Freitag, 14. August 2015

Wieder einmal ein Anflug von Scheinheiligkeit { Raif Badawi }



Auch heute ist in Dschiddah die öffentliche Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi ausgefallen. Die erlösende Nachricht erreichte das www. heute erst gegen 17 Uhr...


Anfang der Woche machte die Organisation "Reporter ohne Grenzen" deutlich, dass der Druck auf bundesrepublikanische Politiker wieder erhöht werden müsse, indem sie Außenminister Frank-Walter Steinmeier aufforderten, sich bei seinem Treffen am vergangenen Montag mit seinem saudischen Amtskollegen Adel Dschubair für die Freilassung aller in Saudi-Arabien inhaftierten Blogger und Journalisten einzusetzen. Christian Mihr, Geschäftsführer der Organisation, zur Deutschen Presse-Agentur: 

"Steinmeier muss auf die Einhaltung von Meinungs- und Pressefreiheit in Saudi-Arabien drängen und die Freilassung aller dort inhaftierten Journalisten und Blogger fordern. Er darf bei den Gesprächen mit seinem Amtskollegen nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» ( Quelle hier )

Nach seinem Treffen mit Adel Dschubair betonte Steinmeier, dass der Fall Badawi ein Gesprächsthema gewesen sei. "Natürlich hoffen und setzen wir darauf, dass es eine menschliche Lösung gibt." 
Doch wie nicht anders zu erwarten war, wies der saudische Außenminister auf einer anschließenden Pressekonferenz wieder all die Kritik zurück und meinte, dass die Justiz seines Landes unabhängig entscheiden werde, wie sie mit Raif Badawi umgehe: "Wir akzeptieren keine äußere Einmischung."  ( Quelle hier )

Nichts Neues also auf dem diplomatischen Parkett...

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Verständlicherweise enttäuscht äußerte sich anschließend Ensaf Haidar gegenüber der BILD - Zeitung und kritisierte, dass der Minister zwar von der Unabhängigkeit der saudi - arabischen Justiz gesprochen habe, "wo er sich persönlich bei einem saudischen Moslem einmischt, der in den USA verurteilt wurde!*" Sie frage sich, "wie er es erklären will, dass die saudi-arabische Regierung mit beschuldigten Terroristen anders umgeht als mit ihrem Ehemann? Wo ist die Unabhängigkeit der Justiz, wenn die Saudis einen Terroristen mit einer Generalamnestie für alle terroristischen Gefangenen freilässt?" 

Hypocrisie as usual. Über meine Wutgefühle brauch ich an dieser Stelle wohl nicht mehr schreiben...

Offensichtlich spielt sie mit ihrer Aussage auch darauf an, dass der Attentäter vom 6. August, der bei einem Bombenanschlag auf eine Moschee in Saudi-Arabien nach Angaben des Innenministeriums 15 Menschen getötet hatte, und zu dem sich ein örtlicher Ableger des "Islamischen Staates" bekannt hat, vorher bereits einmal als Terrorist inhaftiert und dann wieder amnestiert worden war.

Terror ausüben ist eine Sache, laut Nachdenken über ein Zusammenleben in Freiheit dagegen allerdings eine unverzeihliche...

Die österreichischen Grünen stellten aus anderen Gründen neue Forderungen an ihre Regierung:

Ihre außenpolitische Sprecherin interpretierte nämlich die jüngsten Meldungen des britischen "The Independent", wonach der Fall Raif Badawi vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens wieder aufgerollt werde, dahingehend: "Das könnte ein erster positiver Schritt zur Freilassung des inhaftierten Bloggers Raif Badawi sein. Die österreichische Regierung soll jedoch schnellstmöglich Nachforschungen anstellen, ob die gestrigen Meldungen zur erneuten Urteilsüberprüfung auch der Wahrheit entsprechen." Sie verlangte weiterhin: "Falls es tatsächlich zu einer Neuaufrollung kommen sollte, fordere ich Außenminister Kurz auf, hier sofort aktiv zu werden und die saudi-arabische Regierung darauf zu drängen, die Strafe gegen Badawi zu erlassen und ihn so schnell wie möglich freizulassen." ( Quelle hier )

"The Independant" hatte hier  am Donnerstag Ensaf Haidar zitiert, die aus einer "hochrangigen Quelle" im saudischen Justizministerium erfahren haben will, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Raif Badawi durch das höchste Gericht des Königreichs ein "gutes Signal" sei. Diese Nachricht sei allerdings "clouded with secrecy and ambiguity", und deshalb sei sie immer noch sehr besorgt um ihren Mann, hoffe aber, dass es der Anfang für eine Kurskorrektur sei.

