Na, heute geht es um eine Frau, für die ich als kleines Mädchen mit großem Interesse an Tanz & Gesang geschwärmt habe, damals, als sich der mediale Konsum noch auf ein monatliches Kinovergnügen in einem Mehrzweck-Saal der Dorfgaststätte beschränkt hat. Morgen vor 21 Jahren ist sie gestorben: Marika Rökk. Später habe ich mir in einer der Shows, die wir für unsere Eltern zu ihren runden Geburtstagen im Geschwisterkreis inszeniert haben, einen Auftritt mit ihrem "Ich brauche keine Millionen" gegönnt und gemerkt, wie mich diese romantisierend-kitschigen Schlagertexte geprägt haben...
"Ich brauche Menschen, die nicht widerfunkeln,
wenn ich funkle."
"Schau nicht hin, schau nicht her, schau nur grade aus /
Und was dann auch kommt / Mach dir nichts daraus."
Am 3. November 1913 kommt in Kairo Marika Rökk als Marie Karoline Rökk zur Welt. Warum Kairo, wo doch ihre Eltern - Mária Karoline Charlotte Károly und Eduárd Károly Rökk, 27 Jahre alt - ungarische Wurzeln haben? Marikas Mutter kränkelt nach der Geburt ihres ersten Kindes Eduard 1911 ( wie der Vater später auch ein bekannter Fußballsportler ). Sie will einfach nicht mehr richtig auf die Beine kommen, das feuchte Klima, die Wohnumstände tun ein Übriges, so dass ein Arzt dringend einen Klimawechsel vorschlägt.
Das Familiennarrativ, welches Marika selbst 1944 verbreiten wird, lautet, ihr Vater, ein erfolgreicher Athlet, aber auch umtriebiger Unternehmer, habe bei einem Preisausschreiben um architektonische Fragen eine Reise, den Aufenthalt und Arbeitsplatz in Kairo gewonnen. Den kleinen Sohn habe man bei den Großeltern gelassen. Tatsache ist wohl nach ungarischen Unterlagen, dass sich "Ede" Rökk von seinem Regiment, dem 23. Infanterieregiment der Königlich-Ungarischen Armee in Hermannstadt/Siebenbürgen, entfernt und nach Ägypten abgesetzt hat. Belegt ist allerdings auch, dass er sich vor seiner Militärzeit an Architekturwettbewerben beteiligt und dabei dritte Plätze belegt hat.
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1914 kehren die Rökks mit dem Baby weltkriegsbedingt wieder nach Ungarn bzw. Budapest zurück. Das Talent der kleinen Marika entdeckt die namhafte ungarische Schauspielerin Mari Jászai, als das Kind die Bühne bei einem Fünf-Uhr-Tee im Kurort Hévíz erklimmt und tanzt. Ab dem Alter von vier Jahren wird Marika Tanzunterricht bekommen, nachdem die Mutter den Vater davon hat überzeugen können.
Marika bringt alle körperlichen Voraussetzungen für den Tanz mit, verfügt über einen starken Willen und die nötige Disziplin - wenn andere drei Stunden tanzen üben, übt sie fünf. Sie hat nicht nur flinke Beine, sondern auch Ellenbogen, wird immer die Beste sein wollen und lebenslang vor Selbstbewusstsein strotzen.
Eine erste große Rolle kann sie im Operettentheater Budapests von Hanna Honthyübernehmen, die dafür zu alt geworden ist.
1917 gründet der Vater mit zwei Kompagnons in Mátyásföld, einem Stadtviertel von Budapest, eine moderne Landwirtschaftsgesellschaft, die auf gepachtetem Land rationell und intensiv Landwirtschaft betreiben und die Vertretung ausländischer Firmen für landwirtschaftliche Maschinen und Werkzeuge inklusive Reparatur von Produkten derselben übernehmen soll. Aus dieser Firma steigt er 1922 aus, nachdem er schon zwei Jahre zuvor sich in einen Baustoffhandel engagiert hat. Außerdem betreibt er ein Lokal am Haltepunkt einer Bahnlinie im Budapester Stadtteil Sashalom, welches er 1924 schließt, um sich als Manager der Tanzkarriere seiner Tochter zu widmen.
