Freitag, 11. Dezember 2015

Neue Sorgen um Raif Badawi



Am Europäischen Parlament in Brüssel
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Da ich bis jetzt, 21 Uhr, keine Tweet erhalten habe, ob heute eine Auspeitschung von Raif Badawi erfolgt ist oder nicht, gebe ich meinen Post zum Lesen frei, denn seit gestern Mittag gibt es neue, beunruhigende Nachrichten, deren Bedeutung ich noch nicht einschätzen kann & die ich unbedingt weitergeben will ( an die Situation, in der Raifs Frau Ensaf an solchen Tagen steckt, die Gefühle, die sie heute bewegen, mag ich gar nicht denken, so belastend, wie selbst ich die Ungewissheit empfinde ):

Raif Badawi ist von der saudischen Gefängnisverwaltung in ein neues, abgelegeneres Gefängnis gebracht worden und dort am Dienstag in Hungerstreik getreten. Das Gefängnis befindet sich in der Wüste, 87 km von Dschiddah entfernt, und ist eigentlich reserviert für Gefangene, deren Urteil rechtskräftig ist. Das ist nicht in Einklang zu bringen mit der wiederholten Aussage saudischer Behörden, Raifs Urteil werde nochmals einer Überprüfung unterzogen, oder den Äußerungen des Schweizers Yves Rossier Ende November, dass in Riad an seiner Begnadigung gearbeitet wird.

Ensaf Haidar befürchtet nun, dass an diesem Ort mit weiterer Auspeitschung zu rechnen ist. Sie richtete auch einen neuen Appell an den saudischen König: "I call on his majesty King Salman to pardon my husband #RaifBadawi and end his ordeal. Please unite my children with their father."

Colette Lelièvre von Amnesty International Canada betonte am Donnerstag, der Gruppe sei gesagt worden, Badawi sei aus "administrativen Gründen" in ein anderes Gefängnis verlegt worden. Man habe auch noch keine unabhängige Bestätigung, dass er in einen Hungerstreik getreten sei.

Die kanadische Regierung will sich für den Blogger einsetzen: "Wir sind wegen der Lage von Herrn Badawi sehr besorgt und tun unser Bestes, um sicherzustellen, dass die Sache gut ausgeht", sagte Kanadas Außenminister Stephane Dion.

Auch die menschenrechtspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Annette Groth, hat heute Mittag die Bundesregierung aufgefordert, "sich bei Saudi-Arabien für eine sofortige Freilassung des Bloggers ein(zu)setzen und das willkürliche und barbarische Justizsystem sowie die katastrophale Menschenrechtslage in Saudi-Arabien deutlich (zu) kritisieren".
Raif Badawi ist seinerzeit in das Programm ‚Parlamentarier schützen Parlamentarier‘ des Bundestages aufgenommen worden. Mit einem fraktionsübergreifenden Antrag hat sich der Bundestag verpflichtet, die Initiative zu unterstützen, um bedrohten Parlamentariern und Menschenrechtlern beizustehen.

Auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, hat sich besorgt über diese Nachricht geäußert und in einem Tweet gefordert, Badawi müsse freigelassen und nicht in Isolationshaft gesteckt werden.
Am Mittwoch soll Raif Badawi in Abwesenheit der Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments verliehen werden.


Der ( meines Erachtens berechtigte ) kritische Blick auf Saudi - Arabien als Dreh- & Angelpunkt in einigen derzeitigen Konflikten wird  auch in den Medien & bei Politikern immer deutlicher:

So brachte meine Kölner Tageszeitung Anfang der Woche mehrere Artikel zum Thema ( die leider nicht online abrufbar sind ), so forderte die niederländische EU - Abgeordnete Marietje Schaake das Parlament dazu auf, angesichts beunruhigender Tatsachen, "die Beziehungen der EU mit Saudi-Arabien gründlich zu überdenken.... Unser Verbündeter hat sich zu einer Quelle der Instabilität im Nahen Osten und in Europa ( entwickelt ), und unsere Strategie muss sich jetzt ändern.
Dazu zählt sie in ihrer Stellungnahme die Waffenimporte Saudi - Arabiens in Höhe von 5,8 Milliarden Euro allein im Jahr 2014. Im Jahr 2015 stiegen die Einfuhren gar um 52 Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. 
Ihrer Meinung nach verletzt der anhaltende Verkauf von Waffen durch EU- Mitgliedsstaaten an Saudi - Arabien die Kriterien zwei, vier und sechs der Council Common Position 2008/944/CFSP vom 8. Dezember 2008. 
( Marietje Schaake ist Mitglied der niederländischen Demokratischen Partei D66.  Im EU - Parlament gehört sie dem Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Menschenrechte an, sowie  der EU-Delegation für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel.)

