Donnerstag, 16. November 2017

Great Women # 121: Georgia O'Keeffe


Ich habe an dieser Stelle ja wiederholt davon berichtet, dass meine Kenntnis von Künstlerinnen auf einer regelmäßigen Rubrik des Kunsthistorikers Gottfried Sello in den 1960er Jahren beruht, die dieser in der Zeitschrift "Brigitte" bestritt. Was die Malerin anbelangt, um die es mir heute geht, hatte er ein Bild ausgewählt, das mich damals in keinster Weise angesprochen hatte. So geriet ihr Name ganz weit hinten in die Ablage meines Gedächtnisses.  
Wie elektrisiert reagierte ich allerdings, als der Verlag "Zweitausendeins", der ab den 1970er Jahren mit preisreduzierten Restauflagen oder Nachdrucken vergriffener Bücher den kulturellen Horizont der Republik erweiterte, das Buch "One Hundred Flowers" anbot: Die Malereien von Blüten in Makromanier waren einfach stupend! Bis heute liegt die Miniausgabe des Buches auf meinem Nachtisch und erfreut mich bei Bedarf. So habe ich ein zweites Mal Bekanntschaft mit Georgia O'Keeffe gemacht, deren 130. Geburtstag gestern begangen werden konnte.


Georgia Totto O’Keeffe kommt als erste Tochter und zweites von sieben Kindern ihrer Eltern Francis Calyxtus und Ida Totto O’Keeffe am 15. November 1887 in Sun Prairie, Dane County im mittleren Süden Wisconsins zur Welt. Der Vater ist irischer Abstammung, die Familie mütterlicherseits geht zurück auf den ungarischen Grafen George Victor Totto, der 1848 in die Vereinigten Staaten gekommen ist. 

1903
Die Familie lebt in der Nähe der Stadt auf einer Farm mit Milchwirtschaft. Georgia besucht die Town Hall School von Sun Prairie und verfolgt schon sehr früh energisch ihr Ziel, Malerin zu werden. Deshalb erhält sie schon bald, unterstützt von ihrer Mutter, Unterricht von der Aquarellistin Sara Mann in der Stadt. Mit ungefähr vierzehn Jahren wechselt sie in das Internat der Sacred Heart Academy, einer Klosterschule in Madison, Wisconsin, wo sie von einer Nonne in ihrer Kunstausbildung gefördert wird. Als die Eltern 1902 die Farm verkaufen und nach Williamsburg in Virginia umsiedeln, bleibt Georgia erst einmal bei einer Tante zurück und wechselt auf die Madison High School, stößt aber im Jahr darauf wieder zur Familie und beendet ihre schulische Ausbildung am Chatham Episcopal Institute in der gleichnamigen Stadt in Virginia 1905. Sie ist dort für die Gestaltung des Jahrbuchs verantwortlich.

Mit achtzehn Jahren verlässt sie die Prärie - "Meine erste Erinnerung ist die Helligkeit des Lichts - rundherum Licht" - zum Kunststudium am Art Institute of Chicago, muss den Aufenthalt dort aber im Sommer wegen einer Typhuserkrankung 1906 abbrechen und zur Familie zurückkehren. Ab 1907 setzt sie das Studium an der Art Students League in New York fort. Unter der Leitung von u.a. William Merritt Chase lernt sie die Techniken der traditionellen realistischen Malerei.

Source
Dort malt auch Eugene Speicher 1908 das Porträt links von Georgia.

Obwohl sie mit ihrem Ölgemälde "Dead Rabbit with Copper Pot" beeindruckt und den William-Merritt-Chase-Preis erhält, welcher mit einem Sommerkurs am Lake George dotiert ist, fehlt ihr das nötige Selbstbewusstsein für eine weitere künstlerische Karriere. Die Bekanntschaft mit den avantgardistischen Kunstwerken europäischer Künstler in der New Yorker Galerie 291 des Fotografen Alfred Stieglitz, bei dem sie mit Zeichnungen von August Rodin konfrontiert worden ist, verunsichert sie, ob sie auf dem richtigen Weg ist. Sie beschließt, auch weil die Familie nicht mehr in der Lage ist, das Studium zu finanzieren, als kommerzielle Illustratorin & Werbegrafikerin in den nächsten zwei Jahren zu arbeiten. Wieder wird sie allerdings durch Krankheit ( Masern, die ein Augenleiden hervorrufen ) an ihrer Arbeit gehindert, so dass sie 1910 in den Schoß der Familie flieht.

