Sonntag, 27. Dezember 2020

Mein Freund, der Baum: Zirbe


Im letzten Jahr, als alles noch "normal" war, habe ich das Weihnachtsfest unter einem besonderen Weihnachtsbaum verbracht, einer Zirbe. Da wurde meine Neugier geweckt, und ich hatte vor, im Sommer in den Alpen nach ihm Ausschau zu halten. Pustekuchen!" Wer hat vor einem Jahr damit gerechnet, keine einzige Reise mehr unternehmen zu können?

Informationen gesammelt habe ich über das ganze Jahr und diesen heutigen Baumpost geplant  und dank Pixabay und ein paar Kaffeespenden auch die fehlenden Fotos bekommen. 

 

Die Zirbe oder Zirbelkiefer Pinus cembra, in Bayern auch Zirm, in der Deutschschweiz Arbe oder Arve genannt, ist eine Pflanzenart aus der Familie der Kieferngewächse Pinaceae. In ihrer Heimat, den Alpen und den Karpaten, ist sie seit der letzten Eiszeit heimisch. Wegen ihrer Anpassungsfähigkeit und dem Vorkommen im hochalpinen Raum gilt die Zirbe als die "Königin der Alpen". Dort prägt sie den typischen Mischwald der Hochgebirgsregion zusammen mit der Lärche und kommt in Höhenlagen von 1300 bis 2400 Metern über NN vor - einzelne Exemplare sogar auf 2850 Metern. 

Der Baum ist gut an kalte Winter angepasst und verträgt Temperaturunterschiede von minus 40 bis plus 40 Grad Celsius wie keine andere Baumart. Als Schutzbaum, Nutzbaum und Klimaindikator spielt er in Zeiten des Klimawandels zunehmend eine wichtige Rolle. Bei uns kommt die Zirbe in den Bayerischen und den Berchtesgadener Alpen vor, im Allgäu hingegen nicht. Als höchstgelegener geschlossener Zirbelkieferwald in Europa gilt der Wald von Tamangur im schweizerischen Unterengadin. Bis zu tausend Jahre alt werden können einzelne Exemplare der Zirbelkiefer, in der Regel sind es 400 Jahre.




Sie ist ein immergrüner Baum und erreicht eine Wuchshöhe von bis zu 25 Metern und einen Stammdurchmesser von bis zu 1,7 Metern. In seiner Jugend ist der Stamm des Baumes gerade und endet in einer schmalen, kegelförmigen Krone, hat ein auffallend dichtes Nadelkleid mit Ästen bis zum Boden. Später nehmen die Bäume eine abgerundete, breite Form an. Bei freistehenden Bäumen reichen aber auch dann noch die Äste bis zum Boden herab. Häufig sind Zirbelkiefern von Blitzeinschlägen gezeichnet, und alte Exemplare bilden vom Sturmwind gebogene, bizarre Baumkronen mit mehreren Gipfeltrieben.

Als kleines Pflänzchen wird die Zirbe, wenn sie länger vom Schnee bedeckt wird, gerne von Pilzen befallen. Deshalb wächst sie auf großen Felsen, Kuppen oder Rücken auf kalkarmen Gesteinsschuttboden. Am wohlsten fühlt sich die Zirbe in geselligen Gruppen, vielerorts mit Lärchen und Ebereschen, dazwischen die typische Zwergstrauchvegetation mit Legeföhren, immergrünen Alpenrosen und duftendem Kriechwacholder.  Die Jungbäume bilden zunächst für eine kurze Zeit eine Pfahlwurzel aus, die bald von kräftigen Senkerwurzeln abgelöst wird, welche von den weit reichenden Seitenwurzeln ausgehen. Diese Senkerwurzeln dringen in Gesteinsspalten ein und verankern den Baum auf diese Weise auf sicherere Art.

Die Borke der Zirbe ist von grau bis silbrig rotbrauner Farbe und weist die für Kiefern typischen Längsrisse auf. Die Rinde der Äste ist dagegen von graugrüner bis hellgrauer Farbe. Die buschigen, 5 bis 12 cm langen Nadeln stehen zu fünft an Kurztrieben, sind rund einen Millimeter dick, sehr weich und biegsam und an der Nadeloberseite dunkelgrün. Die Nadeln können bis zu 12 Jahre am Baum verbleiben.