Um die voranzutreiben, übersiedelt man nach Paris, wo die Elfjährige Unterricht bei einer Exilrussin erhält, von der nur der Nachname Rudkowska bekannt und nichts weiteres in Erfahrung zu bringen ist. Ihr Bruder strebt derweil eine Karriere als Leichtathlet, später als Fußballer an. Um den Familienunterhalt zu sichern, tritt das Mädchen mit Dreizehn mit den Hoffman Girls, einem Ensemble von Sängerinnen und Tänzerinnen ähnlich den Tiller Girls, im Pariser "Moulin Rouge" als Tänzerin auf. Als diese Truppe einen Vertrag mit dem "Winter Garden Theatre" in Manhattan bekommt, sind die Rökks dabei, auch bei weiteren Engagements in den Staaten.
Obwohl Marika am Broadway als "Königin der Pirouette" gefeiert wird, bemerkt die ehrgeizige Tänzerin schnell, dass sie im amerikanischen Showgewerbe nur eine unter vielen ist und kehrt 1929 nach Europa zurück, zunächst als Tänzerin beim "Moulin Rouge" und dann als Tänzerin & Sängerin in Revuen in Hamburg, Monte Carlo, Cannes, London und im Berliner "Wintergarten", wo sie als Fünfzehnjährige als Starakrobatin Erfolg hat.
1930 dreht sie in England ihre ersten beiden Filme "Why Sailors Leave Home" und "Kiss Me Sergeant". Beide bringen ihr nicht den erwünschten Durchbruch, und sie kehrt nach Ungarn zurück. Dort wird sie 1932/33 in zwei Produktionen besetzt - "Csokolj meg, edes!/Kiss Me, Darling" und "Kisertetek Vonata/Ghost Train". In letzterem spielt sie die weibliche Hauptrolle und führt eine Gesangs- und Tanzeinlage auf.
Der legendäre Ernst Marischka holt sie schließlich 1934 nach Wien zur Revue "Stern der Manege/Stars of the Circus Ring". In der Show präsentiert sie sich auch auf einem Pferd, turnt auf dem Trapez und zeigt, wie außerordentlich beweglich sie ist. Dort wird der Regisseur Gustav Ucicky und Ernst Hugo Correll, seines Zeichens Produktionsdirektor der Universum Film AG (Ufa), Deutschlands größter Produktionsfirma, auf Marika aufmerksam. Die gertenschlanke junge Frau kann singen, tanzen, steppen, mit großer Energie über die Bühne fegen, aber auch einen Schlafzimmerblick aufsetzen und dabei einen verführerischen Schmollmund machen.
Die Nazis benötigen nach ihrem Machtantritt für die Kinoleinwand neue Gesichter, weil ihnen so manche beim Publikum geschätzte Miminnen ( siehe auch dieser, dieser und dieser Post ) aus bekannten Gründen abhanden gekommen sind und im Exil Karriere zu machen versuchen. Ziel der Ufa ist es, einen neuen deutschen Star zu schaffen, der es mit den größten Musikgöttinnen Hollywoods aufnehmen kann, um die amerikanischen Musicalproduktionen aus den deutschen Kinos zu verdrängen. Marikas Akzent bringt dem deutschen Film eine tolle, da exotische Farbe ein, die über die politische Abgrenzung hinweg Internationalität vortäuschen soll - einen Hauch von Weltoffenheit also.
Die Ufa bietet Marika einen Zwei-Jahres-Vertrag, so dass sie ins Nazi-Deutschland übersiedelt. Ab 1935 wird sie dort in fünfzehn Filmen mitwirken.
Der erste Streich ist der Film "Leichte Kavallerie" nach dem Roman "Unterwegs zur Heimat" von Heinz Lorenz-Lambrecht ( nicht nach der gleichnamigen Operette von Franz von Suppè! ), der im Zirkusmilieu spielt und Marika in der Hauptrolle Gelegenheit für zwei große Tanzszenen bietet. Ihr Partner ist Heinz von Cleve, der "schöne Mann der Ufa".
Der Plan der Filmgesellschaft geht nach und nach auf: Der Film ist der Auftakt für eine Reihe moderner romantischer Märchen, leichter Operetten und glanzvoller Revuestücke, die "die Rökk" letztendlich zu einer der beliebtesten Schauspielerinnen Deutschlands machen. Immer ist sie die selbstbewusste, schlagfertige, energische & unabhängige Frau, woraus ein guter Teil ihrer Attraktivität als Star zu erklären ist. Zum Schluss muss sie aber immer an die Seite eines Mannes, um dem Rollenbild der Zeit zu entsprechen. Eine Domestizierung der Frau à la "DerWiderspenstigen Zähmung" ist ein durchaus häufiger Topos in den Filmen der NS-Zeit.