Ach ja, und da passt ins Bild, dass Saudi - Arabien ( neben China ) die Vereinbarung auf der Weltklimakonferenz in Paris verzögert, weil das Land nach den bisherigen Vereinbarungen einem radialen Umbau seiner Wirtschaft zustimmen & als großer Ölproduzent den Ausstieg aus dem Öl beschließen müsste. Am liebsten wäre ihnen gar keine Veränderung. Denn woher soll das Geld in Zukunft kommen für die all Waffenkäufe und die Unterstützung kriegerischer Unternehmungen & fundamentalistischer Strebungen in anderen Staaten? Sollten die Einnahmen durch Gas & Öl weg brechen, wäre auch der Wohlstand & damit soziale Friede in dem Wüstenstaat akut gefährdet...

14 Kommentare:

  1. wie beunruhigend, dem Horror wird noch eine Angst aufgesetzt.
    Danke fürs Berichten!
    Und trotzdem:Gute Nacht!

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  2. ... und immer wieder stellt sich die Systemfrage und was jeder einzelne zu tun bereit ist ...

    Und trotzdem - eine gute Nacht - irgendwie - Monika

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    1. Liebe Lisa, liebe Monika, was dann immer hilft ( neben dem Nähen ) Beschäftigung mit Kunst. Und das habe ich vor dem Schlafengehen gemacht.
      Euch auch eine gute Nacht!

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  3. Danke für's Berichten.
    Dir ein schönes Wochenende
    Katala

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  4. Liebe Astrid,
    Danke das Du immer wieder davon berichtest!

    liebe Grüße
    anja

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  5. Hungerstreik...sehr verständlich, schwächt aber auch die körperliche Belastbarkeit....und angeschichts der angedrohten Peitschenhiebe kann man da schon ins Grübeln kommen...Wenn ich allgemein über das Thema "Meinungsfreiheit" nachdenke, dann werde ich ziemlich nachdenklich...ein Blick in die eigenen Reihen lohnt sich da durchaus. LG Lotta.

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  6. oh nein! den saudischen machthabern ist ja alles zuzutrauen! nur leder viel zu wenig gutes...
    danke für deine recherchen, liebe astrid!
    ♥ monika

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  7. Normalerweise würde ich sagen No news are no bad news. Würden die Saudis eine Auspeitschung nicht direkt verkünden, nach dem Motto: "Seht her, ihr habt uns gar nix zu sagen!"? Aber andererseits können sie sich das (die Auspeitschung) noch leisten? Die Verlegung macht mir doch Angst.

    Ich drücke ganz fest die Daumen, dass es nicht zum Äußersten gekommen ist.

    LG Astrid rechtsrheinisch

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  8. Danke, dass Du uns auf dem Laufenden hältst.
    Ich muss immer an Carl von Ossietzky denken, dem selbst die Verleihung des Nobelpreises nicht aus den Händen der Nazis retten konnte...
    Alles so furchtbar.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  9. Wenn dieser Post nicht von deinen wunderschönen Blumen und dem Geburtstagsshirt eingerahmt wäre, würde ich jetzt mit noch größerer Trauer und Gedankenschwere von dannen ziehen. Immer wieder muss ich auch an meine Mutter denken, die in ihren letzten Lebensjahren an der Ungerechtigkeit der Welt fast verzweifelt ist... Sie war selbst die Güte in Person und verstand die Welt nicht mehr. Lieben Gruß Ghislana (gerade sitzt ein Specht an der Meisenkugel am Fenster und entlockt mir dann doch wieder ein Lächeln)

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  10. Ich könnte manchmal laut schreien, wenn ich die heuchlerischen Worte jener höre, die SO reden und dann hingehen und den Saudis Waffen verkaufen. Es müsste ein Aufschrei durch die Bevölkerung gehen, auch was die Teilnahme an Kriegen angeht. Und manchmal wüsste ich gerne, was hintenherum im Geheimen alles verhandelt wird.

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  11. furchtbar.
    Man kann sich nicht vorstellen, was das bei seiner Frau und den Kindern auslöst.
    Wenn man nur irgendwas tun könnte.

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  12. Danke, wie immer, für das detaillierte Update. Wie furchtbar, dass es jetzt wieder rückwärts zu gehen scheint, nachdem doch gerade berechtigte Hoffnung gegeben zu sein schien ...

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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