Zirbelkiefern sind einhäusig getrenntgeschlechtlich, i.e. männliche und weibliche Blüten sind getrennt an ein- und demselben Baum zu finden. Sie blühen von Mai bis Juli, die weiblichen Blüten vor allem an den äußeren Bereichen des oberen Kronendrittels. Die Pollenbestäubung geschieht durch den Wind. Erste Blüten und Zapfen bildet die Zirbelkiefer aber erst im "jugendlichen" Alter von 60-70 Jahren und sie blüht auch nur alle 6 bis 10 Jahre. 

Die jungen, lilafarbenen Zapfen sind harzig, intensiv duftend und benötigen ein bis zwei Jahre zur Reife und enthalten im Durchschnitt 93 Samen. Die meisten Zapfen fallen aber nicht von selbst vom Baum, sondern werden vom Tannenhäher Nucifraga caryocatactes geholt und zu seiner "Zapfenschmiede" - das sind Steine, Baumstümpfe oder Astgabeln - gebracht, wo er den harten Zapfen einklemmt und mit seinem Schnabel die Samenkörner heraus "hämmert". 

Auch andere Tiere wie Eichhörnchen, Spechte, Eichelhäher & Rötelmaus verbreiten die bis zu einem Gramm schweren "Zirbelnüsse", wie die Samen auch genannt werden. Doch die Symbiose zwischen dem Baum und dem Tannenhäher ist die beeindruckendste: Bis zu 12 000 Nüsschen verteilt er da an Stellen, wo die Samen weniger leicht keimen. Im Winter bewegt sich der Tannenhäher im Sturzflug durch die Schneedecke, schräge Tunnels schaffend, um seine versteckten Futterdepots zu finden, was ihm zu 80 Prozent gelingt. Die restlichen Nüsschen keimen dann und sichern die Naturverjüngung der Zirbelkiefer.

Die nährstoffhaltigen Zirbelnüsse liefern übrigens genügend Energie, damit der Keimling, während der kurzen, nur 70 Tage dauernden alpinen Vegetationszeit schnell durchstarten kann. Er bildet beim Heranwachsen kräftige Wurzeln, die den Felsblock fest umklammern und später ins Erdreich eindringen können. 



Die Zirbelkiefer bildet Ektomykorrhiza-Symbiosen mit verschiedenen Pilzen und ist vor allem in höheren Lagen ohne diese kaum lebensfähig.

Ihr Holz ist sehr harzreich, weich, zäh und sehr dauerhaft und findet im Innenausbau für Täfelungen, als Möbelholz für Schindeln und für Schnitzarbeiten Anwendung. Der angenehme Duft des Holzes entsteht durch das Verströmen verschiedener ätherischer Öle. Es wird im Alpenraum wegen des wohltuenden Dufts gern für Bauernstuben, Inneneinrichtungen, für Schlafzimmermöbel, zur Herstellung von Truhen, Betten, Kinderwiegen und Drechselarbeiten genommen. 

Ich erinnere mich noch, wie damals vor fast vierzig Jahren meine Kollegin, die sich ins Mattertal verheiratet hatte, bei unserem Besuch uns ihre Zirbenstube vorgeführt hat. Die eingewachsenen Äste geben dem Zirbelholz eine gewisse Lebendigkeit und der Duft hält sich noch Jahre nach der Verarbeitung. Eine nicht ganz unumstrittene wissenschaftlichen Studie von Univ. Prof. Dr. Maximilian Moser am Grazer "Joanneum Research Institute" hat die Auswirkungen von Betten aus Zirbenholz auf einen besseren Schlaf festgestellt. Zirbenkissen mit Spänen sollen einen ähnlichen Zweck erfüllen. Aus Zirbenholz wird Zirbenöl gewonnen, das wegen seines angenehmen Geruchs als Geruchsverbesserer genutzt wird.

Zirbenholz wird außerdem für Behälter zur Aufbewahrung von Lebensmitteln verwendet. Brot hält länger frisch, und die Schimmelpilzbildung wird wirksam unterbunden. Das Holz wirkt auch antibakteriell, vertreibt Motten und andere Insekten.

Die wohlschmeckenden und nahrhaften Samen, die 70 % Fette und 20 % Eiweiß enthalten, sind eine Leckerei ähnlich den Pinienkernen. Sie sind meist weniger länglich, etwas feuchter und der Geschmack ist weniger harzig und erinnert mehr an Walnüsse. Auch beim Backen finden sie Verwendung. In der Heilkunde haben die Samen weniger Bedeutung als die vor allem im 18. Jahrhundert gebräuchlichen Zirbel - Extrakte. Nachgesagt wird ihnen, dass sie das Immunsystem stärken und verjüngend und potenzfördernd wirken.

