Samstag, 7. März 2015

...und wie steht es um Raif Badawi? VI



Gestern, am Freitag, ist nun in der siebten Woche die Bestrafung des Bloggers Raif Badawi durch öffentliches Auspeitschen ausgesetzt worden - die Gründe sind nach wie vor nicht bekannt.

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Das Augenmerk der deutschen Öffentlichkeit richtet sich seit Tagen auf den Bundeswirtschaftsminister Gabriel, der seit heute an der 19. Sitzung der deutsch-saudischen Wirtschaftskommission in Riad teilnimmt. 

Viele Organisationen wie "Reporter ohne Grenzen" (ROG) und AVAAZ.Org, aber auch die Ehefrau Raif Badawis, Ensaf Haidar, haben Gabriel aufgefordert, sich mit Nachdruck für die bedingungslose Freilassung einzusetzen. 
Angesichts eines drohenden neuen Prozesses gegen Badawi mit der Gefahr eines Todesurteils halten die genannten Organisationen bzw. Personen diplomatische Zurückhaltung für fehlplatziert. Das Strafgericht, welches den neuen Prozess übernommen hat, wird nämlich Anklage wegen „Abfalls vom Glauben“ erheben, was in Saudi Arabien im schlimmsten Fall mit dem Tode bestraft wird. Ein solches "Anti - Terror - Gesetz" hatte das Regime im letzten Jahr in Kraft gesetzt, in dem Atheisten mit Terroristen gleichgesetzt werden.

Mein Mann und ich haben - wie auch andere Blogger - eine persönliche Mail an den Bundeswirtschaftsminister geschrieben und postwendend folgende Antwort des Referates für Bürgerdialog erhalten:
"Wir bedanken uns im Namen von Herrn Minister Gabriel für Ihre Nachricht und das darin von Ihnen mit Nachdruck zur Kenntnis gebrachte Interesse am Schicksal von Raif Badawi:
Wir können Ihnen versichern, dass Herr Minister Gabriel bei seiner in Rede stehenden Reise auch "unbequeme" Themen ansprechen wird und wir bereits im Vorfeld zu dieser Reise die Planung einer geeigneten Aufnahme dieses wichtigen Themas für die kommenden Gespräche mit den offiziellen Vertretern von Saudi Arabien im Auge haben."

Saudi Arabien ist ein Großkunde deutschen Kriegshandwerks. Doch Rüstungslobbyisten sollen bei dieser viertägigen Stippvisite am Golf ausdrücklich nicht dabei sein. Damit hat Gabriel dem Vorwurf, er besuche die Monarchie als Handelsreisender für deutsche Waffenschmieden, den Boden entzogen. In welchem Umfang die deutschen Waffenhersteller dieses Land, das seine Bürger dermaßen unterdrückt, beliefert haben, kann man diesem Spiegel -  Artikel entnehmen.

Amnesty International hat in dieser Woche auch noch einmal ein anderes Spotlight gesetzt und auf einen anderen Aspekt des repressiven Umgang des saudi - arabischen Regimes mit seiner Bevölkerung hingewiesen: 
Allein am Dienstag dieser Woche haben wieder drei öffentliche Hinrichtungen stattgefunden. Damit ist in den ersten Monaten des Jahres bereits eine Zahl ( 38 ) erreicht, die die des Vorjahres um das Dreifache überschritten hat. Das Land steht damit an 4. Stelle der Länder, die die Todesstrafe ausführen.
Amnesty International wirft den westlichen Regierungen vor, den Missbrauch staatlicher Macht in Saudi Arabien nicht offen anzusprechen und das Land wegen seiner politischen Bedeutung zu schonen. Es werde "mit zweierlei Maß gemessen". ( Quelle hier )

Die Netzfrauen sprechen noch einmal - angesichts des Besuches von Gabriel und 140 Vertretern der deutschen Wirtschaft -  die allgemeine Situation der Menschenrechte im Land an, das auf der Rangliste der Pressefreiheit unter 180 Ländern auf dem 164. Platz steht: "Zensur ist alltäglich. Kritik an Religionsführern ist ebenso verboten wie ungenehmigte Berichte über Gerichtsverfahren oder Kritik an der Diskriminierung der Frauen. Hunderttausende Internetseiten sind gesperrt. Verstöße gegen die von der Regierung aufgestellten Regeln werden brachial geahndet." ( Quelle hier )

Alleine durch diese Beispiele wird die Hypokrisie im Umgang mit diesem Verbündeten der westlichen Regierungen überdeutlich, für die ich mich nur noch schämen kann...

