Sonntag, 28. Juni 2015

Mein Freund, der Baum: Gingko



Im letzten Monat, dem Mai, fand ich keine Zeit mehr, ein Baumporträt vorzubereiten, weil mein Vater gestorben ist. Bei der Überlegung, welchen Baum ich im Juni ins Auge fassen könnte, erinnerte ich mich, dass er besonders den Gingko ins Herz geschlossen und lauter kleine Setzlinge gezogen hatte. Einer davon landete in einem großen Topf auf der Kölner Terrasse meiner Tochter:


Kaum hatte ich mir diesen Post überlegt, entdeckte ich zwei relativ neue Exemplare auf dem Spielplatz in der Nähe unseres Hauses, doch um einiges größer als das Bäumchen im Topf:



Auf einmal fielen mir unterwegs im Straßenbild immer häufiger junge Gingkobäume auf, und ich erinnerte mich, dass der Vater mir einmal erzählt hat, warum auch er diese Baumsorte vermehrt: 

Der Baum kommt mit dem Klimastress in unseren Städten, hervorgerufen durch die Erderwärmung, recht gut zurecht. Der Stress ist bedingt durch die starken Temperaturschwankungen zwischen heißen Sommern und kalten Wintern, durch erhöhte Durchschnittstemperaturen, längere Trockenphasen und eine höhere Neigung zu Starkregen. 
Und da er ein Baumfreund war, machte er sich Gedanken, durch welche Sorten er seinen Baumbestand aufstocken könnte, um seinen eigenen kleinen Wald für die Nachkommenschaft zu erhalten...

Der Gingko, botanisch gingko biloba, steht heute also in Erinnerung an meinen Vater auf dem Programm ( und wie immer dürft ihr bei mir einige Informationen zu diesem Gewächs erwarten ).

Der Baum wird gerne, ganz plakativ, als “lebendes Fossil” bezeichnet, gibt es die Art doch schon seit ca. 270 Millionen Jahre auf der Erde, stammt also aus dem "Perm" benannten Erdzeitalter, der Zeit der Dinosaurier. 
Zuhause ist der Ginkgo in den Bergwäldern Chinas und gilt entwicklungsgeschichtlich als Nahtstelle zwischen Nadel- und Laubbäumen, gehört also weder zu der einen noch zu der anderen Gruppe. Er ist zweihäusig, i.e. es gibt männliche und weibliche Exemplare.

Die Früchte kommen nicht immer gut an, weil sie, einmal zertreten, einen ekligen Geruch nach Buttersäure verbreiten, was hier in Köln in einer Straße, die zur Gingkoallee ausgebaut worden war, zu heftigen Anwohnerprotesten geführt hat ( Kölner Stadt Anzeiger vom 23. Juni 2015 ). Anderswo gab es ähnliche Probleme, wie diesem Artikel zu entnehmen ist.

Zu uns in Europa fand der Baum im 18. Jahrhundert - wie viele andere Exoten auch- und landete in Parks und Alleen.

Übrigens heißt er im Chinesischen “Gin-kyo”. Als Carl von Linné über den Baum schrieb, unterlief ihm ein Schreibfehler, auf den der heutige Name zurückzuführen ist. 
In China Korea und Japan gilt er als heiliger Baum und wurde oft in der Nähe von Klöstern gepflanzt. Daher nennt man ihn auch Tempelbaum. Dort trifft man auch auf Exemplare, die 4000 Jahre alt sind.

Zum Bekanntheitsgrad und zur Verbreitung des Ginkgos hat der gute alte Herr Goethe beigetragen mit seinem Gedicht "Gingo biloba" aus dem "West-östlichen Diwan". Gewidmet hatte er es Marianne von Willemer. Der Brief mit diesem Gedicht, dem Goethe zwei Ginkgo-Blätter beigelegt hatte, ist heute im Goethe-Museum Düsseldorf zu sehen. In Weimar widmet sich übrigens ein ganzes, privat geführtes Museum dem Gingko.

Zum Start ins dritte Jahrtausend wurde der Baum als Mahnmal für Umweltschutz und Frieden vom »Kuratorium Baum des Jahres« zum Baum des Jahrtausends erkoren. Aufgrund seiner langen Vergangenheit und seiner ihm noch bevorstehenden Zukunft soll er ein Symbol für Stärke und Hoffnung darstellen. 