Hingegen wird der Zirbengeist bzw. Zirbenschnaps als Heil- und Genussmittel bis heute geschätzt. Der wird gewonnen aus im Juli gepflückten jungen, weichen Zapfen der Zirbelkiefer, die in Stücke geschnitten mit grobem Kandiszucker und 40 prozentigem Korn in einem Glas in die Sonne gestellt werden. Nach vier bis fünf Wochen wird der fertige Zirbenschnaps abgeseiht und in kleinen Glasflaschen gefüllt.

Die robuste, ausdauernde und widerstandsfähige "Königin der Alpen" vermittelt diese Eigenschaften auch als spiritueller Kraftbaum und soll Menschen helfen, die sich gerade mutlos, geschwächt, unentschieden oder depressiv fühlen. Dazu soll die Zirbe mit ihrer entspannenden, warmen und klärenden Ausstrahlung auf sanfte Weise unterstützend beitragen.

Die "Zirbelnuss" hat sich auch in der Heraldik niedergeschlagen. So ist sie das Feldzeichen des römischen Augusta Vindelicorum am Zusammenfluss von Lech und Wertach gewesen, Keimzelle der heutigen Stadt Augsburg, in deren Wappen die Zirbelnuss noch heute als sog. Stadtpyr zu finden ist.  Eine große kupferne Zirbelnuss ziert bis heute die Giebelspitze des Augsburger Rathauses. 

Mit diesem Beitrag über einen wichtigen Baum der Alpen schließe ich heute ein weiteres Jahr ab, in dem ich meinen Freunden, den Bäumen, meine Aufmerksamkeit geschenkt habe und euch, liebe Leserinnen und Leser, informiert habe.  Besonders schön fand ich, dass ich es auch unter den Bedingungen dieses besonderen Jahres geschafft habe, jeden Monat einen Baum-Post zu veröffentlichen und euch sogar elf Bäume näher zu bringen. Dabei habe ich davon gezehrt, dass ich vor meinem Rückzug in den häuslichen Bereich während der Pandemie dem Botanischen Garten Köln einen Besuch abgestattet und eine ganze Reihe Bäume "auf Vorrat" fotografiert hatte. Ich hoffe, ich finde  auch für ein weiteres Jahr "Mein Freund, der Baum" noch genug Möglichkeiten, den Bäumen hinterherzuspüren. Lust habe ich weiterhin!


Baumfreunde dürfen sich also auf einen neuen Beitrag Ende Januar freuen. Aber vorher hoffe ich auf viele Beiträge von euch. Die Verlinkung ist wieder einen Monat geöffnet.




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13 Kommentare:

  1. Liebe Astrid
    So gerne habe ich deine vielen Informationen über die Arve gelesen. Den Baum kenne ich seit meiner Kindheit, denn im Kanton Graubünden sah ich ihn während den Ferien und oftmals waren Möbel/Räume aus diesem Holz hergestellt. Es duftet wirklich ganz, ganz fein. Ich mag es sehr.
    Dank dir habe ich jetzt mein Wissen über diesen Baum aufgestockt und werde ihm das nächste Mal ganz anders begegnen. Vielen Dank.
    Dir einen schönen Sonntag und liebe Grüessli
    Eda

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  2. Die Zirbe ist so ein toller Baum. Welche Lebensbedingungen er hat und wie groß und wohlriechend er werden kann. Einfach beeindruckend. Ich habe ein kleines Zirbenkissen neben dem Bett liegen. Ein Placebo :-)... wirkt nicht immer, aber macht mir trotzdem Freude :-).
    Wenn Du uns weiterhin im neuen Jahr Deine Baumfreunde vorstellst, darauf freue ich mich auch. Ich finde es immer total interessant und danke für all die Bäume, die ich durch Dich neu oder besser kennengelernt habe!
    Einen schönen Sonntag wünscht herzlichst
    Sieglinde

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  3. Was für eine schöne Vorstellung. Dein Christbaum ist wunderschön - Du hast recht, ein besonderes Weihnachtsfest braucht einen besonderen Baum. Dir ist das meisterhaft gelungen... Zauberhaft. Genieß Deinen Abend.