 Untitled
(Die Rotunde an der Universität von Virginia)
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Zwischen 1911 und 1918 ist sie dann sieben Jahre als Lehrerin in Virginia, Texas und South Carolina tätig. Während dieser Zeit studiert sie weiterhin Kunst an Sommerakademien und macht Bekanntschaft als Assistentin an der University von Virginia mit den Grundsätzen des Philosophen Arthur Wesley Dow, der eine ästhetische Richtung, basierend auf japanischen & chinesischen Kunstwerken, vertritt und mit seiner flächigen Anordnung von vereinfachten, organischen Formen dem Art Nouveau sehr nahe kommt. Schließlich wird sie für ein Jahr Dows Schülerin. Ziel ihrer Ausbildung dort: Kompositorische Harmonie durch Nachahmung der Natur - eine Offenbarung für Georgia!

Doch 1915 gerät sie wieder in eine Schaffenskrise, als sie isoliert von einem geliebten Studienkollegen und ihren Freunden in New York in Columbia ( South Carolina ) als Lehrerin arbeitet. Sie stellt wieder alles bisher Geschaffene in Frage und wendet sich Zeichnungen mit Kohlestiften zu. Ihre Freundin Anita Pollitzer, der sie diese zu Weihnachten geschickt hat, bringt die Zeichnungen zu Stieglitz, der begeistert ist und sie im Rahmen einer Gruppenausstellung im Frühjahr 1916 zeigt. Das bedeutet den Durchbruch für Georgia. Stieglitz rät ihr allerdings, weiter beim Schwarz-Weiß zu bleiben...

"Light Coming on the Plains II" (1917)
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Nach dieser ersten Begegnung mit dem bekannten Fotografen & Galeristen tritt sie im September eine weitere Stelle als Dozentin an der West Texas Normal School in Canyon an.

Die endlose Weite der Landschaft berührt sie, und der spezifische Charakter des Lichts  & die Tatsache, dass der Himmel die Horizontale der Topographie dominiert, faszinieren sie. Es entsteht eine Serie von Darstellungen, in der sie die emotionalen Eindrücke in farbigen Aquarellen festzuhalten versucht.

Trotz ihrer großen Liebe zu dieser Landschaft verspürt Georgia aber auch die große Anziehungskraft, die von Alfred Stieglitz ausgeht, von dem sie außerdem Anerkennung und eine weitere Ausstellung erhofft. Im April 1917 reicht der tatsächlich zwei ihrer Arbeiten für die Ausstellung der "Society of Independent Artists" ein. Außerdem richtet er eine Einzelausstellung für sie aus, die allerdings wegen des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg nur drei Tage nach Eröffnung bereits wieder geschlossen wird.

Sie selbst stellt sich dem Fotografen auch zum ersten Mal als Modell zur Verfügung, kehrt aber nach Texas zurück. 1918 erkrankt sie wieder, wird vom Schuldienst frei gestellt und flüchtet in das Haus eines Freundes in Texas. Doch Stieglitz bittet sie in einem längeren Briefwechsel, nach New York zu kommen und schickt den Kollegen Paul Strand, um sie abzuholen. Es beginnt eine intensive Liebesbeziehung, die die persönlich wichtigste im Leben der Georgia O'Keeffe sein wird.

Als Georgia 1918 nach New York kommt, zieht sie erst einmal in das Atelier von Stieglitz' Nichte Elizabeth im obersten Stockwerk eines Sandsteingebäudes der 59. Straße. Noch viele Jahre später ruft sie sich das Domizil als Symbol für die schöpferische Euphorie, die sie damals empfunden hat, mit großer Zärtlichkeit in Erinnerung:
"Das Atelier war hell, denn ein Dachfenster ging nach Norden, zwei Fenster nach Süden. Elizabeth hatte die Wände in einem zarten Zitronengelb gestrichen. Der Fußboden war orangerot - kein zum Malen besonders geeigneter Ort, aber es war aufregend. Ich fühlte mich dort wohl, und es gefiel mir."
(1918)
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Das Atelier spiegelt die ganze Komplexität ihres Seelenzustandes damals wieder.

