Freitag, 8. Januar 2016

Ein Jahr Posten für Raif Badawi, ein Jahr Auseinandersetzung mit dem Thema Saudi-Arabien







Morgen jährt sich der Tag, an dem Raif Badawi in Jeddah nach dem Freitagsgebet öffentlich ausgepeitscht worden ist und so in den Blickpunkt der westlichen Öffentlichkeit geraten ist. In fünf Tagen wird er 32 Jahre alt, der Tag, an dem ich angefangen habe, jeden Freitag einen Post über ihn und die Menschenrechte in Saudi - Arabien hier im Blog zu schreiben.


Ich finde es sehr beunruhigend, dass die Verbindung zwischen ihm und seiner Frau seit der Verlegung in ein anderes Gefängnis extrem erschwert ist, und ich keine Neuigkeiten über seinen Zustand berichten kann. Seit drei Wochen gebe es "überhaupt keinen Kontakt mehr", und sie vermute, dass es ihm schlecht gehe, äußerte sich Ensaf Haidar heute gegenüber der deutschen Welle...

Die jüngste Entwicklung in Saudi - Arabien, ja in der gesamten islamischen Welt, lässt mich das Schlimmste auch für Raif Badawi befürchten, denn dem Regime in Saudi - Arabien geht es um nichts Geringeres als den Führungsanspruch in dieser islamischen Welt und ist von keinem Zweifel angekränkelt in diesem Selbstverständnis, wie die letzten Ereignisse beweisen. Der König scheint in seiner Demenz auch kaum noch in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Das übernehmen Kronprinz Mohammed bin Nayef, der "Terroristenfresser", und Vizekronprinz & Verteidigungsminister Mohammed bin Salman, die besessen sind von der Idee, ihre sunnitische Heimat werde von Schiiten und deren Schutzmacht Iran eingekreist & stranguliert.

Wer übrigens Interesse daran hat, worauf der "ewige" Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten beruht, worin der Anspruch der Familie Saud begründet ist, dem sei die Lektüre des Beitrags der Süddeutschen Zeitung empfohlen.

Ich habe viele, viele Berichte und Kommentare gelesen in den vergangenen Tagen und entschieden, den von Constantin Schreiber bei n- tv hier zu zitieren, weil mir wichtige Aspekte & Forderungen darin formuliert werden:

"Was ist das für ein Land, in dem Menschen mit Schwertern öffentlich enthauptet werden? In dem freie Meinungsäußerung mit Peitschenhieben bestraft wird, wie bei dem Blogger Raif Badawi? In dem Christen um ihr Leben fürchten müssen?

Es klingt wie die Hölle auf Erden. Aber es ist einer der wichtigsten Partner des Westens. Saudi-Arabien trampelt auf den Werten herum, für die unsere Gesellschaft, unser Leben, steht, Werte, die die Menschen in Europa sich in Jahrhunderten erkämpft und erstritten haben. Und von denen wir sagen: Sie sind universell!

Überall soll Religionsfreiheit gelten, Meinungsfreiheit, in Somalia, in Afghanistan, im Irak. Nur in Saudi-Arabien nicht – nur so ist das fürchterliche Schweigen der Bundesregierung zu verstehen, die doch liest und hört, was Menschen angetan wird, die sich dem saudischen Klerus und Königshaus widersetzen. Doch aus Rücksicht auf gute Geschäfte und taktische Politik denkt man: Sei's drum!

Das ist gefährlich, denn die ausbleibenden oder weichgespülten Reaktionen auf das Töten, Unterdrücken und Wegsperren in Saudi-Arabien zeigen Muslimen bei uns und weltweit, dass die Freiheit einknickt vor dem Schwert der Scharia. Dass der Westen kuscht vor reichen Saudis. Wer Saudi-Arabien gewähren lässt, nimmt hin, dass da ein Schattenreich besteht, das eine dunkle Faszination ausübt auf die, die uns unsere offene Gesellschaft nicht gönnen.

Naiv, wer glaubt, Saudi-Arabien würde nicht die Finanzierung des Islamischen Staates zumindest ermöglichen. Dem Westen gaukeln sie vor, unser Partner zu sein. Unter der Hand werden die finanziert, die Menschen in Paris, London, New York mit Bomben in den Tod schicken.