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  4. Vielen Dank für diese Vorstellung, Astrid...außer als kleine Zirbe wie auf dem ersten Foto kannte ich den Baum nicht wirklich...nagut, vielleicht noch die nachgesagte Wirkung eines Zirbenkissens. Ich freue mich, dass es auch im nächsten Jahr bei dir weitergeht...wir können nicht genug auf unsere Bäume und Wälder aufmerksam machen und den segensreichen Nutzen für uns Menschen betonen. Allein im heißen Sommer geht nichts über das Eintauchen in kühle Waldregionen oder unter einen schattenspendenden Baum.
    Lieben Gruß und einen gemütlichen Abend, Marita

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  5. Ein wenig wusste ich schon über die Zirbe. Wunderbarer Duft, wunderschönes Holz. Sehr beeindruckender und schöner Baum. Danke Dir für all die Baumprofile und besonders das heutige.
    Liebe Grüße
    Nina

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  6. Fehlt nur noch der Duft ;-)
    Danke, liebe Astrid und gute letzte Tage "zwischen den Jahren"!

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  7. Ein beeindruckender Baum. An eine Zirbelstube kann ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern, als ich mit meiner Tante mit nach Österreich durfte. Einer der Söhne hat uns vor ein paar Jahren einen Zirbenschnaps mitgebracht. Oha!
    LG
    Magdalena

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  8. Liebe Astrid,
    da hast du einen meiner Lieblingsbäume beschrieben. Schon aus früher Kindheit (siehe mein Buch) kenne ich Aussehen, Geruch und die ihm nachgesagte Heilkraft insgesamt. Ich schlafe seit langem mit einem Zirbenholzkissen neben mir, das ich immer mal durchknete. Dann entströmt ihm der alltbekannte Duft, und ich wähne mich fast in den geliebten Bergen und Tälern. Danke und herzlichen Gruß, Sunni

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  9. Die Zirbelkiefer ist mir ein Begriff, aber die Zirbe kannte ich noch nicht! So ein schöner Baum und welch ein wunderbarer Duft! Danke für diese wieder so toll aufbereiteten Infos.
    Liebe Grüße - Ulrike

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  10. ...seit einem Urlaub in Tirol, liebe Astrid,
    habe ich auch Zirbenholz im Schlafzimmer, einen geschnitzten Baum und ein kleines Kissen...ich mag es schon, weil es so gut riecht, schlafen kann ich meist auch gut...ich bewundere immer wieder, wie ausführlich du deine Porträts -egal ob Baum oder Frau- recherchierst und beschreibst...

    liebe Grüße Birgitt

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  11. Ach, liebe Astrid, wenn ich auch aktuell nur selten hier bin, du glaubst nicht, wie oft ich an dich denke..., bei tollen Bäumen, tollen Frauen, bei Philosophie, Kunst und Tagespolitik, unsere wenigen persönlichen Begegnungen stehen so lebendig vor mir und ich hoffe so, dass das wieder wird..., sich begegnen und persönlich austauschen. Bis dahin müssen wir uns eben behelfen mit dem, was geht und machbar ist. Eben habe ich mit P. ein Online-Meeting-Tool geübt, damit wir unseren Familienchat auf größeren Bildschirmen organisieren können... Auf den Mini-Handys gerät ja immer irgendwer aus dem Blick ;-). Gestern abend kam auf dem Umweg über Prieros deine liebe Karte bei uns an. Große Freude! Herzliche Grüße nach Köln - Ghislana

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  12. wow
    was für ein herrlicher und wertvoller Baum
    hoffentlich kann er sich weiterhin gut behaupten
    von den Zirbenstuben und dem Zirbenholz gegen Motten habe ich ja schon gehört
    aber dass er so vielseitig ist wußte ich auch nicht
    wieder ein wundervolles Portrait

    liebe Grüße
    Rosi

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  13. Eine Zirbe als Weihnachtsbaum, das musz ein ganz besonderer Duft gewesen sein!
    Ich hatte mal eine Zirbenkerze und die Fam. meines Bruders machte mehrere Jahre Urlaub dort, wo Zirben wachsen und er schwärmte von Zirbenschnaps (in homöopathischen Dosen)...
    Danke für das Baumporträt... bei mir ist es nur ein kleiner Spaziergang geworden. Aber Bäume sind - zum Glück noch! - allgegenwärtig.
    Herzlichst
    Mascha

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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