Der Ort hilft ihr, sehr schnell zu sich selbst zu kommen, und sie wird Stieglitz's Muse. Der hat sich - als Zwilling geboren - immer nach einem solchen gesehnt und nun endlich in Georgia gefunden. Er nimmt mehr als 350 Porträts ( sein Lebenswerk, um die "Natur der Frau" zu erkunden ) von ihr auf, darunter dieses links hier auf der Seite.
"Georgia und Alfred wurden ein Paar. Ihre Verbindung basierte abgesehen von einer erotischen Anziehung auch auf dem gegenseitigen Respekt vor der schöpferischen Begabung des anderen. Sie sahen sich beide als Dienende des Imperativs, Gefühltes ins Bild zu übersetzen. Er freute sich an ihrer Schönheit und bewunderte ihre Klarheit und ihre ausserordentlich geradlinige Lebenshaltung. Die 23 Jahre jüngere Georgia verliebte sich in den charismatischen Alfred mit seiner generösen Begeisterungsfähigkeit und liess sich von seiner farbigen Lebensintensität mitreissen. Die gegenseitige Unterstützung ihrer künstlerischen Arbeit blieb lange Zeit konstant und enthusiastisch. Sie inspirierten einander und spornten sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Ihre Ehe machte amerikanische Kunstgeschichte," so Kathrin Wiederkehr über diese Ehe an dieser Stelle.
Stieglitz ( 1902 )
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Der radikale Wandel in Georgias Leben kommt nicht nur dadurch zustande, dass sie bald mit Stieglitz zusammenlebt ( der hat sich 1918 scheiden lassen ) und er sie finanziell unterstützt, so dass sie sich auf ihre Kunst konzentrieren kann ( der Vater ist Ende 1918 gestorben ), sondern durch die Tatsache, dass sie sich voll & ganz auf sein künstlerisches Universum einlässt. Das ist geprägt durch die Kunst der europäischen Moderne und all den amerikanischen Künstlern, die sich dieser Ästhetik angeschlossen haben. Stieglitz ist auch ein überzeugter Verfechter der Fotografie als künstlerisches Medium.
Georgia wir ihr Leben lang die Pflege der sozialen Kontakte zu Künstlern & Fotografen obliegen, und die Hängung der Ausstellungen in den diversen Galerien ihres Gefährten. Sie selbst gerät dadurch ins Zentrum der New Yorker Avantgarde, was sie lange stimulierend findet ( später wird sie sich durch die endlosen Debatten erstickt fühlen ).

"Music in pink and blue II" (1918)
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Bald nach 1918 beginnt sie hauptsächlich in Öl zu arbeiten und sich weg von den Aquarellen zu bewegen, die sie bislang bevorzugt hat. Letztere sind dynamische Abstraktionen und gehören zu den innovativsten Arbeiten der Georgia O'Keeffe ( und für mich persönlich die anregendsten ihrer Werke ). Mitte der 1920er Jahre beginnt sie mit großformatigen Gemälden von Naturformen wie durch ein Makroobjektiv betrachtet. Im Jahr 1924 malt sie ihr erstes großformatiges Blumengemälde "Petunia, No. 2" das im Jahr 1925 erstmals ausgestellt wird.

Es gibt Serien, in denen sie sich malend einem Motiv in gestochem scharfen Realismus nähert ( wie bei den Makroaufnahmen ihrer Freunde Paul Strand oder Edward Steichen ) und nach und nach völlig abstrahiert, wie bei der "Jack-in-the-Pulpit" -Reihe. Die Blumenbilder vereinen in sich Monumentalität und Intimität, und Georgia verschafft dem Unscheinbaren große Aufmerksamkeit. Das zeigen auch die Reaktionen der New Yorker auf ihre Bilder.

