Freitag, 6. März 2015

Heute vor siebzig Jahren



.... am 6. März 1945 nahmen amerikanische Truppen das linksrheinische Köln ein ( die rechtsrheinischen Stadtteile erst zwischen dem 12. und 15. April ). Damit war in Köln die NS-Herrschaft  zwei Monate vor der Kapitulation beendet.

Die Bevölkerung empfand die militärische Niederlage zumeist als Zusammenbruch und fürchtete sich vor einer Bestrafung, zum einen, weil die Propaganda vorher den Durchhaltewillen anzufeuern versuchte durch Heraufbeschwören von "Zwangsarbeit unter Negeraufsicht" und "Prügelstrafe für Frauen". Zum anderen aufgrund des Wissens um die ungeheuerlichen Verbrechen des NS-Regimes: Allein im Januar/Februar  waren noch 1800 Widerstandskämpfer in der Stadt ermordet worden.
Doch bald konnten die Menschen feststellen, dass die Militärs eine Reorganisation ihres alltäglichen Lebens angingen, welches bis dahin nur noch elend & trostlos war.

Source






















Im Oktober 1944 war die Stadt von den Nazis zur "Festungsstadt" erklärt worden & ständiges Ziel von Bombenangriffen.

Ein solcher letzter, schwerer Angriff - der 262. - am Morgen des 2. März bombte die Stadt sturmreif, so dass sie wie ein Skelett aussah, über dem eine gigantische Staubwolke hing. Auch der Dom wurde dabei getroffen und drei Gewölbefelder im Mittelschiff stürzten ab. Von den bis dato verbliebenen 120.000 Menschen in der Stadt flohen zwei Drittel ins Umland. 42.000 Menschen hausten jetzt noch in den Ruinen der Stadt, die bei Kriegsbeginn doch 800.000 Einwohner hatte. Einzig der Dom erhob sich über diesen Ruinen, die sonstige Bebauung war zu 95 Prozent zerstört.

Am 4. März 1945 erreichten dann die ersten amerikanischen Einheiten den Kölner Stadtrand. Die letzten NSDAP - Funktionäre wie der Gauleiter Grohé hatten sich mit einem Motorboot über den Rhein abgesetzt, der Oberbürgermeister sich mit seinen Getreuen durch einen Kanal unter dem Rhein davon gemacht und Pioniere der Waffen-SS hinter den letzten deutschen Einheiten die Hohenzollernbrücke, die letzte noch intakte Brücke, gesprengt. Doch die Nazipropaganda tönte weiterhin deutschlandweit, dass die Kölner jeden Meter und jede Treppenstufe verteidigen würden.

Am nächsten Tag durchdrang die 3. Division des VII. Amerikanischen Korps den kaum existierenden äußeren Verteidigungsring bei Ossendorf. Nur eine Hand voll Soldaten leisteten Widerstand, so dass die Amerikaner bis zu den Ringen gelangen konnten.

Gegen 4 Uhr in der Früh begann an jenem 6. März vor siebzig Jahren der letzte Angriff auf die Innenstadt. Die amerikanischen Soldaten stießen in eine merkwürdig stille und menschenleere Ruinenlandschaft vor. Am Nachmittag erreichten sie nach ein paar Panzerscharmützeln den Dom.  "Köln ist genommen", meldeten die Zeitungen der Alliierten am nächsten Tag.

Die Amerikaner richteten sofort eine Militärverwaltung ein und suchten unbelastete Deutsche, mit denen sich eine zivile Verwaltung aufbauen ließ. Ich habe später bei meinen Forschungen immer wieder feststellen müssen, wie gut vorbereitet die Amerikaner diese Reorganisation angingen ( und mich bei den vielen anderen Kriegen später, sei es in Vietnam, Afghanistan, Irak, gefragt, warum diese Fähigkeit so offensichtlich abhanden gekommen war ). 
Schon zwei Monate später nahm Konrad Adenauer seine Arbeit als Kölner Oberbürgermeister wieder auf ( er war von den Nazis nach der Machtergreifung abgesetzt worden ), und im Frühsommer strömten die evakuierten Kölner in Massen in die Stadt zurück und "eroberten" die Ruinen, so dass Adenauers Idee, die Stadt weiter nördlich ganz neu aufbauen zu lassen, schnell ad absurdum geführt worden war.

Gegen Ende des Jahres lebte fast wieder eine halbe Million Menschen in den Ruinen. Da hatte aber schon die britische Besatzungsmacht die Amerikaner abgelöst, Adenauer wegen Unfähigkeit abgesetzt und einen neuen Oberbürgermeister eingesetzt. Aber das ist dann schon wieder eine andere Geschichte.

