Während - zumindest als ich ein Kind war - in Deutschland die klitzekleinen Babies vom Storch durch die Lüfte ins Haus ihrer Eltern gebracht wurden, kam der kölsche Nachwuchs aus dem Pütz.
Pütz? So heißt auf Kölsch Brunnen, und ein solcher liegt seit uralten Zeiten in siebzehn Metern Tiefe unter der Kirche St. Kunibert. Dort im Untergrund hat die die Muttergottes - quasi eine Kindergärtnerin der Frühzeit - mit den Seelen der ungeborenen Kölner Kinder gespielt in einem paradiesischen Garten, hell und luftig, und sie mit Brei gefüttert. Ein altes kölsches Lied bringt beide Ammenmärchen zusammen:
"Us däm ahle Kunebäätspötzge / kumme mer all ohn Hemp un Bötzge. /Jo dä Storch, dä hat uns heimjebraat / un bei der Mamm en et Bett jelaat."
Solche Legenden werden immer realistisch ausgeschmückt, um die Überzeugungskraft zu steigern: Verletzungen der Mütter oder ihre Erschöpfung wie die der Hebammen nach der Geburt führte man auf den beschwerlichen Ab- & Aufstieg durch den Brunnenschacht zurück.
Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch riet man, einen Becher des Brunnenwassers in einer Vollmondnacht zu trinken. Die alsbald eingetretene Schwangerschaft darf in der Stadt der elftausend Jungfrauen nicht wirklich wundern. Älteren Kindern einer so geschwängerten Mutter wurde bei Nachfragen nach dem dicken Bauch beschieden: "Das ist nur eine dicke Beule, die hat sich die Mamm doch geholt, als sie sich vor einigen Wochen am Kunibertspütz gestoßen hat! Habt ihr das etwa schon vergessen?"
Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch riet man, einen Becher des Brunnenwassers in einer Vollmondnacht zu trinken. Die alsbald eingetretene Schwangerschaft darf in der Stadt der elftausend Jungfrauen nicht wirklich wundern. Älteren Kindern einer so geschwängerten Mutter wurde bei Nachfragen nach dem dicken Bauch beschieden: "Das ist nur eine dicke Beule, die hat sich die Mamm doch geholt, als sie sich vor einigen Wochen am Kunibertspütz gestoßen hat! Habt ihr das etwa schon vergessen?"
Zu finden ist der legendenumwobene Pütz heute in der Krypta der jüngsten der schönen romanischen Kirchen der Stadt. Direkt darüber, im Chorraum vor dem Hochaltar, bedeckt seit 1955 eine Schieferplatte die ( virtuelle ) Verlängerung der Brunnenöffnung. Darauf dargestellt ist der Kindersegen. Leider ist es mir nicht gelungen, in den Chor der Kirche zu kommen und sie zu fotografieren. Stattdessen habe ich eine kleine Brunnenschönheit eingefügt, zu Füßen des Domes gelegen ( und von daher im Touristengetümmel schnell mit solchen getreten ): der "Taubenbrunnen", von Ewald Mataré 1953 geschaffen:
Man kann davon ausgehen, wenn man sich ein wenig mit der Art& Weise der Christianisierung vertraut gemacht hat, bestehende vorchristliche Heiligtümer einfach zu vereinnahmen ( und die, die daran glaubten gleich mit ), dass die angeblich fruchtbarkeitsspendende Quelle schon in fränkischer Zeit eine Kultstätte war, manche nehmen sogar ein keltisches Druidenheiligtum an.
Dort wurde dem Clemens von Rom, zweiter oder dritter Nachfolger von Petrus (ca. 50–100 n. Chr.), Schutzpatron der Seeleute und gegen alle Gefahren, die vom Wasser drohen, von Kunibert, Bischof von Köln und Berater von König Dagobert I, im 7. Jahrhundert eine kleine Kirche erbaut, in der auch der Bischof seine letzte Ruhestätte fand.
Dort wurde dem Clemens von Rom, zweiter oder dritter Nachfolger von Petrus (ca. 50–100 n. Chr.), Schutzpatron der Seeleute und gegen alle Gefahren, die vom Wasser drohen, von Kunibert, Bischof von Köln und Berater von König Dagobert I, im 7. Jahrhundert eine kleine Kirche erbaut, in der auch der Bischof seine letzte Ruhestätte fand.
