Freitag, 18. September 2015

Von Raif Badawi & der Hypokrisie im Umgang mit Flüchtlingen



Immerhin: Auch heute keine Auspeitschung in Jiddah, wie dem Twitter - Account von Raif Badawi gegen 17 Uhr zu entnehmen war. Eigentlich erwarte ich es auch nicht mehr anders, erwünsche aber eigentlich mehr.





Aber dieser so mächtige Verbündete des Westens, Saudi - Arabien, ist in seiner Selbstherrlichkeit einfach durch nichts zu beeindrucken. Und so muss ich meinen hier gefassten Vorsatz, mich nicht mehr zu äußern zu Verhaltensweisen dieses "Hüters der beiden heiligen Moscheen" und aller Muslime dieser Welt, untreu werden, denn die Scheinheiligkeit der saudischen Herrscher bringt mich wieder mal auf die Palme:

So sind Saudi - Arabien und die angrenzenden Emirate nicht bereit, syrische Flüchtlinge aufzunehmen ( trotz beispielsweise vorhandener riesiger, klimatisierter Zeltstädte in Mekka, die nur während der Hadsch bewohnt werden ). Der Bundesrepublik hingegen bietet das Land an, 200 Moscheen für Flüchtlinge zu bauen ( in denen dann natürlich selbstredend die wahabitische Auslegung des Islam verkündet wird ).


Zeltstadt für Pilger in Mekka
Source: Reuters

Bisher haben die sechs Regierungen der Golfstaaten zusammen eine Summe von 900 Millionen Dollar für die syrische Flüchtlingshilfe aufgebracht. Das hört sich nach viel an, aber im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, die viermal mehr zur Verfügung stellten oder zu Großbritannien mit 1,2 Milliarden Euro, ist das keine respektable Leistung für die "Bruderländer", deren Staatsfonds alleine jährlich Milliarden Zinsen abwerfen.

Während die unmittelbaren, armen Nachbarn Syriens wie Jordanien und Libanon insgesamt mehr als 4 Millionen Flüchtlinge allein aus Syrien aufgenommen haben und nun versorgen, haben die reichen Golfstaaten insgesamt maximal nach eigenen Angaben 500.000 aufgenommen. 
In der Türkei leben fast 2 Millionen, im Libanon 1,1 Millionen, in Jordanien fast 630.000, in Ägypten immerhin 130.000 und im Irak, selbst Kriegsgebiet, kamen 250.000 Syrer unter. ( Die Zahlen beziehen sich allein auf die beim UN-Flüchtlingshilfswerk registrierten Flüchtlinge und können tatsächlich viel höher liegen. ) 

Wenn man solche Glaubensbrüder hat, braucht man eigentlich keine Feinde mehr...

Was steckt hinter dieser unmoralischen Haltung? Saudi - Arabien hält die Flüchtlinge für ein großes Sicherheitsrisiko & fürchtet einen Import der konfessionellen Unterschiede & daraus entstehender Konflikte, die Saudi-Arabien und Katar allerdings durch ihre finanziellen Spritzen für IS usw. ja selber anheizen. Die viel beschworene religiös-kulturelle Nähe unter den Arabern existiert so nicht, wie sie immer beschworen wird. ( Syrien selbst war ja vor dem Bürgerkrieg ein Vielvölkerstaat mit Christen und Muslimen unterschiedlicher Konfessionen. ) Lieber ist es den Golfstaaten, dass Ausländer als Gastarbeiter kommen - und als solche auch wieder gehen -, denn die haben eingeschränkte Rechte, sprechen kein Arabisch usw.


Wem das jetzt zu viel war in Richtung "Hypokrisie im Islam": In Polen wehren sich vor allem die katholischen Bischöfe gegen eine Aufnahme von mehr Flüchtlingen. Kommt mir auch sehr bekannt vor: Schon als Jugendliche habe ich in meiner Nonnenschule gelernt, dass die so viel geforderte christliche Nächstenliebe nur was für Dumme ist und eigentlich keine entsprechenden Taten erwünscht sind...

Wer wissen möchte, warum mich das so aufbringt, kann hier ein bisschen mehr erfahren...


Dabei hätten es auch all diese Herrschaften in der Hand gehabt, die Flüchtlingsmassen im arabischen Raum zu halten:


Vor ziemlich genau einem Jahr nämlich versuchte das World Food Programm (WFP, Welternährungsprogramm ) bereits, die Hunderte Millionen Dollar bei den vermögenderen Staaten aufzutreiben, um die syrischen Flüchtlinge weiterhin mit Nahrung versorgen zu können. Man ging auf Betteltour, traf aber auf eine Politik der zugenähten Taschen.
Folglich flüchten die Menschen nicht nur vor dem Krieg, sondern jetzt auch vor dem Hunger. Momentan stehen dem WFP  nur noch 14 Dollar pro Monat pro Person zur Verfügung. Noch Fragen?

Jetzt dürfte es auch keinen Leser hier mehr wundern, dass sich die saudische Regierung neue, restriktivere Regeln für die Betreiber von Webseiten ab dem neuen Jahr des islamischen Kalenders, also ab Mitte Oktober, ausgedacht hat. Viele saudische Internetnutzer werden dann nach ihren Lieblingswebseiten vergeblich suchen müssen. Vielleicht auch nach meiner. Denn die  Anzahl der Leser aus diesem Land ist zuletzt auch bei mir auffallend angestiegen...