Die dekorative Form des Blattes forderte durch alle Zeiten dazu heraus, es kunsthandwerklich umzusetzen:

Source

Susanne/Neststern hat das Blattmotiv sogar als Stickdatei digitalisiert und allen zur Verfügung gestellt - Stickmaschinenbesitzerinnen werden dort fündig.



Schaut heute unbedingt auch bei Ghislana/Jahreszeitenbriefe vorbei, die wieder alle Baumfreunde versammelt und ihren 25. Baumpost veröffentlicht hat, zusammen mit vielen guten Gedanken zur Nachhaltigkeit unseres derzeitigen Umganges mit Bäumen!







14 Kommentare:

  1. die blätter v. gingko haben wirklich etwas besonderes, anders als von bäume europ. wälder - schön dein beitrag - auch hier *geerbte* bäume !
    danke für den Tip !

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  2. Ein wunderbarer Post! Meine Tochter hat zur Taufe einen Ginkgo-Baum geschenkt bekommen, der steht nun im Garten. Deinen Beitrag über die Panoramafreiheit habe ich noch bei Instagram gepostet...dort scheint das Thema ja noch nicht wirklich eine Rolle zu spielen...LG Lotta.

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  3. Liebe Astrid,
    Ginkgos faszinieren mich seit Jahren weil sie weder Laub- noch Nadelbäume sind, ihre "Blätter" sind einfach nur schön, dass bereits Goethe ein Fan vom Ginkgo war wusste ich nicht.
    Schön die Idee Deines Vaters einen Ginkgo Wald zu hinterlassen, Du wirst immer an ihn denken wenn Du so einen Baum siehst
    Herzlich Judika

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  4. Umweltschutz, Frieden, Hoffnung,Stärke - wie schön, Dein post heute!
    Vor dem Eingang zu meinem kleinen Praxisraum bei uns im Haus habe ich einen kleinen Ginkgo im Topf stehen, der ist mir jetzt etwas ganz Besonderes :-)
    Mein Vater war jetzt ein paar Tage zur Erholung bei uns, nachdem der die Qualen der Kleinen bei der Chemotherapie täglich mitbekommen hat. Aschfahl ist jetzt leider ein Ausdruck, den ich mit der Gesichtsfarbe bei seiner Ankunft immer in Verbindung bringen werde. Werde jetzt mal kurz zum Ginkgo gehen... liebe Grüße, Petra

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  5. Der Ginkgo gehört zu meinen absoluten Lieblingsbäumen. Auch bei uns habe ich sie in letzter Zeit öfter in der Stadt gesehen. Das schönste Exemplar steht aber auf der Insel Mainau neben Schloss und Kirche.
    Wenn ich mal einen etwas größeren Garten habe (die Hoffnung hege ich noch), dann wird neben einer Ölweide auch ein Ginkgo drin stehen.
    Liebe Grüße
    Andrea
    (PS. auf dem Foto schwimmt der Lockenhund im Mindelsee. Die Badestelle für Menschen liegt sehr versteckt und ist für Hunde verboten. Aber wo ein Wasserhund ist, ist auch ein Weg ;-)

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  6. Meine Schwiegermutter hat mir vor Jahren ein Ginkobäumchen im Topf geschenkt.
    Diesen Winter habe ich es oft vergessen zu giesen (es überwintert immer in der Waschküche), da es mittlerweile ein letzter Überlebender ist ist so einsam da unten fast in Vergessenheit geriet. Mit schrecklich schlechtem Gewissen habe ich es im Frühjahr dann wieder fleißig gegossen und war mir aber sicher, dass es gestorben sei. Und plötzlich zeigten sich doch kleine Blatttriebe...mein Herz klopft wild, wenn ich das schreibe, denn es sieht diesen Sommer hübscher aus denn je, und ich bin gerührt und glücklich darüber ;-)
    Ich finde, Du hast mal wieder einen wunderbaren, auch emotionalen und ebenso lehrreichen Post verfasst für den ich Dir danken möchte.
    Viele liebe Grüße,
    Kerstin