"Jack-in-the-pulpit IV" (1930)
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Die sexuell aufgeladene Interpretation ihrer Bilder hat aber nachhaltig einzig & allein ihr Ehemann zu verantworten: Ganz dem Zeitgeist folgend, hat der bei der ersten Präsentation auf die "psychoanalytische Dimension", die spezifisch "weiblichen Formen" hingewiesen und den Versuchen seiner Frau, sich der Abstraktion zu nähern, eine "freudianische" Interpretation angehängt - Zeit ihres Schaffens kann Georgia diese Lesart nicht abschütteln, obwohl sie sie nicht teilt.

Ihren Ruf als "geschlechtsspezifische" Künstlerin wird sie auch nicht los, dabei geht es ihr als Malerin und Mensch einzig um die Bejahung des Lebens. Sie wird bis zu ihrem Lebensende lang betonen, dass sie beim Malen der Nahansichten von Blumen nichts anderes tut, als die Nahansicht von Blumen zu malen und versucht, die Blumen vom zwanghaften Kultursymbolismus zu befreien, dem sie immer unterworfen werden. Wenn man sich mit Georgia O'Keeffe auseinandersetzt, wird auch ihre radikale Geste der Ablehnung der antihumanistischen Werte spürbar, die in jenen Zwanziger, Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts weltweit um sich greifen und die Gesellschaften auf Dauer vergiften...

"City Night" (1926)
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Auffallend an all ihren Gemälden, auch wenn Stadtansichten - ab 1925 wohnen sie im 30. Stock des Midtown Manhattan Hotels, was Georgia begeistert - oder Landschaften das Thema sind, ist die gleichmäßige Helligkeit, die Form und Kontur betont, ohne jedoch einen Hinweis auf die Lichtquelle oder die Atmosphäre zu geben. Es ist ein indirektes, gleichmäßiges Licht, das man auch als inneres Leuchten empfinden kann.

Mitte der 1920er Jahre wird Georgia zu einer der bekanntesten amerikanischen Künstlerinnen und ihre Arbeiten erzielen hohe Preise. 1928 erhält Stieglitz ein Angebot für ihre sechsteilige Calla - Serie, welches das höchste ist, das bis dato für einen lebenden amerikanischen Künstler gezahlt worden ist ( 25.000 Dollar ). Es heißt, der Galerist treibe die Preise deshalb in die Höhe, weil er eigentlich keines ihrer Bilder weggeben mag.

In der Zwischenzeit gerät die persönliche Beziehung hingegen immer mehr in die Krise:

Georgia ist schon von Anbeginn der Beziehung enttäuscht, weil Stieglitz ihrem Kinderwunsch nicht nachkommen mag ( er hat eine Tochter, die an Schizophrenie erkrankt ist und fürchtet, dass das vererbbar ist ). Sie kann aber, gefühlspragmatisch wie sie ist, mit seiner Begeisterung für Frauen leben und seine ständige Flirterei als sein Lebenselixier akzeptieren, denn lange Zeit bedroht das den Kern ihrer Beziehung nicht. Eher selbstgenügsam, bündelt sie ihre Energien, um sich ganz auf ihr Werk zu konzentrieren.

1924 haben sie geheiratet. Im gleichen Jahr lernt der sechzigjährige Stieglitz die zwanzigjährige Dorothy Norman, Gattin eines reichen Mannes, kennen, die sich mit dem unerfahrenen Enthusiasmus der Jugend in eine Affäre mit ihm stürzt und sich bald in seiner Galerie unentbehrlich macht. Stieglitz lässt sich mehr und mehr darauf ein, ist sogar empört darüber, dass seine Frau Norman kühl behandelt. Doch die sich über Jahre hinziehende Liaison demütigt Georgia und beraubt sie der Unterstützung, die Stieglitz vorher hat nur ihr zukommen lassen.

"Barns with Snow" (1933)
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Doch angesprochen wird diese ernste Lage zwischen den Partnern nicht.

Stattdessen hat Georgia nun keine Lust mehr auf die langen jährlichen Sommerurlaube im großen, temperamentvollen Stieglitz - Clan auf dem Familiensitz am Lake George im Norden des US-Bundesstaats New York, wo sie sich sonst oft von April bis November zum ersten Schnee aufgehalten hat. Stieglitz fühlt sich in dieser Aufteilung ihres Lebensrhythmus im Jahreslauf wohl, während er für die Malerin mit der Zeit immer weniger stimmt. Außerdem benötigt sie mehr schöpferische Einsamkeit, während er auch am Lake George seinen Hang zur Geselligkeit auslebt.

