Sonntag, 16. Juni 2024

Monatsspaziergang Juni 2024

Der Spaziergang des Monats Juni führte mich in ein benachbartes Stadtviertel, in dem ich seit knapp acht Jahren nicht mehr gewesen bin, seit die Tochterfamilie von dort in den Süden gezogen ist. Ich merkte das sofort, denn beim Aussteigen aus der U-Bahn hatte ich doch etwas die Orientierung verloren und lief zunächst in die Irre...


 Am Eingang zu der Straße, die ich besuchen wollte, gab es erst einmal ein solches "Hindernis":

Nicht nur ich hatte dieses Ziel: Ehrenfelds beliebte Straße war gut "bevölkert". Der Grund war eine "Out- & Indoor" - Ausstellung mit dem Thema "Studio Cologne", veranstaltet vom "PhotoBookMuseum" aus Anlass seines 10. Geburtstages.


Die gemeinnützige Organisation bietet eine Plattform für Sammlungen & die Erforschung der Fotobuchkultur. 


Die in der Straße präsentierten Fotos stammen aus der Anfangszeit des Fotobuches in der Mitte des 19. Jahrhunderts.




Damals entfachte die Möglichkeit, auf Kartonage aufgezogene Porträts - Carte de Visite geheißen - zu verschenken & zu sammeln einen regelrechten Bilderrausch. Diese Bildkärtchen waren erschwinglich. Und bald gab es dafür Sammelalben, vorkonfektioniert auf weißem Karton - die Frühform des Fotobuches!


In Köln sind in der Zeit von 1848 bis 1918 in den Adressbüchern der Stadt 426 Fotografen nachgewiesen - da kann man schon von einem Boom sprechen.

Reproduktionen der alten Porträtfotos sind in den Schaufenstern der ( trendigen ) Geschäfte zu finden...

... in den Warenauslagen...

... Hinterhöfen...

Da gibt es auch manch andere Idylle zu entdecken:













Zum Beispiel hinter diesem Laden:

Auch einen wilden Gemeinschaftsgarten, wie dieser hier:




Der liegt hinter einem Bunker, der um 1942 auf dem Gelände der 1927 neu gebauten & eingeweihten Synagoge plus Religionsschule für Jungen und Mädchen in der Körnerstraße 93 errichtet worden war.  Bereits 11 Jahre später während der Novemberpogrome 1938 vom 9. auf den 10. November wurde diese bis auf die Außenmauern zerstört. "Die Leute aus der Körnerstraße standen dabei und schauten einfach zu",  berichtete dazu ein Augenzeuge. Da kriege ich noch heute einen Hals, zumal ja rechte Menschenfeinde ( auch in Bloggershausen ), sich immer wieder zu den wahren Wahrern & Kennern jener furchtbaren Zeit aufspielen.

Auch andere Hochbunker in Deutschland, z. B.  in Braunschweig, Hamburg, Frankfurt a. M. oder Siegen, wurden auf den Standorten von Synagogen errichtet, die von den Nationalsozialisten erst geschändet, dann abgerissen und schließlich als Örtlichkeiten für den Luftschutz der deutschen Bevölkerung genutzt wurden. ( Im Eingangsbereich des Bunkers steht ein Modell der Synagoge. )


Heute steht der Bunker unter Denkmalschutz und ist ein Ort der Erinnerung und der Kunst. Für den Erhalt dieses Denkmals haben sich vor über zehn Jahren viele Prominente wie Gerhard Baum, René Böll, Navid Kermani, Wolfgang Niedecken, Günther Wallraff, Kaspar König und mehr eingesetzt. Im Rahmen des Projekts "Studio Köln" werden dort Fotos des Ehrenfelder Studios Samson & Co aus Java gezeigt.


Im Rahmen dieser Ausstellung habe ich auch ein Zitat von Karl Ove Knausgård gefunden, das nachhallt:
"So wenig es das Herz interessiert, für welches Leben es schlägt, so wenig interessiert es die Stadt, wer ihre verschiedenen Funktionen erfüllt. Wenn alle, die in diesen Tagendurch die Stadt wandeln, tot sind, sagen wir in hundertfünfzig Jahren, wird der Widerhall ihres Tuns und Lassens diese in ihren Mustern durchziehen. Neu werden allein die Gesichter der Menschen sein, die sie ausfüllen, allerdings nicht sonderlich neu, denn sie werden uns ähneln."



Ich habe die Ausstellung verlassen, nicht ohne auf mich den disparaten Charakter der Straße wirken zu lassen, der den Verwundungen des letzten Krieges geschuldet ist.




Dann habe ich mich in Richtung Straßenbahn begeben und bin nach Hause in mein Veedel gefahren.







Danke, dass ihr mich bis dahin begleitet habt! Den Post verlinke ich wieder mit Kristina Schapers monatlicher Linkparty.



6 Kommentare:

  1. Wie lange war ich schon nicht mehr in Ehrenfeld, ist schon ein paar Jahre her liebe Astrid.
    Die Ausstellung ist toll, ich habe davon gelesen, aber leider nicht gesehen und ich glaube, sie ist bald beendet.
    Danke fürs Mitnehmen, lieben Gruß
    Nicole

    AntwortenLöschen
  2. Macht Spaß mit Dir durch die Straßen zu Streifen und diese schönen Fotografien zu entdecken. Du hast tolles Wetter erwischt Astrid und so viel schönes entdeckt.
    einen schönen Wochenbeginn wünsche ich Dir. Liebe Grüße Tina

    AntwortenLöschen
  3. Hach, schön heute wieder bei Ihnen zu schauen, Danke dafür! Einen guten Start in die neue Woche und LG Ursula

    AntwortenLöschen
  4. Welch ein interessanter Spaziergang durch die Fotokunst längst vergangener Zeiten, liebe Astrid... schön, dass wir dich begleiten durften in diesen Stadtteil. Die Details deiner farbenfrohen Bilder gefallen mit besonders gut und natürlich der blaue Himmel dazu.
    Lieben Gruß von Marita

    AntwortenLöschen
  5. Von Urlaub zurück, darf ich gleich mit Dir einen höchst spannenden Stadtteil Deiner Stadt durchstreifen! Eine wunderbare Idee mit den Fotos, ist das. So alt-neu belebt, genau wie es in dem Zitat geschrieben ist.
    Und so politisch.
    Deine Stadtspaziergänge liebe ich! Immer interessant und lehrreich.
    Herzlichst,
    Sieglinde

    AntwortenLöschen
  6. Da ich ja auch eine kleine Sammlung von Fotos um die Jahrhundertwende um 1900 habe, hätte ich diese im Plakatformat natürlich sehr gern angeschaut. Mich faszinieren diese alten Fotos sehr, weil ich zu gern die Geschichten dahinter kennen würde.
    Danke, dass du uns auf diesen interessanten Spaziergang mitgenommen hast!
    Liebe Grüße aus Dänemark von mano

    AntwortenLöschen

Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie weiterhin konsequent NICHT freischalten. ( Ausnahme: die amerikanische Gepflogenheit, nicht zu unterschreiben )

Mit dem Abschicken deines Kommentars akzeptierst du, dass dieser und die personenbezogenen Daten, die mit ihm verbunden sind (z.B. User- oder Klarname, verknüpftes Profil auf Google/ Wordpress) an Google-Server übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhältst du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google.