Marika ist dazu geeignet und besitzt die notwendige Verve, die oft kitschigen Handlungen und klischeehaften Dialoge rüberzubringen, und trägt die glamourös gestaltete Garderobe immer mit Stil.
In der Mitte: "Der Bettelstudent"
Ihr zweiter deutscher Film ist "Heißes Blut", den sie 1936 unter der Regie des Unterhaltungsroutiniers Georg Jacoby dreht. Der Film spielt in der ungarischen Puszta, die in die UFA-Ateliers von Neu-Babelsberg verlegt wird. Als junge Baroness Marika von Körössy gewinnt sie mit ihrem Rassepferd nicht nur Pferdewettbewerbe, sondern erobert auch das Herz des Leutnants Tibor, gespielt von Hans Stüwe.
Mit Johannes Heesters
Im gleichen Jahr folgt eine überaus erfolgreiche Adaption von Karl Millöckers Operette "Der Bettelstudent". Marika zur Seite gestellt wird der ebenfalls erst 1936 zur Ufa gekommene, attraktive niederländische Schauspieler Johannes Heesters - der Beginn einer lukrativen Leinwandpaarung!
1937 folgen gleich drei Produktionen mit der 24jährigen Schauspielerin: "Karussell", "Gasparone" ( erneut mit Johannes Heesters) sowie "Und du mein Schatz fährst mit".
Hat man anfangs ihren Vertrag nicht verlängern wollen, schneidet die Ufa die Filme nun zunehmend auf den weiblichen Jungstar zu. Im deutschen Kino zwischen Unterhaltung & Hetze kommt Marika der erste Teil des Projekts zu, protegiert von Georg Jacoby, mit dem sie im Laufe ihrer Karriere 18 ihrer 32 Filme drehen und den sie 1940 schließlich heiraten wird. Doch trotz des zunehmenden Erfolgs beim Publikum, welches vom tanzenden und singenden Traumpaar Rökk-Heesters nicht genug bekommt, wird sich der Niederländer schließlich später der Ufa verweigern, weitere "Rökk-Filme" zu drehen, weil ihr Name alsbald vor seinem auf den Plakaten aufgeführt ist.
1938 kommt der Musikfilm "Eine Nacht im Mai" in die deutschen Lichtspielhäuser, in dem Viktor Staal die männliche Hauptrolle spielt. 1939 tritt sie in "Es war eine rauschende Ballnacht", ein Filmmelodram von Carl Froelich rund um den Komponisten Peter Tschaikowsky, mit dem anderen Ufa - Star Zarah Leander auf, mit der sie konkurriert, wird diese doch bei der Ufa als die Nummer eins behandelt. "Die Rökk" gilt in der Traumfabrik des Dritten Reichs ohnehin als "Kolleginnen-Fresserin".
Links Zarah Leander mit Hans Stüwe, rechts dieser mit Marika Rökk
"Hallo, Janine", ebenfalls von1939, ist der Film, bei dem Marika ihren Partner Heesters vom 1. Platz auf dem Plakat verdrängt hat. Ihre Tagesgage liegt nun bei 1000 Reichsmark. Die heimischen Kritiker schwärmen:
"Etwas hat sie dabei der amerikanischen Konkurrenz voraus: den burschikosen Schalk im Nacken, den sprudelnden Charme und nicht zu vergessen: Paprika im Blut."
Der Rücktritt Heesters scheint die Produktionsfirma nur wenig zu geschmerzt zu haben, denn Propagandaminister Goebbels ist entschlossen, die junge Darstellerin zum absoluten Star des Musik- und Revuefilms zu machen, wenn nötig auch mit wechselnden Filmpartnern.
Goebbels über die NS-Filmpropaganda: "Der Film ist das beste Propagandamittel, durch das große Volksmassen beeinflußt werden können." Und: "Die gute Laune ist eine der wichtigsten Kriegsartikel. Unter Umständen ist er kriegsentscheidend." Direkte Propaganda hält Goebbels allerdings für wenig effektiv. Stattdessen nutzt er das positive Image der Schauspielerin, um einerseits vom Kriegsalltag abzulenken, aber auch um weiterhin nationalsozialistische Wertvorstellungen zum Frauenbild, zur Familie und zum Muttersein zu übermitteln.
