Florian Hacke*
Sonett für Springers heisses Blatt
Am Morgen prangt das Schmierblatt in den StändernUnd kackt gekürzten Unrat in die KöpfeWas Einfalt wahren will und nicht verändernTanzt eitel und verwöhnt um alte ZöpfeWas nötig ist, Erregung zu erreichenWird fröhlich vorgekramt in fetten LetternOb Vorurteile, Kinder, Lügen, Leichen-Sie wollen Titten?Gerne. Einmal blättern!Wen wundert's, wenn es hinter den KulissenWie titelseits ein wüster Wettkampf wäre:Wer kriegt die dicksten Dinger auf den TischMax Goldt hat es gewusst und auch wir wissen(Nicht erst seit Fräulein Blums verlorner Ehre):Es stinkt vom Kopf zum Schwanz der ganze Fisch
Diesmal ganz eingebettet ins Tagesgeschehen, diese lyrischen Zeilen von Florian Hacke, seines Zeichens Schauspieler, Kabarettist, Comedian und Poetry-Slammer, denn ausgerechnet die "New York Times" widmete sich gestern Abend einem aktuellen Geschehen der Medienwelt in unserem Lande, welches hier & heute erst einmal gar nicht in der Timeline aufgetaucht ist.
Es ging um eine Recherche des Journalisten - Teams "Ippen Investgativ" zum Chefredakteur von "Springers heissem Blatt". Und die - das ist für mich der Knackpunkt - durfte auf Weisung des Verlegers ihrer Mediengruppe, Dirk Ippen, nicht veröffentlicht werden. Ippen - zu seiner Verlagsgruppe gehören die "Frankfurter Rundschau", der "Münchner Merkur", der "Westfälische Anzeiger", die Münchner "tz" und eben seit 2014 "BuzzFeedNews Deutschland", bei der die Investigativ-Truppe einst auch schon zu Hause war - begründete das heute Mittag dann so:
"Es gehört für mich zu den ältesten Grundsätzen des Journalismus, dass bei Berichten über Wettbewerber auch der Anschein vermieden werden muss, es könnten neben publizistischen auch wirtschaftliche Motive hinter einer Kritik am Wettbewerber stehen." ( Quelle: Twitter )
So kann man das auch sehen, widerspricht aber einer anderen Regel, nämlich der der unabhängigen Berichterstattung und der Trennung von Redaktion und Verlag. Ein beschämender Moment für die Pressefreiheit in Deutschland...
Misstände & Machtmissbrauch im Hause Springer durch den Chefredakteur Julian Reichelt sind allerdings nicht erst jetzt thematisiert worden, sondern waren schon einmal im Frühjahr dieses Jahres Angelegenheit in einem Compliance-Verfahren, mit dem eine Wirtschaftskanzlei beauftragt worden war. Der "Bild"-Chef wurde kurzzeitig beurlaubt, nach dem Verfahren aber in seinen Job reinstalliert, da man seine Verfehlungen als nicht allzu gravierend empfand. Das Ippen-Team recherchierte jedoch weiter und gelangte offenbar zu neuen brisanten Erkenntnissen.
Was mir noch übel aufgestoßen ist, ist die von der "New York Times" zitierte Aussage des Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes "Digitalpublisher und Zeitungsverleger", Mathias Döpfner, gegenüber dem Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre:
Reichelt "ist wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Autoritätsstaat rebelliert."
Corona-Kommunismus! Wenn das keine Anbiederung an gewisse Bevölkerungskreise ist! Der Axel Springer Verlag ist halt schon seit meiner frühesten Jugend spitze darin, die Themen in diesem Land vorzugeben und die Diskurse in bestimmte Richtungen zu lenken und zu beeinflussen, wie sich ja auch wieder in diesen Pandemiezeiten gezeigt hat.