Saudi-Arabien ist nicht unser Partner; westliche Politiker, die das sagen und denken, verraten die Ideale unserer freien Welt. Nur aus Angst, dass es noch schlimmer werden kann in einer Region, die bereits in einem Abwärtsstrudel steckt, dürfen wir vor den Henkern nicht kuschen. Wir brauchen Regierungspolitiker, die den Mut haben, das saudische Regime als das zu verurteilen, was es ist: eine Schreckensherrschaft!" ( Quelle hier )


Ein weiterer, ausführlicherer Beitrag von Constantin Schreiber ist hier nachzulesen.

Für Schweizer Leserinnen dürfte übrigens dieser Beitrag über die Doppelmoral in ihrem Lande interessant sein.



Ich für meinen Teil habe den Politikern in Berlin meine Meinung schriftlich mitgeteilt. Das kann eigentlich jeder tun. Die Adressen sind alle im Netz schnell aufzufinden...







17 Kommentare:

  1. Schon ein Jahr. Astrid, Du hast meine Hochachtung dafür.
    Lieben Gruß
    Katala

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  2. Das alles macht mich so unsagbar traurig.
    Wer jetzt noch nicht gemerkt hat, das alles mit allem zusammen hängt: Unser Wohlstand, Öl, Wirtschaftsinteressen und über allem der Wunsch nach Macht und Einfluss. Star Wars ist gar nicht so weit weg und seit den Kreuzzügen hat sich auch nicht so viel geändert.
    Leider hab ich keine Lösung für diese Probleme und ich weiß auch nicht wie man das alles beenden kann.
    Wenn wir mit keinem Schurkenstaat mehr Geschäfte machen wollen, wird es ziemlich rar an Geschäftspartnern (wir haben uns alle auf der Welt nicht mit Ruhm bekleckert) und wenn es an unsere Jobs geht, hinterfragen wir dann noch groß wer unsere Konjunktur ankurbelt?
    Trotzdem kann ich nur hoffen, dass die Machthaber in Saudi Arabien wieder zur Vernunft kommen - aber das passiert wahrscheinlich erst, wenn das Öl zur Neige geht ...

    Ich hoffe das Beste für Raif Badawi und Dir, liebe Astrid, danke ich für Deine Hartnäckigkeit und Ausdauer.

    Astrid rechtsrheinisch

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  3. Genau das ist es, alles hängt mit allem zusammen und fürs erste wäre ich zufrieden, wenn das endlich alle mal kapierten und zugäben und manche (zu viele) nicht so täten, als könnte man sich raushalten. Nein, kann man nicht, auch was man nicht tut hat Folgen. Liebste Abendgrüße, gerade kommt der Gefährte ;-) Ghislana

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  4. Heute morgen habe ich einen Bericht über Raif Badawi auf meinem Lieblingsradiosender RadioEins gehört. Denn heute wurde vor der Botschaft Saudi Arabien demonstriert.
    Ich finde es nach wie vor gruselig, was die sich heutzutage noch rausnehmen dürfen, ohne das. Die ganze Welt aufstöhnt.
    Ein Jahr, ist verdammt lang, wenn man von der Willkür abhängig ist.
    Andrea

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  5. "... die uns unsere offene Gesellschaft nicht gönnen."
    Ich fürchte, die sind schon zwei Schritte weiter ...

    Liebe Astrid,
    danke für deine Ausdauer in diesem Thema.

    Herzlichst - Monika

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    1. Ja, wenn man die jüngsten Ereignisse in Frankreich, aber zuletzt ja auch hier in Köln sieht, ist die Befürchtung angebracht....
      LG

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  6. Danke für deinen Post!

    Wenn ich anmerken darf: auch den Saudis brennt der Hintern. Der Ölpreis ist im Keller, sie pokern wahnsinnig hoch. Trotzdem kaufen Sie riesige Landmassen auf, gerade auch in Gebieten mit gesichertem Wasservorkommen. Auch im Herzen Europas als "Fluchtgebiet". Die USA und der Rest der Welt sind trotz der Partnerschaft über die letzten Hinrichtungen " not amused". Wobei sich Deutschlands Politik ruhig stärker positionieren könnte, so freiheitlich-demokratisch sie doch immer tun.
    Und der Iran heizt denen.Auch ein.
    Astrid, denen schwimmen auch die Felle weg. Aber... ob das gut ist???