Marika Rökk und die Nazi - Größen - ein Kapitel, das ich an dieser Stelle aufschlagen muss: Sie arrangiert sich recht offen mit den nationalsozialistischen Machthabern, duzt den Reichsfilmintendanten und SS-Führer Hans Hinkel und bewundert Adolf Hitler, wie aus einem Brief an den Diktator hervorgeht:
Zigarettenbildchen jener Zeit
"Wenn ich Sie, mein Führer, für ein paar Augenblicke erheitern und von Ihrer verantwortungsvollen Arbeit ein wenig ablenken konnte, so bin ich darüber unendlich stolz und glücklich."
Hitler ist entzückt von der temperamentvollen Tänzerin & Sängerin ( "meine kleine Ungarin" ), schickt ihr Blumen, lädt sie zu Empfängen ein. Eine Erinnerungsepisode, von ihr erzählt:
"Zu mir sagte er: 'Was, kleine Frau, können Sie eigentlich nicht?' Ich platzte heraus: 'Deutsch, Herr Hitler!' Alle lachten, er am lautesten. 'Was glauben Sie, wie viele Deutsche kein richtiges Deutsch können?', fragte er. Dann ging er."
Marika und ihr späterer Mann profitieren davon, dass der jüdische Filmproduzent und Regisseur Alfred Zeisler - ein ausgesprochener Förderer der jungen Schauspielerin - mit seiner Ehefrau 1937 vor einer drohenden Verhaftung gewarnt, seine Villa Hals über Kopf verlassen muss, um sich ins Ausland abzusetzen. Das von den Nationalsozialisten beschlagnahmte Anwesen in der Domstraße 28/30 in Potsdam-Babelsberg wird "arisiert" und geht nun an die junge Schauspielerin über, die dort einzieht. Jacoby hat darin zuvor schon als Untermieter von Zeisler gewohnt.
Nach der Wende und mit dem "Einigungsvertrag" wird Marika Rökk einen Anwalt einschalten, um zu verhindern, dass die Villa der "Jewish Claims Conference" zugesprochen wird. Die Rückgabeansprüche der Nachfahren von Zeisler werden ebenfalls abgewiesen. Zeisler wird noch vor seinem Tod bekunden, dass er nie einen Pfennig für sein Haus gesehen hat. Die Erben der Schauspielerin können es, einst auf einen Wert von 3,5 Millionen Mark geschätzt, 2005 zu ihren Gunsten verkaufen.
Noch 1944 landet Marika auf der Gottbegnadeten-Liste des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, mit der Künstler, die dem Regime wichtig sind, von diesem unter besonderen Schutz gestellt werden. Ein etwas anderes Licht wirft auf die Actrice, dass sie die erste Frau ihres Mannes ( bis 1930 ), die jüdische Schauspielerin Edith Meller, mit ihm zusammen versteckt, um sie vor der Deportation zu bewahren. Edith Meller gelangt so in die Vereinigten Staaten und überlebt.
Zurück zum Film: Immer wieder verkörpert Marika dort das zunächst verkannte Talent, das sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzt und am Ende in einem großen Finale auf der Bühne triumphiert. Ihre Filme sind Musterbeispiele des eskapistischen Kinos und erreichen ihren Höhepunkt im Verlauf des Zweiten Weltkriegs, als sie dem Publikum kurze Atempausen und Zugang zu einer unbeschwerten Welt ermöglichen, in der Politik keine Rolle spielt. Eineinhalb Kinostunden darf sich das deutsche Publikum im Glauben wiegen, es würde irgendwann zwischen Bombennächten und Terror ein Wunder geschehen.
Ein sinnbildlicher Film für den Notstand des deutschen Kinos an kreativem Potenzial ist der Film "Kora Terry" von 1940. Erneut eine Geschichte im Varieté-Milieu, und auch hier ist Marika der Star, der niemanden neben sich zu dulden scheint, denn sie spielt in einer Doppelrolle mit sich selbst zwei Zwillingsschwestern. Zum einen gibt sie das liebe Mädel, zum anderen die teuflische Verführerin. Der Film kann auch gut & gerne als Gleichnis für die verdeckte Frivolität und dem nur nach außen vorgegaukelten Spießbürgertum des nationalsozialistischen Deutschlands gelesen werden.