Ich möchte heute nur an diesen Tag der Befreiung erinnern, so, wie ich es in den vielen Jahren meiner Tätigkeit als Lehrerin getan habe und mit meinen Schülern Unterrichtsprojekte zum Thema durchgeführt, Ausstellungen organisiert, Hörspiele aufgenommen und die Kinder veranlasst, ihre Großeltern, allesamt Kriegskinder, zum Erzählen zu motivieren. Und ich möchte mein Gefühl der Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, welches ich bis heute gegenüber den amerikanischen Militärs empfinde.  Daran hat meine später oft sehr kritische Haltung gegenüber anderen militärischen Aktionen der Vereinigten Staaten nichts ändern können...










Mein allfreitaglicher Post zu Raif Badawi erscheint aus gegebenem Anlass morgen...

12 Kommentare:

  1. Hast du von Christine Nöstlinger Maikäfer flieg gelesen? Und zwei Wochen im Mai? Es schildert die Wiener Sicht der Dinge ganz gut. Ich habe es vor vielen Jahren auch meiner Oma zu lesen gegeben, da ihre Berichte aus dieser Zeit sehr ähnlich waren. Sie war einige Jahre älter als Christine Nöstlinger und war die letzten Monate zum Reichsarbeitsdienst eingezogen als der Krieg endete. Sie war beim Lager Mauthausen eingeteilt um den Himmel nach Flugzeugen abzuleuchten. Als sehr zögerlich klar wurde, dass der Krieg verloren ist hat sie sich aus der britischen Zone auf den Heimweg gemacht. Unser Gebiet lag in der russischen Zone. Unglaublich viele Leute wollten sie davon abhalten, meinte sie ginge in die falsche Richtung und in den Krieg hinein. Aber sie wollte einfach nur heim.
    In unserer Gegend hat der Krieg ja noch gut zwei Monate länger gedauert. Meine Oma hat sich am 5. Mai auf den Heimweg gemacht, also drei Tage vor der Kapitulation. Rund um Wien habe die Kämpfe sogar noch einige Tage nach der Kapitulation angehalten - einfach weil das nicht alle mitbekommen haben. Unvorstellbar 70 Jahre danach. Wo wir zwei, so weit voneinander entfernt, Nachrichten lesen können.

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    1. Ja, damals, als ich die Nöstlinger für mich entdeckt habe, erinnere mich aber nur noch schwach daran. Das Verrückte ist ja, dass ich das alles gar nicht miterlebt habe. Aber meine ganze Sippe war so kriegstraumatisiert, da hat man das sozusagen mit der Muttermilch aufgenommen. Deine Oma ist dann wohl so alt wie meine Mutter, die übrigens als sog. Vertriebene ein Jahr in Gmünd im Waldviertel untergebracht war, weil sie niemand haben wollte. Von deinen Landsleuten spricht sie aber immer voller Dankbarkeit.
      LG

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  2. Meine Mutter lebte in der Frankfurter Innenstadt, genau am Schaumainkai und war ihrer Mutter als Säugling aus den tausend Decken gerutscht, in denen sie schützen verpackt war, als die Hausbewohner in den Luftschutzkeller gingen. Erst als ein nachfolgender Mann fast auf sie getreten wäre, ist das kleine Bündel aufgefallen. Ihre Mutter dachte noch immer ihr Kind wäre in die Decken gehüllt, bis der Mann mit dem Baby im Keller eintraf. Schauerliche Geschichte.
    Mein Vater konnte die Kriegsjahre in den Bergen Tirols verbringen und bekam von den Bomben wenig mit.
    In den zweiten Welkrieg einzutreten und die Nazis zu besiegen war vermutlich die beste Tat die die Amerikaner je zustande gebracht haben. Kurz danach, mit dem Abwerfen der Atombombe - ich war in Hiroshima in dem Friedensmuseum - sieht das allerdings schon wieder anders aus. Und die krampfhafte Bekämpfung des Kommunismus zu Hause und in der Welt gleicht eher einer Hexenjagd (Arthur Miller), als notwendiger Befreiung.
    Ein toller Post. Vielen Dank dafür!
    Gros bisou
    Sandra