Deshalb nimmt sie 1929 gerne die Einladung von Mabel Dodge Luhan nach Taos in New Mexico an - der Ort, der ihre Arbeit für immer beeinflussen und schließlich ihr Zuhause wird. Sie entdeckt mit ihrer Freundin Rebecca Strand die Landschaft in New Mexico aufs Neue, die ihrem Wesen so viel mehr gemäß ist, und beginnt, ihre menschenleeren Naturbilder zu malen.

Georgia macht den Führerschein, erwirbt ein Auto und erkundet die Navajo - Gebiete in Utah und Colorado und wohnt Zeremonien der Pueblo - Indianer bei, auch im darauf folgenden Jahr. 1931 mietet sie ein Haus auf einer Ranch in Alcalde und entdeckt u.a. den Plaza Blanca im Chama Valley.

1932 reist sie dann allerdings mit einer Nichte ihres Mannes auf die Gaspé - Halbinsel in Kanada.

"Die jahrelang offen gelebte Untreue" befördert die Beziehung weiter in die Krise, aber auch der enorme Arbeitsdruck durch ein für das Rockefeller Center geplantes Wandgemälde führen 1933 zu einem physischen wie emotionalen Zusammenbruch bei der Malerin, einem Klinikaufenthalt und dreizehn Monaten künstlerischer Enthaltsamkeit. Stieglitz darf sie anfänglich nicht mehr als zehn Minuten pro Woche besuchen. Doch die Beziehung geht letztendlich gestärkt aus dieser Krise hervor, verschiebt aber die Balance zugunsten von Georgia, die erkannt hat, dass sie sorgfältiger mit ihren Ressourcen umgehen muss.

"Red hills with white cloud"
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Ein anschließender Rückzug in die Wüste verhilft ihr wieder zur Selbstfindung & Regeneration. "Nicht jedem rührt ein roter Hügel so ans Herz wie mir, und es gibt auch keinen Grund, warum er das sollte..." Zum ersten Mal kommt sie auf die Ghost Ranch nördlich von Abiquiú, wo sie zwei Jahre später ein Lehmziegelhaus mietet, das sie später kaufen wird.

In New York bekommt sie den Auftrag für ein großformatiges Blumengemälde - "Jimson Weed" - für den Salon von Elizabeth Arden, für den sie 10.000 Dollar erhält. ( Dieses Bild wird im November 2014 von Sotheby's für 44,4 Millionen Dollar (35,5 Millionen Euro) versteigert - mehr als das Dreifache des erwarteten Preises -  und wird damit das das teuerste Werk einer Künstlerin. )

Auf Hawaii (1939)
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1938 erhält sie einen ähnlichen Auftrag für zwei Gemälde für die Hawaiian Pineapple Company ( heute Dole Food Company ). Dazu reist sie nach Hawaii, findet aber mit ihren Werken nicht die Zustimmung der Auftraggeber, so dass sie widerwillig im April das geforderte Ananas - Bild abliefert. Dieses Fiasko löst wieder einen Nervenzusammenbruch mit längerer Bettruhe aus, so dass die Sommerreise nach New Mexiko erst einmal ausfallen muss.

1940 erwirbt sie schließlich eine Ranch auf der Ghost Ranch. Stieglitz kämpft in seinen Briefen gegen ihre Entscheidung, so weit weg von ihm leben zu wollen. Mit einem veränderten Jahresrhythmus versucht Georgia, die Liebe zu ihrer neuen Heimat mit ihrer Verbundenheit zu ihrem Mann auszubalancieren: Im Winter zieht sie also nach New York, öffnet für ihn im Frühjahr das Haus am Lake George und organisiert dem gebrechlicher werdenden Gefährten für die Monate ihrer Abwesenheit Hilfe und Gesellschaft.