1941 gibt ihr Joseph Goebbels die Hauptrolle in seinem Prestigeprojekt, dem ersten Agfacolor-Film namens "Frauen sind doch bessere Diplomaten" unter der Regie des ihr inzwischen angetrauten Georg Jacoby, nun mit Willy Fritsch als Partner.
Der Revuefilm gehört zu einem der populärsten Genres der Zeit. Noch acht Monate vor Kriegsende spielt die inzwischen Dreißigjährige in "Die Frau meiner Träume" eine Figur, die sich in verschiedenen Milieus gegen schwierige Umstände behaupten muss und unterstützt so moralisch die kriegsverzagte Öffentlichkeit, die den Wahnsinn des Kriegs weiter mittragen soll. Es wird ihr letzter Film unter den Nazis, ein witziges Singspiel, das bis heute den Rekord als Deutschlands umsatzstärkstes Musical hält.
Die Jacobys als frisch gebackene Eltern
Gemeinsam mit ihrer Tochter Gabriele, genannt Gaby, die am 13. April 1944 geboren worden ist, geht sie im gleichen Jahr nach Österreich. Dort, nach dem Ende des Krieges, wird ihr wegen ihres Mitwirkens in den NS-Propagandafilmen und angeblicher Spionage zunächst ein Auftrittsverbot erteilt, sie darf dann aber 1948 – nach Rehabilitierung bzw. Abwehr der Verdächtigungen der Nazi-Mitarbeit – in dem Revuefilm "Fregola" schon wieder mit Rudolf Prack flirten. Als wäre nichts gewesen, springt die vielfach eingeübte, nun bonbonbunte Unterhaltungswelt wieder an, damit ja ordentlich alles verdrängt werden kann. Einst die "ungarische Stimmungshaubitze" der Nazis, versprüht sie jetzt weiterhin verschwenderisch gute Laune in Richtung Wirtschaftswunderwelt.
Ihr Mann muss noch bis 1950 auf seine Arbeitserlaubnis warten. Doch dann initiiert er nach dem bewährten Rezept ihrer Ufa-Filmerfolge weiter Filme, in denen bald auch wieder ihr Traumpartner Johannes Heesters ihr zur Seite steht, und mit denen an ihre alten Erfolge angeknüpft werden soll. "Kind der Donau", der erste österreichische Farbfilm wird unter russischer Besatzung gedreht - mit einem gewissen sozialistischen Touch. Es folgt 1951 die "Die Csardasfürstin", frei nach der Operette von Emmerich Kálmán. Die Außenaufnahmen entstehen jetzt aber außerhalb von Studios in Taormina, Rom und Paris. Für den "Spiegel" ist die Neuverfilmung ein "Atelierausflug ins agfacolorierte Ungarland". Das deutschsprachige Publikum drängt an die Kinokassen.
Zwar großer Publikumsliebling- an ihre Glanzzeit des Ufa-Kinos kann sie nicht mehr anknüpfen. Sie wirbelt zwar noch in zehn weiteren Filmen mit ihren Beinen und kann 1959 noch einen letzten Film mit ihrem Mann, "Die Nacht vor der Premiere", drehen.
Jacoby stirbt 1964 mit 81 Jahren in München. Da hat "die Rökk" sich, schon fern von ihm mit dem Pianisten Theo Neuhaus lebend, eine Bühnenkarriere in Wien, Hamburg, München und vor allem Berlin in Revuen und Musicals aufgebaut. Die Tochter ist unterdessen bei den Großeltern, vor allem der Großmutter, die sie als Mama bezeichnet, aufgewachsen. Mit der ebenso starken Persönlichkeit von Gabriele kann die Mutter wenig anfangen, und Familie beschränkt sich auf ein, zwei Besuche im Monat und gemeinsame Weihnachten.
Besonders in der Titelrolle des Musicals "Hello, Dolly!" (1968) und in der Komödie "Die Gräfin vom Naschmarkt" (1978) feiert sie Erfolge. Komödien, die nur wenig Zeit zum Tanzen einräumen, aber umso mehr Klamauk bieten, etwa "Mein Mann das Wirtschaftswunder" (1961) mit Heinz Erhardt und ihr bis dahin vorerst letzter Film "Hochzeitsnacht im Paradies" (1962) an der Seite von Peter Alexander sind eher Karikaturen ihres Leinwand-Images, denn sie gibt darin die hysterisch schreiende, intrigante Operetten-Diva.