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  7. liebe Astrid,
    das war ein unglaublich schöner Post!
    Vielen Dank für die wunderschönen Bilder und die vielen wertvollen Informationen.
    einen schönen Abend wünsch ich Dir
    liebe Grüße
    Gerti

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  8. Ich mag den Ginkobaum sehr, gut im Herbst etwas weniger ! ;-)
    Obwohl ich dann die Blätter wunderbar finde, ob ihrer kräftigen Gelbfärbung. Der Geruch ist denn auch das einzige Manko an diesem Baum, der hier in Krefeld sehr häufig vorkommt.
    Die Form der Blätter mag ich sehr und habe sie schon oft im Herbst zum Basteln benutzt.
    Hab einen guten Start in die letzte Juniwoche und sei gegrüßt,
    Monika

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  9. Der Ginkgo ist für mich immer wieder ein ganz wundervoller Baum.
    Ich wusste aber nicht, dass er stinkende Früchte hat. Hier in Berlin gibt es auch eine Straße nur mit Ginkgs. Aber hier riecht so einiges, da fallen die Bäume wohl nicht auf.
    Schönen Sonntagabend noch,
    Andrea
    Ach ja, klar fände ich es schön, wenn du deinen post mit mir verlinkst

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  10. Liebe Astrid, ein so schöner Post über diesen Baum und ein bisschen auch über deinen Vater... Gerade gestern habe ich im Karthausgarten in Eisenach von einem Ginkgo heruntergefallene Blätter mitgenommen... (und dort erstmals bewusst einen Glockenbaum blühen sehen..., leider war kein Fotoapparat dabei..., zu spontan kam dieser Spaziergang noch nach unserem Auszeitwochenende). In Weimar gibt's auch eine Straße voller Ginkgos, vermutlich sind sie noch nicht im fruchtenden Alter angekommen... Schön dass du wieder dabei bist bei den Baumfreunden! Lieben Gruß Ghislana

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  11. Was für wunderbare Geschichten. Die über Deinen Vater und sein sorgendes nachhaltiges Tun, dass Du wie einen Gruß erinnerst. Und an seinem kleinen Setzling entspannt sich Dein spannendes Baumportrait. Ich bin ganz gerührt. Und beeindruckt wie immer über Deine sorgfältige und reiche Recherche inclusive wunderbarer Bilder. Danke herzlichst!
    Lisa

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  12. Oh danke, da durfte ich doch gleich mal noch etwas lernen. :-) Ich mag Gingkoblätter auch sehr gerne und sammel ab und an eins auf. In der Nähe meiner Arbeit stehen ganz viele Gingkobäume. Die Früchte sind mir allerdings noch nie unangenehm aufgefallen - woran das liegen mag?! Jetzt werde ich jedes Mal an dich und deinen Vater denken, wenn ich einen Gingkobaum sehe!

    Lieber Gruß
    Steffi

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  13. Liebe Astrid,
    danke für den gelungenen Gingko-Beitrag! Dieser Baum spielt auch in meiner Familie eine gewisse Rolle als Lieblingsbaum meiner Mutter und auch meine Tochter und ich haben diese Vorliebe geerbt. So schnekten wir meiner Mutter zum 50. Geburtstag ein solches Bäumchen. Mittlerweile nach fast 15 Jahren hat es mich überragt. In Nippes gibt es wirklich viele Gingko-Bäume. Einmal ging ich mit meiner Tochter auf Baumsuche (z.B. in der Eisenachstraße). Das müssen wir jetzt in den Ferien mal wiederholen. LG und einen schönen Abend! Olivia

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  14. "Der Ginkgobaum der Weltenbaum" ist was ganz Besonderes.
    Einen tollen Post hast Du geschrieben. Er berührt mein Herz durch Deine persönliche Beziehung durch Deinen Papa. So ein schönes Andenken an ihn, der Baum.
    Herzliches Beileid! Mein Mama starb vor zwei Jahren, meine Stiefmama (sie war genauso lieb wie eine "echte" Mama) vor Kurzem. Dadurch bin ich noch empfindsamer für Deinen Kummer.
    Habt Ihr den vom Papa gepflanzten "eigenen kleinen Wald" noch in Privatbesitz? Könnt Ihr darin gehen?
    So ein Ginkgobäumchen ist auch noch mein Traum für unseren Garten.
    LG lykka

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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