12 Kommentare:

  1. DU hast das auf den PUNKT gebracht,,,,,
    es is ah SAUEREI wos do alles passiert,,,,,,
    i hoff de wachen da drüben nomal auf...
    das des gerechter VERTEILT wird,,,,
    bussale bis bald de BIRGIT

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  2. und bei uns mehren sich die "klugen" sager in der bevölkerung, warum die flüchtlinge nicht nach saudi-arabien gingen, da würden sie besser hinpassen ...
    jetzt hab ich nicht nur ein, sondern viele argumente darauf.
    und dass auch die katholische kirche es mit der nächstenliebe nicht so genau hält, wenn's drauf ankommt, wissen wir ja eh! danke für deinen post.
    lieben gruß, susi

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  3. Ich sehe zwar die Situation in D, aber viel zu oft bin ich in meiner kleinen Familienwelt und schaue zu wenig über den Tellerrand. Wenn ich dann im Auslandsjournal Berichte sehe, kann ich nur sagen, wie gut es uns doch geht. Hier herrscht Freiheit und Frieden, neben der Gesundheit das größte Gut des Menschen und ich bin froh, dass es deine regelmäßigen Einträge zu Badawi und der Weltpolitik gibt, die mich immer wieder daran erinnern und daran rauszuschauen und mir Meinung zu bilden und in meinem Rahmen auch handeln. Ich kann helfen, habe es schon im Ort getan, werde es wieder tun. Ich bin keine schreibender Blogger mehr, aber es ist wichtig, dass es Leute wie dich gibt, die auch öffentliche Stellung beziehen und aufklären! Danke dafür.
    LG Eva

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  4. ach liebe Astrid, Du hast so recht. Leider. Man sieht so wenig Licht, wenn man die Welt betrachtet. Nur bei näherem Hinsehen, da glimmt und funkelt es doch. Das sind die Hoffnungsflämmchen. Die müssen wir hüten. Und anfachen mit unserem Tun. Sonst sind wir alle verloren...
    Sei lieb gegrüßt von
    Lisa

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  5. Danke für einen weiteren klugen Post zum Thema!
    Eigentlich sollten schon analoge Grüße bei dir sein, aber irgendwie brauchen sie ihre Zeit.
    Dir auch ein schönes Wochenende und ganz herzliche Grüße
    Christine

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  6. Du hast vollkommen Recht...Saudi-Arabien und angrenzende Emirate müssten in erster Linie Flüchtlinge aufnehmen...aber natürlich ist dann deren Wohlstand gefährdet...davor haben sie Angst. Polen hat nicht viele Erfahrungen mit Ausländern...und dort ist der katholische Glauben weit verbreitet. Es ist also in gewisser Weise verständlich, wenn man Vorbehalte hat, Moslems aufzunehmen. Katholische (christliche) Flüchtlinge würde man sicherlich aufnehmen...LG Lotta.

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  7. Mein Interesse für Polik war in der Schulzeit quasi nicht vorhanden. Geschichte war mir ein undurchdringliches Wirrwarr, ein Verstehen der Zusammenhänge bei meinem damaligen Horizont nicht wirklich möglich. Heute ist das anders: ich weiß so viel mehr und doch nicht annähernd genug. Auch interessiere ich mich für die Zusammenhänge im Weltgeschehen. Nur ist es so, daß sie mich immer wieder überfordern. Manchmal so sehr, daß ich Wochenlang konsequent jegliche Nachrichten verweigere, um überhaupt noch schlafen zu können. Vogel-Strauß-Taktik, ich weiß. Nicht der richtige Weg ist das, lediglich eine Verschnaufspause für die Seele. Lisa's Bild von den kleinen glimmenden Hoffnungsfunken und Flämmchen gefällt mir. Ja, wenn keiner mehr etwas tut, dann sind alle verloren. Es ist nicht einfacher geworden in dieser Welt zu leben. Weiß Gott nicht.
    LG.

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    1. Wir kennen uns zu gut, um zu wissen, warum die Verschnaufpausen überlebensnotwendig sind...
      Früher habe ich mich eher als Mitgestalter der Geschichte gefühlt, inzwischen bin ich nur noch ein klitzekleines Fünkchen, nachdem ich rückblickend überschauen kann, was ich bewirkt habe. Es ist - gemessen an unserem Land - einiges. Wenn ich aber die Welt anschaue, könnte ich mit Weinen nicht mehr aufhören. Und doch wünsche ich meinen Enkelkindern ein Leben auf DIESER Erde...
      GLG

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  8. In einer Verschnaufpause habe ich diesen Post gesucht. Dass du uns so an deiner Meinungsbildung teilhaben lässt, empfinde ich als Geschenk. Auch, dass und wie du deine Meinungsfreiheit wahrnimmst, vor allem, mit welcher Verantwortung du das tust, Verantwortung für Menschenwürde. Lieben Gruß Ghislana

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  9. Es gibt so undendlich viele Staaten die sich momentan abputzen. E-kel-haft!

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  10. 'ach gott!' bin ich versucht zu sagen... aber ich glaub. da ist keiner! und wir menschen täten gut daran, uns gegenseitig zu helfen, statt auf den himmel zu hoffen...
    danke, liebe astri!
    ❤️ monika

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  11. ups, noch ein d nachgeliefert! ;-)

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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