Freitag, 5. März 2021

Neues zu Raif Badawi & andere Geschichten

3204 Tage ist Raif Badawi heute in Saudi-Arabien im Gefängnis. Vor über einer Woche twitterte seine Ehefrau, dass er und sein ebenfalls inhaftierter Anwalt Waleed Abulkhair "von diskriminierenden Maßnahmen der Gefängnisbehörden angegriffen (werden.)" So erhielten sie nicht die ihnen verschriebenen notwendigen Rezepte.

Zu Wochenbeginn erreichte mich dann eine Nachricht des Verteidigungskomitees #freeraif, die besagt, dass sowohl gegen den Inhaftierten wie seine Frau Ensaf Haidar in Saudi-Arabien wegen "Beeinflussung der öffentlichen Meinung" und "Schädigung des Ansehens des Königreichs" erneut ermittelt wird.

"Nachdem die neue US-Administration einen Bericht veröffentlich hat, der den saudischen Kronprinzen Mohamed Bin Salman direkt mit der brutalen Ermordung und Zerstückelung des Journalisten Jamal Khashogghi in Verbindung bringt, erhöhen die saudischen Behörden den Druck auf politische Gefangene", kommentiert die Friedrich-Naumann-Stiftung diesen Sachverhalt an dieser Stelle.

Irwin Cotler, der ehemalige Justizminister und Generalstaatsanwalt Kanadas, äußerte sich zur neuesten Entwicklung folgendermaßen:

"Die ungerechtfertigte Inhaftierung von Raif Badawi ist ein permanenter Verstoß gegen internationales Recht und Saudi-Arabiens eigene Rechtsnormen. Es ist Raifs ungerechte Inhaftierung und diese neue Untersuchung selbst, die die öffentliche Meinung aufstachelt und das Ansehen des Königreichs schädigt, nicht seine friedliche Meinungsäußerung." 

Screenshot

Zur gleichen Zeit erschien in meiner Timeline die Nachricht, dass die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (RoG) eine über 300 Seiten umfassende Anzeige dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe übergeben hat. 

Ein Jahr lang hat ein Team recherchiert, mit Betroffenen gesprochen, Experten befragt, Hinweise gesammelt und damit nun den Vorwurf, dass der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und mehrere hohe Regierungsvertreter Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Völkerstrafrecht begangen haben, belegt. Der grausame Mord an dem Journalisten Jamal Kashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul im Herbst 2018 ist da nur der herausragendste Fall. Es geht um die systematische Verfolgung von 35 Journalisten durch die saudische Regierung, darunter auch Raif.   

Vor knapp 20 Jahren wurde das Völkerstrafgesetzbuch in Deutschland verabschiedet. Gleich in Artikel 1 ist das sogenannte Weltrechtsprinzip verankert, welches deutschen Staatsanwälten und Gerichten erlaubt, Verbrechen auch dann zu verfolgen, wenn die Tat nicht in Deutschland begangen wurde und weder Täter noch Opfer Deutsche sind.

Grundsätzlich wären Ermittlungen und Strafverfolgung in unserem Land also möglich. Ein noch besserer Ort wäre der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Doch Saudi-Arabien hat das Rom-Statut 1998 nicht unterzeichnet und sich damit dem Weltgericht nicht untergeordnet.

Die Schwelle zum Völkerstrafrecht hier bei uns in der Bundesrepublik ist erst überschritten, wenn "systematische und ausgedehnte" Angriffe auf ganze Gruppen von Menschen nachgewiesen werden. Die RoG berufen sich deshalb auf die Verfolgung sämtlicher Medienschaffender durch das saudische Regime. Wer hier regelmäßig die Freitagsposts bei mir verfolgt, hat schon eine große Zahl davon kennengelernt.

Allerdings gibt es auch eine politische Dimension, so Wolfgang Kaleck, Jurist der Berliner Nichtregierungsorganisation ECCHR (European Centre for Constitutional and Human Rights): 

"Es gelten unterschiedliche Maßstäbe, wenn es gegen mächtige Menschenrechtsverletzer geht. Und natürlich ist Saudi-Arabien einer der wirtschaftlich mächtigsten Staaten der Erde. Alles, was mit dem saudischen Königshof zusammenhängt, wird mit Samthandschuhen angefasst."

Man darf spekulieren, dass sich die veränderte Haltung der neuen US-Administration  auch auf die Bundesanwaltschaft auswirken könnte. Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch in puncto Umgang mit Saudi-Arabien... Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wäre schon ein starkes Signal.

Und dann ist da noch die EU: Die hat sich jüngst ein Sanktionsregime gegeben, mit dem Einzelpersonen für Menschenrechtsverletzungen bestraft werden können. Danach können Vermögenswerte eingefroren werden, auch Einreisesperren in die EU sind vorgesehen.

Juristischer Ärger steht Kronprinzen übrigens auch in den USA bevor: Saad al-Jabri, ehemaliger Staatsminister im Innenministerium und Geheimdienstchef des Königreichs, wirft ihm vor, dieser habe nur zwei Wochen nach dem Mord an Khashoggi ein Team von Killern nach Kanada geschickt, um ihn ebenfalls zu töten. Seine 200- Seiten- Klageschrift hat er eingereicht beim Bezirksgericht der Hauptstadt Washington. Seine Anwälte beschreiben darin, wie Verbündete des Kronprinzen al-Jabris Familie im Exil ausgespäht und wachsame kanadische Grenzer die Killer an der Einreise gehindert haben. Sie sollen zwei Taschen dabeigehabt haben mit forensischen Instrumenten, wie sie auch in Istanbul benutzt worden sind.



 

2 Kommentare:

  1. Was mich generell ärgert, ist die Tatsache, dass alle Maßstäbe sich verschieben, wenn Geld der bestimmende Faktor ist. Tatsächlich ist die Anklage hier möglich, aber rechnen wir damit? Danke für die regelmäßige Erinnerung.
    Magdalena

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  2. ich habe mir schon gedacht dass sie sich etwas einfallen lassen je näher der Zeitpunkt naht an dem Raif eigentlich entlassen werden müsste :(
    es ist einfach eine S.... erei
    und ich verstehe die Leute nicht die dort immer noch Urlaub machen
    und ja.. auch die Geschäfte machen
    hoffen wir mal dass die jetzigen Vorstöße etwas bringen

    ja.. die Hoffnung stirbt zuletzt

    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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