Kunibert, an der oberen Mosel geboren und dem dortigen Adel entstammend, wurde 623 Kölner Erzbischof und stante pede soll ihn eine Taube zum Grab der heiligen Ursula ( womit wir dann wieder bei den elftausend Jungfrauen wären ) geführt haben. Die Kirche in ihrer heutigen Form ist dann erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet worden. Warum sie den Wasserheiligen als Schutzpatron verlor und nun dem Stifter geweiht wurde, habe ich nicht herausgefunden.
Bis heute gilt unter waschechten Kölnern ( und die sind dem rheinischen Katholizismus verbunden ), dass man mit dem Wasser aus dem Pütz in St. Kunibert getauft sein sollte...
Weil es in dieser Geschichte um ein ganz besonderes "Eau de Cologne", um Wasser geht, verlinke ich den Post mit dem Monatsmotto der Zitronenfalterin.
Bis heute gilt unter waschechten Kölnern ( und die sind dem rheinischen Katholizismus verbunden ), dass man mit dem Wasser aus dem Pütz in St. Kunibert getauft sein sollte...
Weil es in dieser Geschichte um ein ganz besonderes "Eau de Cologne", um Wasser geht, verlinke ich den Post mit dem Monatsmotto der Zitronenfalterin.
Spannend, woher so die Mythen kommen. Und woher die Kirche sich ihre Geschichten geklaut hat.
AntwortenLöschenEin Berliner wird übrigens mit Spreewasser getauft.
Lieben Gruß
Andrea
Oh liebe Astrid, wie toll geschrieben und danke für so viel Wissen am Morgen! Herrlich, wenn sich Kult und Glaube verwebt und ein Wust an Absonderlichkeiten und Neuverehrungen hervorbringt. Ich habe deinen Beitrag mal wieder sehr gerne gelesen und danke dir für diese Bereicherung! LG. Susanne
AntwortenLöschendanke dafür. in kombination mit deinem beitrag zu maria 2.0 wirkt das ganze ja nochmal abstruser als mensch die kirche und ihre wirren eh schon finden kann...
AntwortenLöschenliebst,
jule*
Guten Morgen liebe Astrid,
AntwortenLöschendanke für diesen schönen informativen Post. Man denkt ja bei Eau de Cologne normalerweise nur an das eine (von Farina gegenüber!)...Ja das mit der Christianisierung hat vieles vermischt und dann auch viel Aberglauben hervorgebracht... aber irgendwio müssen die Kinder ja herkommen! Und alles Leben nahm ja seinen Ursprung im Wasser -
Maiglöckchenduftgrüsze für einen sonnigen Tag
Mascha
Das ist ja mal ein ganz neues Eau de Cologne. Sehr interessant und heiter geschrieben vor Dir, die Du doch eine "Nase" bist.
AntwortenLöschenSolcherlei Mythen gibt's an vielen Orten und es immer ein Fünkchen Wahrheit dabei, sonst könnten sie sich gar nicht so lange halten.
Bei uns gibts Pegnitz-Wasser, aber da muss der Storch durch.
Danke für die Kölsche Variante...
LG Sieglinde
Für eine Nicht- Kölnerin eine sehr gute Lehrstunde. Vielen Dank für die Informationen. Beste Grüße von Rela
AntwortenLöschenHihi, willst du wissen, was ich beim Lesen deines Blogtitels gedacht habe?!?! Wie jetzt redet sie über "4711 Kölnisch Wasser"? Naja Kölnisch Wasser dann ja, aber nicht 4711. Denn ich glaube, damit möchte niemand getauft werden ;-)))))))))))))))
AntwortenLöschenGruß Marion
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenmein Sohn ist zwar in Köln geboren - aber a) nicht standesgemäß im Severinsklösterchen, sondern auch noch b) auf der Schäl Sick und das hat dann zu c) geführt: getauft mit Wasser aus der Schlei (Schleswig Holstein).
Also ist auch er ein Immi ;o)
Winke, winke
Astrid rechtsrheinisch
Was für ein spannendes Eintauchen in das wahre Wasser Kölns. Die Sagen werden gewiss sehr alter, vorchristlicher Herkunft sein. Es ist ja nicht selten, dass sie aufgegriffen und "christianisiert" wurden. Irgendwann verselbstständigen sich dann diese Geschichten. Jetzt weiß ich wenigstens, woher die "waschechten" Kölner herkommen.
AntwortenLöschenDanke für diesen wunderbaren Beitrag zu meinem Monatsmotto.
Liebe Grüße
Andrea
Wieder was gelernt.
AntwortenLöschenhe, du klaust mir die Worte!
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