Mit Fred Raul
1968 heiratet sie erneut, nun den Schauspieler Fred Raul, mit dem sie bereits in den Jacoby-Filmen "Nachts im Grünen Kakadu" (1957) und dem Revuefilm "Bühne frei für Marika" (1958) vor der Kamera gestanden hat und der sie fürderhin auch managen wird. Durch Übertragung einiger ihrer Bühnenauftritte im Fernsehen bleibt sie dem Wohnzimmerpublikum nachhaltig in Erinnerung.
Präsent ist sie im deutschen Fernsehen auch durch ihre Werbespots für die Gesichtspflege-Marke "Hormocenta", der man auch in allen Printmedien damals in den 1960er Jahren nicht entgehen kann. 1970 bekommt sie, nunmehr 53 Jahre alt, beim Zweiten Deutschen Fernsehen eine eigene Show: "Eine Frau in unseren Träumen". Weitere Showauftritte folgen, auch ein Auftritt in der Serie "Die Schöngrubers".
Schon 1948 hat sie ihren ersten Bambi erhalten - vier weitere werden bis folgen-, den Deutschen Filmpreis: Filmband in Gold, den Bayerischen Filmpreis, die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold. Mitte der 1980er Jahre tritt sie kürzer, um bei ihrem Mann zu bleiben, der 1985 stirbt.
Der Regisseur Peter Schamoni kann sie 1987 zu einem letzten Filmauftritt engagieren. Der Film "Schloss Königswald" ist eine Hommage an alte deutsche Kinostars wie Carola Höhn, Marianne Hoppe,Camilla Horn und eben Marika Rökk, nach einem Roman von Horst Bienek. Er schildert, wie acht adelige alte Damen auf einem Schloss in Böhmen das Ende des Zweiten Weltkriegs erwarten. "Die Rökk" ist natürlich ein einen Revuestar, der auch im Alter von 74 Jahren immer noch nicht vor flotten Tanzschritten und Salti zurückschreckt ( ganz am Ende des Trailers zu sehen ):
"… es ist kein Geheimnis, daß […] sich [Marika Rökk] neben den anderen berühmten Kinodamen sozusagen im Freistil, mit Ellenbogen und Tanzbeinen, nach vorn gekämpft hat, kein leichter Stand für Regisseur und ‚Ringrichter‘ Peter Schamoni", schreibt Elvira Reitze in ihrer Biografie der Künstlerin.
1992 kehrt sie anlässlich des 110. Geburtstages von Emmerich Kálmán auf die Bühne in ihrer Heimatstadt Budapest als Gräfin Mariza zurück– eine Rolle, die sie im Lauf ihrer Karriere über 700 Mal verkörpert hat. Ihren letzten Fernsehauftritt hat sie 1998, als sie bereits 85 Jahre alt ist.
Die folgenden Lebensjahre verbringt die Künstlerin zurückgezogen in ihrer Villa in Baden bei Wien. Dort feiert sie am 3. November 2003 auch ihren 90. Geburtstag im Kreise ihrer Familie. Nur ein halbes Jahr später, am 16. Mai 2004 ereilt sie ein Herzinfarkt. Ihre letzte Ruhe findet sie auf dem Helenenfriedhof in Baden.
"Ich bin immer mit der Zeit mitgegangen", wiederholt sie über die Jahrzehnte. Und: Sie sei schließlich immer ganz unpolitisch ( "Ich wähle nie." ) gewesen und habe sich immer nur um ihre Kunst gekümmert. Goebbels habe sie nicht leiden können, weil er sie unterm Tisch ans Knie gefasst hat.
Das bleibt, fast mantramäßig aufgesagt, bis in spätere bundesrepublikanische Zeiten so. Dass sie so gar keine Spur von Selbstkritik zeigt, macht sie mir eher unsympathisch und beeinträchtigt meine wohlwollende Haltung gegenüber der Frau, die mir als Kind und weit darüberhinaus mit ihren Auftritten & Schlagern "eine Insel aus Träumen geboren" ( der Hawaii-Schlager des Jahres 1938, aus Rökks Film "Eine Nacht im Mai" ) verschafft hat. Eine Wertschätzung mit einer gewissen Ambivalenz also...
Auch heute möchte ich euch wieder auf Frauen verweisen,