühl politische, dogmatische, ideologische und religiöse Mauern einreißen...
www.zeigenmitgefuehl.de
absolut trostlos. aber auch absolut nicht zu verändern?? ich weiß auch nicht, welche methode die beste ist. nur verschweigen ist es sicher nicht.
AntwortenLöschendanke für deine recherchen und detaillierten informationen.
lg, mano