7 Kommentare:

  1. Diese alltägliche Zensur ist letztendlich nur ein Ausdruck dafür, wieviel Angst man eigentlich um die eigene Macht hat...widerlich...verachtungswürdig. Wer mit solchen Herrschern Geschäfte macht, ist keinen Deut besser...Ich kann vor allem die nicht vorhandene Meinungsfreiheit so gut nachempfinden...denn sie kommt mir bekannt vor. LG Lotta.

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  2. Liebe Astrid, habe gerade auf einer Autofahrt Deutschlandfunk-Berichte und Interviews gehört, es ist entsetzlich, was um ohnehin fragwürdigen Wirtschaftswachstums willen hingenommen wird. Hatte auch Mail an Gabriel geschrieben und bei Avaaz.org mache ich schon lange verschiedene Kampagnen mit. Die Vorstellung der Wirtschaftsdelegation rund um Gabriel ist widerlich, die Rüstungsindustrie durfte nicht mit, o Wunder, vielleicht hätte er auch ein paar Menschenrechtler mitnehmen sollen. Diese Berechnung, Kalkül gepaart mit Feigheit und Unehrlichkeit ist mir in der Politik so zuwider..., und in den Medien ebenso - wieviel ist da auch hier schon wieder Meinungsmache, Meinungsmanipulation, Lobbyismus, gekauft usw. Lieben Gruß zu dir - Ghislana

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  3. Liebe Astrid!
    Es ist schrecklich: Erst kommt das wirtschaftliche Wachstum, dann lange nichts und irgendwann dann der Mensch! Ein goldenes Kalb in dessen Schatten gemordet, unterdrückt und verboten wird. Traurig! Ein armseliges Bild!
    Ich weiß nicht mehr wer das gesagt hat oder wo ich das gelesen habe: " eigentlich gibt es nur zwei Sorten Menschen: die Anständigen und die Unanständigen"!
    Gros bisou
    Sandra

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  4. Liebe Astrid,
    nur ganz kurz: ich denke schon, dass der öffentliche /weltweite Druck so groß ist, dass "sie" Raif Badawi unmöglich weiter "bestrafen" können. Doch glaubte ich auch nie, dass "sie" ihn so ohne weiteres freilassen würden- denn das hieße, dass die Autorität des Regimes flöten geht... Und nun...? Du schreibst es. Ein neuer Prozess.

    Viele Grüße Antje

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  5. Liebe Astrid,
    ich folge Ensaf Haidar mitlerweile auf Facebook, und so schlimm es ist, zu sehen, dass Ralf wirklich nur die klitzekleine Spitze eines riesigen, schrecklichen Eisbergs ist, so gibt es doch auch gute Nachrichten:
    Unterstützer hatten sich an ein Team von Menschenrechtsanwälten um die Frau von George Clooney, Amal Clooney, in Den Haag mit der Bitte um Unterstützung gewandt, und einer der Anwälte hat Ensaf Haider als Vertreterin ihres Mannes als Mandantin angenommen. Sein Name ist John Jones.
    Und er arbeitet pro bono.
    Das ist umso wichtiger, weil Raifs saudi-arabischer Anwalt Waleed Abu Al-Khair(der auch sein Schwager ist) mittlerweile selbst inhaftiert ist. Auch sein Fall wird von John Jones vertreten.
    Am 1. April wird ausserdem in Deutschland ein Buch über Raif Badawi erscheinen: 1000 Peitschenhiebe. Weil ich sage, was ich denke. Ullstein Streitschrift.
    Hoffen wir mal, dass das alles was bringt und das Gabriel seine Versprechen einhält.
    Herzliche Grüße
    Tina

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  6. ich habe herrn gabriel gestern im radio gehört und war geschockt, dass bei ihm nach wie vor die wirtschaftsdelegation im vordergrund steht. alles weitere will er ja "im hintergrund" abhandeln. das sei aber nichts für die öffentlichkeit...
    danke, dass du uns hier mit so vielen guten links weiter informierst.
    trotz alledem einen guten sonntag, hoffentlich ohne hustentee!
    mano

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  7. und wieder ein danke, liebe astrid, dass du weiter über das schiksal des jungen mannes berichtest. das traurigste daran finde ich, dass herr badawi nur ein einzelfall ist und saudi arabien nur eines von vielen ländern, welche die menschenrechte mit füssen treten... und in der schweiz hat die svp die initiative 'landesrecht vor völkerrecht' lanciert... ich schäme mich!
    ♥ monika

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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