Sonntag, 12. Juli 2015

Von Raif Badawi bis zur Panoramafreiheit


Ein bisschen Durcheinander herrscht momentan auf meinem Blog, was die Einhaltung von wöchentlichen Rubriken und ihrem Erscheinungstag anbelangt. Mehr Zuverlässigkeit ist nicht drin, denn das Leben hält immer wieder mehr oder weniger überraschende andere Aufgaben für mich bereit. So auch am Freitagabend, an dem mein sonst üblicher Post zu Raif Badawi erscheint. Nun also am frühen Sonntagmorgen...


Das Erleichterndste zuerst: Wieder einmal wurde die Prügelstrafe am vergangenen Freitag in Jeddah ausgesetzt, und es gab keine Erklärung von den Behörden, warum. 

Von den Protesten, Mahnwachen & Initiativen, die weiterhin auf der ganzen Welt zur Unterstützung von Raif Badawi erfolgen, möchte ich an dieser Stelle nur die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der kanadischen Stadt Sherbrooke/ Quebec erwähnen und die Nominierung für den diesjährigen Sacharow-Preis für geistige Freiheit durch die Abgeordneten der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament ( Näheres hier ).

Ensaf Haidar & der Bürgermeister von Sherbrooke mit der
Ehrenbürger - Urkunde
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Sein Buch "1000 Lashes - weil ich sage was ich denke" steht inzwischen auch auf Französisch zur Verfügung und kann auf Englisch vorbestellt werden. Hoffentlich wird es zu einem weltweiten Bestseller, nicht nur, weil die Erträge an seine Familie gehen, sondern weil seine Gedanken auch unsere saturierte bürgerliche, neo - liberal geprägte Gesellschaft angehen.

Für den nach wie vor unglaublich zurückhaltenden Umgang der westlichen Politik mit dem autoritären, theokratischen, Menschenrechte missbrauchenden Königreich Saudi-Arabien habe ich inzwischen kein Fitzelchen Verständnis mehr. 

Neuestes Beispiel: 
Der britische Premierminister Cameron und Prinz Charles reisten nach Saudi-Arabien, um dem saudischen Prinz Saud al-Faisal, dem ehemaligen & weltweit dienstältesten Außenminister nach seinem Tod die letzte Ehre zu erweisen. Cameron betonte seine "große Weisheit" & sein erfolgreiches Navigieren in vielen Konfliktsituationen im arabischen Raum der letzten 40 Jahre. Und der englische Außenminister Philip Hammond sagte, der Prinz hätte einen "langjährigen Beitrag zur Diplomatie und Außenpolitik in der ganzen Welt" geleistet. Von Kritik an den derzeitigen Verhältnissen war nicht die Rede.

Wie diese Beiträge des saudischen Königreichs zur Außenpolitik unserer Welt aussehen, kann man ja derzeit u.a. im Jemen verfolgen. 

Mir ist nach wie vor schleierhaft, wie der Westen die Saudis als Verbündete in Sachen "Verbreitung demokratischer Werte im Nahen Osten" betrachten kann, wo doch in diesem Land nicht einmal Spuren von demokratischen Werten auszumachen sind: Weder gibt es eine nachvollziehbare Erklärung der saudischen Regierung, weshalb sie den Jemen bombardiert, noch welches Verhältnis sie zum internationalen Terrorismus hat oder warum das Land das einzige in der Welt ist, in dem Hinrichtungen und Körperstrafen in aller Öffentlichkeit stattfinden wie einst im Mittelalter. Die Saudis ziehen ihre Legitimation daraus, dass sie die Scharia – das Rechtsverständnis des Koran – wortgetreu umsetzen. In Wirklichkeit betreiben die religiösen Autoritäten des Königreiches eine Überautorisierung der wahabistischen Interpretation des Korans, die ihre Ursprünge erst im 18. Jahrhundert hat. Da, wo die Überlieferungen der Scharia nicht den Interessen der saudischen Dynastie entsprechen, werden sie ignoriert oder ins Gegenteil verkehrt: so ist nur der sunnitische Kult zugelassen, saudische Schiiten werden unterdrückt, Christen & Juden dürfen ihren Glauben ebenfalls nicht leben ( was der Prophet ganz anders gesehen & praktiziert hat ). Raif Badawi wurde vor Gericht ja auch vorgeworfen, ein »Ungläubiger« zu sein, weil er für alle Bürger die gleichen Persönlichkeitsrechte gefordert hatte. Damit gehen doch die Politiker im Westen d'accord, oder etwa nicht?