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  3. Hallo Astrid,
    Danke für diesen tollen und nachdenklichen Post!
    Mein Vater wurde mit 15 Jahren von den Nazis zum Kriegsdienst
    einfach abgeholt, für ihn wahrscheinlich ein Glück das er verletzt
    wurde und in französische Gefangenschaft kam. Meine Mutter war
    einige Jahre jünger und hat den Krieg mehr als Kind miterlebt.
    Wobei das auch nicht einfach war, ihr Leben lang hat sie davon geträumt
    wie ihre Schulfreundin bei einem Bobenangriff starb.
    Wuppertal wurde am 15. April 1945 ebenfalls von den Amerikanern befreit.
    Kerstin

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  4. Meine Eltern haben die Amerikaner auch als Befreiung erlebt, obwohl bei meinem Vater waren die Franzosen ;))Mein Papi war Gott sei Dank viel zu jung damals zum Dienen. Schön dass du daran erinnerst! Danke ♥
    Ganz liebe Grüße
    Christel

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  5. Vielen Dank für diesen Bericht. Es geht mir ganz genauso. Ich bin sehr dankbar für die Befreiung und habe doch auch gegen den Vietnamkrieg protestiert, von Bush wollen wir gar nicht reden. Das darf alles nie vergessen werden.
    Ein schönes Wochenende!
    Magdalena

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  6. Danke für deinen interessanten Bericht. Meine Eltern haben das Kriegsende als Kinder erlebt, der Vater tief im Westen, die Mutter weit im Osten. Mit den Geschichten bin ich auch aufgewachsen, sie haben mich mit geprägt.
    Nachdem ich letztens den Film "The Imitation Game" sah, erwachte in mir wieder dieses tiefe Dankbarkeitsgefühl all jenen gegenüber, die die Welt von diesem Grauen befreiten.

    Liebe Grüße
    Andrea

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  7. Liebe Astrid,
    ein wirklich interessanter Bericht. Ich kann mich auch noch daran
    erinnern, als Lüdenscheid besetzt wurde, die ersten Panzer durch
    die Straßen rollten. Man sollte nicht alles verdrängen. Es ist gut,
    wenn man sich manchmal zurückerinnert.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

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  8. gut, dass du auch solche beiträge hier bringst! meine eltern und großeltern lebten damals alle in kassel, das im oktober1943 von der royal airforce in schutt und asche gelegt wurde. kassel wurde von den nazis zur rüstungshochburg aufgebaut und war deswegen eins der fünf wichtigsten ziele der allierten. ich erinnere mich noch gut an die erzählungen meiner großeltern, was für alpträume sich dort während und nach der bombardierung abspielten. diese berichte und das aufwachsen in einer noch lange zeit danach zerstörten stadt hat mich sehr geprägt und ist sicher auch ein grund, dass ich seit meiner jugend überzeugte pazifistin bin.
    liebe grüße, mano

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  9. Du kannst dir denken, dass ich das hier mit sehr persönlichen Empfindungen lese, obwohl meine Eltern nie viel erzählt haben. Heute nehme ich an, dass wir auch zuwenig gefragt haben. Meine Großmutter allerdings war während eines dieser Bombenangriffe in Köln in einem Luftschutzkeller verschüttet worden und dieses Erlebnis hat sie nie wieder losgelassen, auch weil sie durch den Teilverlust ihres Gehörs täglich daran erinnert war. Sie hat es uns oft erzählt, diesen Krach, dieses Eingesperrtsein, die Ängste und die Hoffnung auf Rettung... Lieben Gruß Ghislana

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    1. Ja, das Zuwenigfragen kenne ich nur zu gut. Jetzt weiß ich aber auch, dass ich einfach nicht mehr auf meine jungen Schultern laden konnte, die schon so belastet waren durch das Wissen um Holocaust und Kriegsschuld ( momentan spüre ich das wieder sehr ). Meine Tochter hat da viel unbefangener die Großeltern interviewt.
      Im übrigen bin ich der Ansicht, dass diese Kriegstraumata in irgendeiner Weise immer noch in uns Nachkommen wirken. Verdrängen hilft nicht.
      LG

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  10. Solche Bilder sind immer wieder unfassbar. Man kann sich das einfach nicht vorstellen, sich nicht hineinversetzen. Nürnberg wurde ja auch zu 90% in Schutt und Asche gelegt (in Nürnberg war der schlimmste Angriff Anfang Januar, es war also auch noch eiskalt) und ich frage mich immer wieder, wie man es schafft da anzupacken, Wenn man aus dem Bunker kommt und quasi nichts mehr steht. Neben dem eigenen Gefühl, der Leere, finde ich es erstaunlich da überhaupt einen Anfang zu finden. Nein, man kann es sich nicht vorstellen.
    Schön, dass du daran erinnert hast.
    Liebe Grüße
    Jutta

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