    LG Antje vom Eichenbaum, nun Petitmonster :)

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    1. Das ist mir auch klar, seit ich so viel über dieses Land lese.
      Das wird noch genug Probleme mit der Bevölkerung geben, wenn Wasser & Energie teurer werden und die jungen Leute weniger Berufsaussichten haben, wie es in vielen arabischen Ländern ja schon länger der Fall ist und nicht mehr alle Prinzen der Saud - Familie gepampert werden.
      Deswegen köpft man ja jetzt schon ordentlich präventiv, um Angst & Schrecken zu verbreiten. Was den Iran anbelangt, ist das nun auch keine unbeschriebenes Blatt. Aber der alleinige böse Bube in dieser Weltgegend eben auch nicht.
      LG

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  7. Liebe Astrid, ich träume davon, daß dieser Mann wieder zu seiner Familie finden darf. Und wer weiß, vielleicht begegnet auch ihr euch eines Tages vis-à-vis. Danke dafür, daß du mit Hartnäckigkeit berichtet hast.

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  8. Irgendwie sind die Ereignisse der letzten Zeit alles andere als ermutigend. Schon ein Jahr...
    Liebe Grüße
    Andrea

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  9. ein Jahr....
    ein Jahr Angst, wie der Mann und Vater die Haft übersteht...
    52 mal Angst, dass es wieder passiert....
    Immer in Angst, dass der Westen ihn vergisst und alles noch schlimmer wird....

    es ist nicht vorstellbar.

    Ensaf Haider hat gestern auf Facebook einen Post veröffentlicht (in Französisch) der Hoffnung machte, dass Raif Badawi bald nach Kanada kommen würde.
    Leider habe ich noch nicht die Zeit gehabt, den Artikel ausführlicher zu lesen, und schnell überfliegen ist französisch leider nicht mehr. Und finden tue ich ihn auch nicht mehr. Seufz.

    1/10 der Strafe abgesessen.
    Man kann nur hoffen, dass ihm die restlichen 9/10 erspart bleiben.


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    1. Die Not von Ensaf Haidar, ihre Gedanken, Gefühle, schlaflosen Nächte möchte ich mir gar nicht vorstellen... Ich hoffe nur, sie hat genügend gute Menschen um sich herum, die sie (unter-)stützen und auffangen, das vielbeschworene Netz also. Und das ist wahrscheinlich schon viel mehr, als dieser bedauernswerte junge Mann hat. Ich könnte manchmal nur heulen...
      LG

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  10. Ich habe deinen post und alle Kommentare mit großer Bestürzung gelesen.
    Fühle ich mich doch so total machtlos und dem Geschehen dort ausgeliefert. Der nahe Osten ist das reinste Pulverfass und längst ist die Zündschnur auch schon in Europa ausgelegt.
    Was kann man, wir, ich tun???
    Du zeigst es uns Woche für Woche mit deinem unermüdlichen Erinnern an die Situation des Bloggers, deinen Recherchen , damit du uns mit Informationen versorgen kannst,deinen Briefen an Politikern. Du hast meine Hochachtung und ich sage dir ein dickes Danke für all deine Taten.

    In der Hoffnung, dass die Zündschnur ( um im Bild zu bleiben) abgeschnitten wird und sich Lösungen finden, sende ich dir LG,
    Monika

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  11. ja, genau! wir im westen und vor allem wir in der schweiz sind ja gute menschen! und sooo neutral! ich erinnere mich grad wieder daran, wie ich mich an einem quartierfest mal aus unwissenheit zu einem gesetzt habe, der der für die waffenindustrie arbeitet (also richtig sagt man ja militär dazu...) und der hat mir dann die ohren vollgequasselt, von wegen deffensiver munition und wie wichtig der arbeitsplatzerhalt sei.... mir wird jetzt noch schlecht!
    und das schlimmste ist, dass ich nicht den eindruck habe, dass in der schweiz ein umdenken passiert. im gegenteil!
    danke, liebe astrid, dass du dein herz, deine augen und ohren offen hälst!
    ♥ monika

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  12. Hut ab vor so viel Ausdauer und Beharrlichkeit. Wenn nicht immer wieder auf etwas aufmerksam gemacht wird,fällt es doch sehr schnell dem Vergessen anheim.Ich habe Sie daher verlinkt.
    Liebe Grüße
    Vera

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  13. Gerade tauchte auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung diese Meldung auf:
    "Laut Amnesty International wurde gestern Samar Badawi, die Schwester des Bloggers Raif Badawi, in Saudi Arabien festgenommen. Vermutlich aufgrund ihrer Aktivitäten auf Twitter."

    ??? :-(

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    1. Gerade sehe ich einen Kommentar unter der Meldung:
      "Samar Badawi is released.After releasing her on bail, Samar Badawi is still targeted & has to appear in police station with lawyer on January 14, 2016 (Hussain Jawed)"

      Sie scheint also frei, aber unter Auflagen.

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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