In den 1940er Jahren werden zwei Retrospektiven mit Werken Georgias veranstaltet, die erste 1942 im Art Institute of Chicago, die zweite 1946 im Museum of Modern Art (MoMA) in Manhattan, dort die erste für eine Künstlerin. Sie erhält außerdem Ehrentitel zahlreicher Universitäten und viele Auszeichnungen. Mitte der 1940er Jahre fördert das Whitney Museum of American Art in Manhattan auch ein Projekt mit Stieglitz Unterstützung, um ein erstes Werkverzeichnis zu erstellen.

"The Black Place" (1943)
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In ihren Gemälden macht sich wieder zunehmend eine Tendenz zur Abstraktion bemerkbar. Mit ihrer Freundin Maria Chabot, einer Schriftstellerin, unternimmt sie ab 1943 mehrere Zeltausflüge zu einem Ort im Gebiet der Navajos, welches sie selbst "Black Place" nennt, 240 Kilometer von der Ghost Ranch entfernt. Diese grauen und schwarzen Hügel faszinieren die Malerin über die Maßen und inspirieren sie zu einer ihrer radikalsten abstrakten Serien.

Hazienda in Abiquiú
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1945 kauft Georgia dann eine baufällige Hazienda in Abiquiú, versteckt zwischen kreideweißen Klippen und windgepeitschten Pappelbäumen etwa 15 Meilen südlich von der Ghost Ranch. Ihre Freundin Maria überwacht die Reparaturarbeiten über drei Jahre. In New York organisiert Stieglitz derweil seine letzte Ausstellung mit Arbeiten seiner Frau.

Am 13. Juli 1946 stirbt er, 82jährig, und Georgia begräbt seine Asche am Lake George, übernimmt als Alleinerbin seine Galerie & wird Nachlassverwalterin seines fotografischen Erbes. Zwei Jahre ordnet sie mit Doris Bry, die 15 Jahre später ihre Agentin werden wird, dieses Werk, spendet seine Fotos an Museen auf der ganzen Welt, die größte Sammlung geht an die Nationalgalerie. Dann verlässt sie 1949 New York für immer. Während der Winter & Frühjahre wohnt sie ab da in Abiquiú, im Sommer & Herbst auf der Ghost Ranch.

In den nächsten Jahrzehnten lässt sie sich immer wieder in ihren Häusern fotografieren, "wobei sie bewusst ein neues Persönlichkeitsbild von sich etabliert, dass dem von Stieglitz geprägten früheren Image femininer Sinnlichkeit diametral entgegengesetzt war", schreibt Russell Bowman hier. "Das Bild der Malerin (....) war das des unabhängigen, visionären Geistes des amerikanischen Westens."

"Wall with Green Door" (1953)
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Ein Hauptthema der 1950er Jahre wird der Patio ihres Hauses in Abiquiú. Schon die ersten Ansichten sind abstrahierte Muster von Licht, Schatten und Wettereffekten. Später sind es nur noch lichterfüllte Abstraktionen wie das Gemälde links.

Aus dieser Zeit stammt auch die Pelvis - Serie:
Äußerst radikal manipuliert sie dabei Größe und Perspektive, indem sie durch einen sonnengebleichten Hüftknochen einen Blick auf ihre Umwelt im amerikanischen Südwesten nimmt und malt und dabei die Formen auf das Wesentliche der Natur reduziert.

Pelvis - Serie (1947)
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Georgia, die mit 54 Jahren zum ersten Mal geflogen ist, startet nun auch eine beispiellose Reisetätigkeit:

1950 liegt ihr Ziel noch in unmittelbarer Nachbarschaft, nämlich in Mexiko, wo sie Frida Kahlo & Diego Rivera trifft. 1953 macht sie sich zum ersten Mal nach Europa auf ( Frankreich & Spanien ), 1956 folgt Peru. 1963 unternimmt sie eine Reise nach Griechenland, Ägypten und den Nahen Osten, 1966 folgt England & Österreich. In ihrer Malerei drücken sich die Flugerfahrungen in Landschaften aus der Vogelperspektive aus. 1965 malt sie das größte Gemälde ihrer Malerkarriere: "Sky Above Clouds IV"

1970 tourt eine große Retrospektive durch die Museen der Vereinigten Staaten von New York über Chicago nach San Francisco und führt zu einer Wiederentdeckung ihres Werkes, vor allem durch Feministinnen in aller Welt.