Amnesty International konnte übrigens diese Nachricht bisher nicht bestätigen.


Über all dem Ärger über die Mächtigen in Saudi - Arabien sollte man allerdings nicht vergessen, dass weltweit rund 900 Journalisten, Schriftsteller und Verleger bedroht, gefangen gesetzt, gefoltert oder getötet wurden, weil sie von der Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht haben.
Auch hier bei uns in der Bundesrepublik werden Journalisten unter Druck gesetzt, weniger von den Regierenden, aber von rechten Gesinnungsgenossen. Das PEN Zentrum Deutschland & die Literarische Gesellschaft Karlsruhe weisen darauf noch einmal ausdrücklich hin und haben eine Reihe von Lesungen zu konkreten Fällen und mit Texten inhaftierter Autoren initiiert. Interessierte aus dem badischen Raum finden hier konkrete Veranstaltungshinweise.

Auf Raif Badawis Twitter Account findet sich in jüngster Zeit der Hinweis auf einen jungen Mauretanier, der schon an Weihnachten 2014 in seinem Land mit der Todesstrafe wegen Apostasie belegt worden ist: Mohamed Cheikh Ould Mkhaitir.

Mohamed Cheikh Ould Mkhaitir
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Blasphemie ( Religionskritik ) und Apostasie ( Abfall von einem religiösen Glauben ) wird immer dann von tyrannische Regimen als Straftatbestand erhoben, wenn jemand die herrschende Gesellschaftsordnung in Frage stellt. Im Falle von Mohamed Cheikh war das ein kritischer Internetbeitrag mit Zweifeln am sogenannten Propheten Mohammed - laut lokaler Organisationen das erste Mal, dass ein islamkritischer Text im Land veröffentlicht wurde. 

Unterstützt wurde die mauretanische Justiz in ihrem Vorgehen durch wütende Straßenproteste von Gläubigen. Die Deutsche Welle hatte bereits einen Tag nach der Verurteilung von diesem Fall berichtet, der aber erst jetzt über den Umweg über Raif Badawi in den Blickpunkt der westlichen Menschenrechtler geraten ist. 

Zur Information: In 19 Staaten der Welt wird die Abkehr vom islamischen Glauben, die sogenannte Apostasie, gesetzlich bestraft, in 13 davon sogar mit der Todesstrafe. Mauretanien in Westafrika gehört dazu.

Es ist manchmal zum Heulen...

Laut Amnesty International kann momentan aufgrund einer technischen Anpassung der Zentrale in London die Suchfunktion für "Urgent Actions" nicht genutzt werden. Sobald ich etwas in diesem "neuen" Fall herausgefunden habe, informiere ich weiter.


8 Kommentare:

  1. 19... das wusste ich nciht, dass es so viele sind. Pffff....

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  2. Immer wieder ein Stachel, dein stetes Recherchieren und Erinnern, das ist so gut! Und ja, es ist nur ein Fall von vielen, und nur ein Menschenrechtsthema unter vielen. Dennoch oder gerade nun wünsche ich dir ein wunderbares Kraft spendendes Wochenende. Lieben Gruß Ghislana

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  3. Jemand gesetzlich vorzuschreiben, an was er glaubt...ist wirklich unfassbar...aber irgendwoher kenne ich das ja noch...manchmal könnte man resignieren bei so viel Unrecht auf dieser Welt...LG Lotta.

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    1. Und solche brachialen Vorgehensweisen sind das denkbar beste Mittel, einen Menschen zu ent-glauben ( eigene Erfahrung ). Schlimm, dass die Religionen solche Fürsprecher haben, die nicht darauf vertrauen können, dass Glaube in den Herzen der Menschen von ganz alleine wächst, wenn denn die Freiheit dazu da ist. Wehe euch Kleingläubigen! ( Hat das nicht schon Jesus von Nazareth gesagt? ).
      LG

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  4. manchmal ist die Wirklichkeit wirklich schwer zu ertragen.

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  5. Da kommt einem wirklich die Galle hoch. Und natürlich ist die nicht vorhandene Religionsfreiheit nicht das einzige Problem dieser Länder. Wir können uns wirklich glücklich schätzen als Frau HIER (und im Jetzt) geboren zu sein und nicht in solch einem "wunderbaren" Gottesstaat.
    LG Jennifer

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  6. manchmal halte ich die religionen für das grösste übel dieser welt...
    ♥ monika

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    1. Das würde ich nicht generell bestätigen: Nur in dem Fall, dass Usurpatoren die Religion nutzen, um ihre Herrschaft auszuüben. Diese Woche habe ich im Radio auch von einem Fall in Myamar gehört, wo selbst der Buddhismus entsprechend missbraucht wird.
      LG

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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