Nachtrag um 19.35 Uhr: Der Axel-Springer-Konzern teilte am heutigen Abend mit, dass Julian Reichelt von seinen Aufgaben "entbunden" worden sei, also im Klartext: rausgeschmissen.
es war schon immer ein drecksblatt. sorry, ich kann hier nicht eloquent reagieren. sie haben schon immer gelogen, die wahrheit verbogen, immer ans billigste, schnellste, böseste, geilste, gierigste, niederträchtigste der lesenden "appelliert". der rausschmiss ist gut, aber er wird an der grundsätzlichen ausrichtung dieses blattes nichts ändern. die lyrik dazu, grinsbreit, danke hr hacke. ich geh jetzt wäsche aufhängen. liebabendgruß, eva
AntwortenLöschenja die Bildzeitung..
AntwortenLöschendas ist wie mit McD. ..keiner geht hin
und keiner liest die Bild ;)
wenn man mal so nachfragt..
die waren schon immer ein Schmuddelblatt
früher hieß es .. man müsse die Zeitung ehe man sie liest nach unten halten und schütteln ..damit das Blut rauslaufen könne
aber man fragt sich warum Journalisten.. und das wollen sie ja sein..sich nicht zu schade für solche Art der Berichterstattung sind..
habe auch gelesen dass Reichelt von seinem Posten entbunden wurde
aber es wird schon ein Passender nachrücken..
liebe Grüße
Rosi
"Es stinkt vom Kopf zum Schwanz der ganze Fisch".
AntwortenLöschenEin so stimmiges Gedich: Einfach ein durch und durch verdorbener Fisch.
Man darf gespannt sein, wo der smarte Herr Reichelt in Kürze wieder auftauchen wird.
Danke, dass Du wieder mal so tagesaktuell und noch dazu lyrisch informierst!
Herzlich, Sieglinde
"Die verlorene Ehre",ein Buch und Film, das und den wir in der Schule besprochen hatte, so krass. Unfassbar.
AntwortenLöschenDie Leserschaft möchte es anscheinend so, sonst gäbe es nicht solche hohen Verkaufszahlen. Gib dem Leser, was der Leser fordert. Also, so lange es Käufer gibt, wird es so weitergehen.
Unfassbar auch für mich, dass Paparazzi Fotos der sterbenden Lady Di gemacht haben oder Fotografen sich als Pfleger verkleidet Zugang zum Zimmer der verstorbenen Sohns von Romy Schneider verschafft haben.
Aber, wie gesagt, es gibt Leute, die so was lesen und sehen wollen.
Liebe Grüße
Claudia
Nun soll der neue Bild-Chef Johannes Boi die Sache wieder richten und die Scherben des Reichelt-Döpfner-Debakels aus dem Weg räumen.
AntwortenLöschenOb ihm das gelingt?
Ich glaube, seriöser Journalismus wird es auch unter ihm nicht geben.
Der Anspruch dieses Blattes ist ein ganz anderer....Provokation, Boulevard und ein wenig Populismus.
Liebe Grüße
Christa
einmal war ich sehr stolz auf unsere dorfgemeinschaft in baden: ein schrecklicher unfall kostete das leben dreier junger mitbürger. bildreporter liefen im dorf herum und KEIN mensch ließ sich interviewen. lieben gruß, roswitha
AntwortenLöschenMein schrecklichstes Erlebnis: Express-Reporter ( dieselbe Kategorie) schwatzten den Großeltern des Kindes, mit dem sein Vater in den Tod gesprungen war, ein Foto ab. Das prangte auf der Titelseite und war im Kasten vor der Schule des Mädchens deutlich zu erkennen. Die Mitschüler*innen waren völlig verstört, eine Freundin & ich haben lange mit den Kindern daran gearbeitet.
LöschenGLG
Lesbar ist der Sportteil der Bild.
AntwortenLöschenAnsonsten habe ich dieses Blatt noch nie in der Hand gehabt. Oberflächlich und reißerisch. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass da neutrale Berichterstatter arbeiten.
Der Reichelt schwimmt bestimmt bald wieder oben. Auch wenn der Fisch weiter stinkt...
Lieben Gruß
Andrea