Mit Juan Hamilton (1983)
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Ab 1971/72 bedingt eine Makuladegeneration eine fortschreitende Blindheit der Malerin. Ihr letztes Bild malt sie 1972 und fortan wendet sie sich Tonarbeiten zu. Der 27jährige Keramiker Juan Hamilton wird 1973 ihr Assistent & enger Freund und begleitet von da an ihre Ausstellungen, Publikationen und Reisen. Um aufkommende Gerüchte, sie haben einen Verhältnis miteinander, ja, sie seien gar miteinander verheiratet, braucht das ungleiche Paar sind nicht zu sorgen - sie kommen ziemlich schnell auf. Vom Alter her dürfte das aber eher eine Grossmutter-Enkel-Beziehung, gewesen sein, bei der die von Georgia angestrebte, aber nie ausgelebte Mütterlichkeit und Geborgenheitsbedürfnisse eine Rolle gespielt haben. Hamilton wird später berichten:
"She was pretty demanding, she was no flower. And when she was in a bad mood, boy, she was tough! But over time she developed an affection for me that I wasn't expecting or looking for." ( Quelle hier )
Hamilton wird auch ihr Agent, was zu einem jahrelangen Prozess mit Doris Bry führt ( ebensolches passiert, nachdem Hamilton ihre beiden Häuser und einen Teil ihres Barvermögens geerbt hat, durch Mitglieder der Familie, die wenig geschmackvolle Vorwürfe machen ).

Abiquiú
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1977 bekommt Georgia O'Keeffe die höchste zivile Auszeichnung, die der amerikanische Präsident verleihen kann ( "Medal of Freedom"), 1985 noch einmal die "National Medal of Arts". Da ist Georgia mit Hamilton und seiner Familie schon nach Santa Fe umgezogen, weil sie dort eine bessere medizinische Betreuung erwarten kann, und sie hat ihre letzte Zeichnung angefertigt.

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Am 6. März 1986 stirbt Georgia O 'Keeffe in Santa Fe. Ihre Asche wird auf dem Cerro Pedernal verstreut.

"Es ist atemberaubend, wenn man über die Welt hinaufsteigt... Die Welt völlig vereinfacht und schön und säuberlich zerschnitten in Muster, als ob Zeit und Geschichte diese unsere Zeiten vereinfachen und in Ordnung bringen werden."




20 Kommentare:

  1. Hallo Astrid,

    für die Reise-Liste:
    https://www.ghostranch.org

    (ich war leider noch nicht da, aber ich würde jederzeit mitkommen ;-)

    viele Grüße
    Tina

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  2. danke für dein so ausführliches portrait! liebe grüsse

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  3. Eine ganz große Great Woman hast Du heute ausgesucht.
    2012 gabs in München in der Hypo-Kunsthalle eine wunderbare Ausstellung von ihr. Ich habe dort so viele Original-Exponate von ihr gesehen (leider habe ich keinen Katalog gekauft, das ärgert mich bis heute). Es war so beeindruckend.
    Wie die ganze Frau.
    Danke sagt Sieglinde.

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  4. Faszinierende Frau, faszinierende Bilder! Vor kurzem sah ich im TV eine Dokumentation über ihr Werk und Leben. Dein Post enthält viele weitere Informationen und Details über diese Persönlichkeit. Danke dafür! Interessant finde ich die Tatsache, dass es kaum Bilder von ihr außerhalb Amerikas gibt.
    LG Renate D.

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  5. Oh, ich muss nachher unbedingt nochmal in Ruhe wiederkommen, Georgia O'Keeffe finde ich so toll! LG Ulrike

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  6. Wieder ein tolles Porträt einer tollen Frau. Danke dafür.
    Lieben Gruß
    Katala

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  7. Wieder einmal total gefesselt und die Zeit beim Lesen vergessen.
    Danke!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  8. So lang ist es schon her, dass ich mich mit dieser Frau und ihren Gemälden beschäftigt habe, darum war es jetzt schön, bei dir nachzulesen und auch Neues aus ihrem Leben zu erfahren. Georgia's künstlerische Sicht auf die Dinge haben mich schon immer fasziniert, danke, dass du sie heute noch einmal vorstellst.
    Lieben Gruß Ulrike

