Mittwoch, 9. Oktober 2024

Lieben sie Lyrik? {21}

 Donna Ashworth
Joy comes back

When you finally realise 
that joy is less fireworks,
more firefly, 
less orchestra,
more birdsong, 
she will come back much more often. 
For joy will not fight 
with the fast pace of this life. 
She is not in the shiny or the new. 
She breathes in the basic, 
simmers in the simple, 
and dances in the daily to and fro. 
Joy has been beckoning you 
for many a year, my friend. 
You were just too busy doing to see.
The very next time joy wraps 
her quiet warmth around you
as the garden embraces your weary body
in its wildness,
tip her a nod. 
She doesn’t stay long, 
but if you are a gracious host, 
joy comes back.







Wenn du endlich begreifst, 
dass Freude weniger Feuerwerk,
mehr Glühwürmchen, 
weniger Orchester,
mehr Vogelgezwitscher ist, 
wird sie viel öfter zurückkehren. 
 Die Freude lässt sich nicht ein  
auf das irre Tempo des Lebens. 
Sie verfängt sich nicht im Glamour oder im Neuartigen. 
Sie holt Luft im Grundlegenden, 
brodelt im Einfachen 
und tänzelt im täglichen Auf und Ab. 
Die Freude hat dir zugewinkt
seit vielen Jahren, mein Freund. 
Du warst einfach zu sehr bemüht, sie zu fassen.
Beim nächsten Mal hüllt dich die Freude 
in ihre stille Wärme ein,
derweil der Garten deinen müden Körper 
in seiner Wildheit umarmt.
Gib ihr ein Zeichen.
Sie bleibt nicht für immer, 
aber wenn du ein liebenswürdiger Gastgeber bist, 
kehrt sie zurück.
                .                                                                                                        ( Übersetzung durch mich )

Dieses Gedicht ist von der 48jährigen schottischen "Instagram-Dichterin" ( so der "Observer" ) Donna Ashworth, die 2020 bekannt wurde, als ihre Gedichte über den Lockdown in Großbritannien in sich schnell verbreitenden Videos vorgelesen wurden, um Geld für den National Health Service ( NHS ) zu sammeln. Später wurde diesen Auftritten zugeschrieben, dass die Verkaufszahlen von Gedichten-Anthologien in Großbritannien neue Rekordhöhen erreichten. 

Donna Ashworth selbst veröffentlichte ihre Lyrik bereits seit 2017 auf ihrem Blog. Der Erfolg der Internetauftritte von Prominenten mit Rezitationen ihrer Gedichte veranlasste sie, eine Broschüre mit diesen im Selbstverlag bei Amazon herauszubringen.

Ihre zweite Sammlung im Selbstverlag - "To The Women" - verkaufte sich  dann schon 100 000 Mal und die Lyrikerin schloss einen Vertrag mit einem Verlag ab. 2023 war sie mit drei Titeln in den "Top five" der britischen Lyrikcharts gelistet, und die gebundenen Ausgaben ihrer Gedichte beliefen sich auf rund 70.000 gekaufte Exemplare.

Donna selbst kennzeichnet ihre lyrische Arbeit als "Selbsthilfe in Poesie", als "Überlebenstaktik" ( ihre Lebensgeschichte zeigt, dass das notwendig war ) und findet, dass "vieles von dem, was ich sage, kitschig ( cheesy ) ist". Ihre Fans empfinden hingegen ihr Schreiben "like a warm hug". Ganz kritische Stimmen nennen ihre Werke jedoch mit ChatGPT generierte "Kühlschrank-Magnete".
"Es ist meine Mission, Worte zu finden, die man im Alltag und auch in den Momenten verwenden kann, in denen das Leben am härtesten zuschlägt. Worte tragen, was sie sind, und Poesie ist nicht nur etwas für literarisch interessierte Poesie-Fans, sie kann auf so viele Arten verwendet werden, um die Strapazen des Lebens zu lindern – ein Balsam, wenn Sie so wollen", so schreibt sie auf ihrer Website. "I write to keep my mindset focused on the light.
Poesie ist eine Tat. Und die wirkt oft unmittelbar. Was ist notwendiger in einer Zeit der "Polykrise"? Ich freue mich, dass Lyrik nicht mehr die unpopulärste literarische Gattung ist, deren Anteil jahrzehntelang auf dem Buchmarkt unter 1 Prozent gelegen hat ( der letzte, postum erschienene Lyrikband von Sylvia Plath  fand weltweit nur 15000 Käufer ). 

"Instapoetry" bricht mit germanistischen Normen, Reimschemen und poetischen Metren  - so what? "... weg von den Schleusenwärtern des elitären Kulturbetriebs, den Feuilletons, den Buchpreisjurys und den wenigen Verlagen, die überhaupt noch Lyrik ins Programm nehmen", meint Marco Berg vom Verlag Pro Lyrica, Winterthur, sei allemal besser. Genau!

                                                                        


2 Kommentare:

  1. Ihr Gedicht war gestern auf Insta zu finden. Sehr schön. Aber als Lyrikliebhaber*in finde ich, man muss gar keine Gegenüberstellung machen von Lyrik in anderer Form und dieser. Schon vor vielen Jahren schrieben meine 12.Klässler*innen Kursarbeiten über beide Formen. Und keiner fand darin ein Ausschlusskriterium. Jede Form steht für sich und ist an sich gut oder weniger, je nach Situation und Empfinden. Schön, mal wieder ein Gedicht bei dir zu finden, liebe Astrid!

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    1. 😂 Ich habe den Vortrag von stage-door-johnny mehrfach geteilt, weil ich dabei so sehr die englische Sprache genossen habe.
      Grade die vielen Rezitationen englischsprachiger Gedichte bei Instagram haben mich dieser Sprache wieder näher gebracht, denn gerade in der Lyrik entfaltet sie eine Schönheit, die ich früher nicht wahrgenommen habe.
      GLG

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