Das frag ich mich nicht nur wegen der karnevalistischen Umtriebe hier in der Stadt am elften Elften, sondern generell angesichts der pandemischen Lage in unserem Land. Inzwischen gibt es in der Familie einen Impfdurchbruch und zwei der ungeimpften Kinder hat das Virus auch erwischt. Im Bekanntenkreis sieht es ähnlich aus. Das verstärkt die gedrückte Stimmung einfach noch.
Die Pandemie legt "unbarmherzig das geistige Debakel des gegenwärtigen Liberalismus [offen]: "Freiheit" ist hier auf die Schrumpfform des "Ich will" oder "Ich will nicht" reduziert, es ist der abgemagerte Schatten von "Selbstverwirklichung". Vor ein paar Tagen twitterte ein junger Liberaler, er habe eigentlich vorgehabt, sich ein drittes Mal impfen zu lassen, doch seit so viel Druck aufgebaut werde, müsse er sich das noch einmal überlegen.Kindischer Trotz als "Freiheit" - so tief sind Teile selbst des politischen Liberalismus in Deutschland gesunken."
Was da gerade über uns hereinbricht, ist spätestens seit Beginn des Septembers von befugten & bewanderten Wissenschaftlern dargestellt worden. Doch unsere Politiker allerlei Couleur singen jetzt wieder das Lied von der Unvorhersehbarkeit - zum Kotzen!
Die Begründung bei manchen: Man wolle die "Spaltung der Gesellschaft" nicht vertiefen. Die ist doch sowieso schon tief wie der Philippinengraben, auch hier im angeblich so beschaulichen Bloggerland! Mal abgesehen davon, dass die bundesrepublikanische Einheit schon immer eine Schimäre gewesen ist.
Ich selbst habe mich im Laufe der Zeit auch immer wieder unter Minderheiten ( eine Online-Befragung der Universität Hohenheim hat übrigens ergeben, dass nur zwölf Prozent der Befragten Verständnis für die "Querdenker" hat - Ergebnis der Studie hier ) befunden, um deren Interessen die Politik sich einen feuchten Kehricht geschert hat. Frau/man hat sich der Mehrheit gefügt, zähneknirschend, oder sich geärgert, aber frau/man hat keine gewaltsamen Attacken wie jetzt zum Beispiel auf Impfstationen oder Ärzte geführt.
Totale Einigkeit gab es nicht und wird es nicht geben, frau/man denke da nur an Arbeitskämpfe, deren Berechtigung wohl keiner leugnen mag: "Ein Streik, bei dem es ums Eingemachte, mithin um Geld und Zeit, geht, ist immer eine spalterische Angelegenheit – und das ist auch richtig so", mein Jan Feddersen in der "taz" dazu.
"Das Argumentieren mit der "Spaltung der Gesellschaft" behandelt die Minderheit der Realitätsverleugner wie eine Bestie, die man nicht reizen darf, weil sie sich sonst von der Kette reißen könnte. Diese Mitbürger haben jetzt Besseres verdient, nämlich eine rationale Ansprache, aber auch klare Hinweise auf die Grenzen der Freiheit in einer Gesellschaft, die während einer ansteckenden Krankheit zwangsläufig auf Kooperation angewiesen ist", so Gustav Seibt weiter.
Und was bedeutet das für den demokratischen Staat? "Sein Job ist nicht der einer Moderation, sondern der einer ethischen Güterabwägung." Entscheidungsschwäche ist keine Politik.
"Wie das zweckmäßig organisiert wird, und zwar durchaus zum Verdruss vieler, ist in Spanien, Portugal, Israel oder in Italien zu bestaunen ( auch Frankreich gehört in diese Reihe - Erg. durch mich ). Ein seriöses Coronaregime, das etwa auf Diskursteilnehmer*innen wie etwa die Schriftstellerin Juli Zeh vielleicht freiheitseinschränkend wirkt, aber auf sie kommt es nicht an", schließt Jan Feddersen seinen Beitrag ab.Seh ich auch so.