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  9. Liebe Astrid,
    da hast du wieder eine interessante Frau herausgesucht.
    Ich muss unbedingt mehr über sie finden.
    Einen angenehmen Resttag wünscht Dir
    Irmi

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  10. Wow, so viele spannende und kleine Details aus ihrem Leben hast du gesammelt. Wirklich eine großartige Malerin. Ich finde und fand das immer schrecklich, dass es in den Medien nie ohne diese "vul*va"-Anspielungen ging. Wahrscheinlich würde man das sonst gar nicht wahrnehmen....
    Liebe Grüße

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  11. die <Blumen<bilder finde ich faszinierend, genauso ihre < Verteidigung zu den Bildern. Eine bemerkenswerte Frau, die ich nicht kannte. Das muss ich nachholen ::))
    Gruß zu dir
    heiDE

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  12. Das war jetzt mal wieder eine richtige "Bewusstseinserweiterung", ich lernte sie erst nach der Wende kennen und auch "nur" über ihre Blumen. Was ich nun heute über ihr fast 100jähriges Leben erfahren durfte, erweitert meine Sympathie für diese Frau sehr. Das letzte Foto ist sowas von toll. So alt sein - so schön sein, herrlich. Vielen Dank und liebe Grüße Ghislana

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  13. Liebe Astrid,
    das war auch mal wieder so ein LebenLebenLeben - es fasziniert mich immer wieder, dass sich manche Frauen schon in jungen Jahren so energisch ihren Weg erkämpft haben... und das zu einer Zeit, wo es keineswegs üblich und gern gesehen war. Eine schöne alte Frau, die viel erlebt hat und und viele Geschichten erzählen konnte, ist aus ihr geworden. Und selbst über das Schlimmste, was einem Augenmenschen passieren kann - Blindheit - hat sie sich durch die Arbeit mit Ton hinwegsetzen können. Mein Lieblingsbild von den hier gezeigten ist übrigens die Wüstendüne in energiegeladenem Rot!
    Herzlichst, die Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2017/11/anl-23-sinnvolles-und-nachhaltiges.html

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  14. Oh ich mag Georgia O' Keeffe sehr gerne und habe mehrere Bücher über sie...unter anderem den Fotoband Georgia O' Keeffe auf Ghost Ranch. Lange standen sie nur im Regal. Danke für das Wieder-in -Erinnerung-bringen!
    Liebe Grüße Andrea

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    1. Den habe ich unter anderem auch! Danke fürs Vorbeischauen!
      LG

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  15. Liebe Astrid,
    auch wieder ein sehr interessantes Frauenleben.
    Ganz liebe Grüße von Urte

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  16. Ihre Bilder haben mich immer begeistert. Der Bericht passt bei mir gerade gut. Ich hatte sie gar nicht mehr "auf dem Schirm".
    LG
    Magdalena

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  17. ehrlich, ich kannte sie auch nur über die blumenbilder - und die mochte ich nicht. deshalb ist heute dein beitrag über sie eine große bereicherung für mich. der nächste besuch in der stadtbibliothek wird ihr gewidmet sein (falls es dort etwas vernünftiges über sie gibt...).
    liebe grüße
    mano

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  18. Eine großartige Person! Ich mag ihre Architekturbilder ganz besonders - City Night, Wall with Green Door...
    Schade, dass ihr am Anfang das Selbstbewusstsein für eine künstlerische Karriere gefehlt hat. Und gut, dass sie es dann dennoch erlangt hat.
    Das letzte Foto von ihr in deinem Post gefällt mir - sie sieht so schön aus!

    Liebe Grüße,
    Veronika

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  19. Der Name und ein paar Blumenbilder kannte ich, aber mehr nicht. Danke wie intensiv ich jetzt einen Einblick in ihr Leben bekommen habe.
    Ich denke oft, das sich die Verstorbenen wundern würden, wie die Kunstsgschichte ihr Kunst interpretiert und assoziiert.Wenn dazu der eigene geliebte beiträgt umso schlimmer.
    viele Grüße, karen

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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