Nun aber zur Panoramafreiheit, einem im Vergleich mit dem vorhergehend beschriebenen Sachverhalt sehr viel geringerem Problem:

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Am vergangenen Donnerstag, dem 9. Juli, stimmte das Europäische Parlament über einen Initiativbericht ab, in dem es u.a. auch um die Panoramafreiheit ging ( i.e. das Recht, Bilder von öffentlichen Orten, Gebäuden und Kunst online zu stellen, ohne sich strafbar zu machen).
Ein solcher Initiativbericht stellt eine "Wunschliste" des Europaparlaments an die EU-Kommission dar, die daraufhin ein neues EU- Gesetz vorschlagen wird. Das ist die Form der politischen Willensbildung, die dem Europäischen Parlament gegeben ist, um eine geplante Reform der EU-Gesetzgebung zum Copyright zu beeinflussen. Es handelt sich also nicht um ein Gesetz ( EU - Richtlinie), wie es fälschlicherweise in einigen Blogs hieß! Die Sache ist auch noch nicht in trockenen Tüchern!

Eine gesamteuropäische Regelung wird avisiert und soll Ende des Jahres in Angriff genommen werden, denn die nationalen Regeln sind unterschiedlich: Während in den meisten europäischen Ländern die Panoramafreiheit vorherrscht, gilt sie in Frankreich und Italien noch nicht. Der bisherige Artikel 46 des Ausschussentwurfs hatte eine europaweite Beschränkung vorgeschlagen und so eine netzweite Empörung hervorgerufen, der ich mich als Bloggerin auch angeschlossen hatte.
Mehrere Fraktionen haben allerdings beantragt, diesen Artikel 46 im Entwurf zu streichen, und eine große Mehrheit für die Panoramafreiheit, wie wir sie hier in der Bundesrepublik kennen, bei der Abstimmung gewonnen. 

Ich selbst habe mich für die entsprechenden Newsletter bei einigen EU - Abgeordneten angemeldet, um auch bei diesem Thema auf dem Laufenden zu bleiben...


Nach diesem langen, eher schwer verdaulichen Text - Post kann ich euch heute Nachmittag einen eher bilderlastigen zu "12 von 12" bieten. Ich würde mich freuen, wenn ihr noch einmal vorbeischaut!


11 Kommentare:

  1. Liebe Astrid, gar nicht schwer verdaulich, sondern wieder mal bequem informativ für mich aufbereitet . Danke Dir fürs am-Ball-bleiben und aus- dem-Herzen-sprechen.
    Schönen Sonntag Dir und herzliche Grüße!
    Lisa

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  2. Liebe Astrid,
    da schließe ich mich meiner "Vorrednerin" an, denn auch ich finde Deinen Text nicht schwer verdaulich, sondern sehr sehr informativ. Vor allem weißt Du ja, wie sehr ich es bewundere, dass Du immer so "hartnäckig" an all den Themen bleibst, Die Dich beschäftigten.

    Hab einen schönen Sonntag und ich hoffe, dass es Dir gut geht!

    Herzliche Grüße,
    Pamela

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  3. Hallo Astrid,
    ja, dein Text ist informativ und gut. Und was die Panoramafreiheit betrifft, so hoffe ich, dass sie uns jetzt erhalten bleibt. Man muss wachsam bleiben!
    LG Gea

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  4. WENN DU des erklärst versteh i des wenigstens,,,,
    DANKE dafür... und auf de neichen BUIDLN gfrei i mi schooo
    hob no an feinen TOG
    BUSSALE bis bald de BIRGIT

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  5. Danke für die Infos - weder zu lang noch schwer verdaulich.
    Noch einen schönen Restsonntag
    Lieben Gruß
    Katala

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  6. Ach ja, die Regelmäßigkeit, die ist doch eigentlich dazu da, auch mal locker gesehen zu werden. Ob am Freitag oder am Sonntag, der Post ist hochwillkommen. Es fällt doch immer wieder schwer zu verstehen, was für (oft wirtschaftliche) Interessen dahinter stehen, wenn Staaten einen solchen Unrechtstaat hofieren. LG und bis später, Mila

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    1. Ja, wirtschaftliche Interessen...Heute hörte ich in einer Radiosendung, dass sich die Tourismusbranche hierzulande Sorgen macht, weil die BRD auf einer Halal - Liste für die gut betuchten arabischen Touristen nur einen der hinteren Plätze belegt ( z.B. weil wir keine nach Geschlechtern getrennte Bademöglichkeiten haben ). Solche ...kriecherei bringt mich langsam auf die Palme!
      LG

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    2. Liebe Astrid...du bringst es auf den Punkt...LG Lotta.

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    3. Hier ist ein Link zu dieser Radiosendung:
      http://www.deutschlandfunk.de/weltweites-ranking-halal-tourismus-in-deutschland.886.de.html?dram:article_id=322895

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  7. Wieder gut geschrieben, liebe Astrid, schwer verdaulich ist allein das, was dahinter steckt..., und das verursacht im einen wie im anderen Fall Unwohlsein... 12 von 12, wieder vergessen..., aber einen schönen Garten-Ausruh-Lese-und-Insekten-Guck-Tag haben wir... Nun frischt der Wind auf, was er wohl bringen mag. Lieben Gruß Ghislana

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  8. Nur die Themen sind schwer verdaulich, deine Schreibweise nicht!

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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