Donnerstag, 6. Dezember 2018

Great Women # 163: Caroline Weldon

Der einzige Grund für mich, eine Reise in die Vereinigten Staaten ins Auge zu fassen, war Zeit meines Lebens der Wunsch, die Ureinwohner dieses Landes zu besuchen und kennenzulernen. Gut, verpasst... Als Thema sind die sogenannten "Indianer" auch ziemlich vom Tapet. Dass jetzt erst die ersten Frauen indigenen Ursprungs ins Repräsentantenhaus gewählt wurden - Sharice Davids und Deb Haaland - sagt meiner Meinung auch viel aus über den Umgang der weißen Amerikaner mit den Ureinwohnern ihres Landes: Sie sind so gut wie kein Thema, es sei denn für den Film. Als ich etwas mehr über den Film über Catherine Weldon - "Die Frau, die vorausgeht" -  gelesen hatte, fühlte ich mich wieder enorm bestätigt, denn der schrappt mal wieder haarscharf an den Tatsachen vorbei, wie es anscheinend immer normaler wird im Land der Fakenews: Die Frau ist nämlich eine veritable viktorianische Bürgerrechtlerin gewesen, die ein eindrücklicheres Denkmal verdient hätte!
dpa
Caroline ( nicht Catherine ) Weldon kommt am 4. Dezember 1844 als Susanna Karolina Faesch, jüngste Tochter von Anna Maria Barbara Marti und Johann Lukas Faesch, einem ehemaligen Stabsoffizier der französischen Armee, zur Zeit ihrer Geburt  aber Basler Wiesenbannwart - bei uns im Dorf hätte das Flurwächter geheißen - , im Kleinbasel zur Welt.

1848 verliebt sich ihre Mutter in den im Basler Exil lebenden deutschen Freiheitskämpfer Karl Heinrich Valentiny. Der, eigentlich aus Dortmund stammend, ist vor den revolutionären Ereignissen von 1848 als Militärarzt in Algerien gewesen und hat sich nach Niederschlagung der Märzrevolution durch die Preußen seiner Festnahme durch Flucht in die Schweiz entziehen können. Die Affäre führt 1849 zur Scheidung. 1850 verlässt Valentiny Basel, um in die Vereinigten Staaten zu emigrieren wie viele "Achtundvierziger" damals, und er schafft es nach etlichen Widrigkeiten, sich in Brooklyn als Heilkundiger niederzulassen. Anna Maria Barbara folgt dem jüngeren Mann 1852, ihre jüngste Tochter Karolina im Schlepptau. Die ältere Tochter Elisabeth und den Sohn Albert lässt sie beim Vater zurück.

In Brooklyn hat das halbwüchsige Mädchen ein Schlüsselerlebnis, das sie 1891 in einem der seltenen Interviews mit ihr der "Chicago Tribune" beschreibt: Sie hat nämlich damals einen armen Irokesen mit federnem Kopf - und Perlenschmuck in ihrem Viertel Cobble Hill am Fenster vorbeigehen gesehen, ihn ins Haus ihrer Familie eingeladen, ihn durchgefüttert, während er ihr "die Sorgen seines Volkes" erzählt hat. Ab da interessiert sie sich leidenschaftlich für die Mitleid erregende Geschichte der amerikanischen Ureinwohner und verarbeitet sie auch immer wieder zeichnerisch & lyrisch. 
Dieses Foto wird oft fälschlich als das
der jungen Caroline Weldon ausgegeben.
Tatsächlich zeigt es eine auf den Rollstuhl
angewiesene Kanadierin
namens Catherine Weldon,
die in keiner Beziehung zu Caroline steht.

Im aufgeschlossenen, freigeistigen Haushalt der Valentinys entwickelt sich das intelligente Mädchen unter dem Einfluss ihres Stiefvaters zu einer Art gebildeter Bohèmien. Mit etwa 19 Jahren kehrt Caroline bis 1865 in die Schweiz zurück und lebt dort bei ihrem leiblichen Vater.

Ebenfalls eit 1865 lebt bei den Valentinys als Hausgast ein junger, aus Schaffhausen stammender Arzt namens Bernhard Claudius "Claude" Schlatter, vier Jahre älter als Caroline. Der hält bald um die Hand der 21jährigen an, und der Stiefvater scheint einer Heirat gerne zuzustimmen, weil er hofft, die Ehe mit ihren neuen Pflichten könne die Tochter von ihrer Erinnerung an alte Indianergeschichten abbringen.

Schlatter eröffnet ebenfalls eine Praxis in Brooklyn und ab 1866 leben sie dort als Ehepaar - eine wohl freud- wie kinderlose Ehe, denn der junge Mann kommt mit der romantischen wie intellektuellen, immer noch lebhaft am Schicksal der amerikanischen Ureinwohner interessierten jungen Frau nicht wirklich zurecht. 

"Die Tatsache, dass sie sich überhaupt für indianische Rechte interessierte, war radikal", sagt Eileen Pollack, die über Caroline & Sitting Bull ein maßgebliches Werk geschrieben hat. Selbst liberale Amerikaner vertreten damals die Meinung, Indianer müssten sich vollkommen assimilieren.

Die innerliche Distanzierung vom Ehemann erfolgt also recht bald, denn Carolines Interessen & ihr Lebensstil passen ganz und gar nicht zu seinen Vorstellungen. Im Sommer 1976 lernt Caroline dann den Bürgerkriegsveteranen, Abenteurer & gelernten Drucker Christopher J. Stevenson kennen, mit dem sie sich nach Hoboken auf der anderen Seite des Hudson Rivers auf und davon macht. Als sie mit ihm einen Sohn, Christopher, genannt Christy, bekommt, lässt sie Stevenson bald sitzen und kehrt zu seiner Frau, mit der er schon sechs Kinder hat, zurück. Es ist ein Skandal: Viktorianische Frauen haben schon nicht ihren Ehemann zu verlassen, geschweige denn ein uneheliches Kind zu bekommen!

Schlacht am Little Bighorn
Gedemütigt zieht sie sich zu den Eltern zurück, verdient ihr Geld mit Stickereien und Kunsthandwerk und malt - übrigens ihr ganzes Leben lang nur als Hobby - und ist eine Volkskunst- Amateurin. Und sie beschäftigt sich weiter intensiv mit dem Schicksal der amerikanischen Ureinwohner, mit dem Freiheitskampf der Lakota, Cheyenne und Arapaho gegen die Truppen der USA zum Beispiel und mit jener Schlacht im Juni 1876 am Little Bighorn, bei der die alliierten Indianerstämme unter Führung von Sitting Bull einen der wenigen größeren indianischen Siege gegen die U.S. Army erzielen, der Häuptling allerdings zur anschließenden Flucht ins benachbarte Kanada gezwungen ist.

1882 stirbt Carolines Stiefvater, und im Jahr darauf wird sie von Schlatter geschieden, sehr öffentlich und mit einem für sie schändlichen Ende: Es wird ihr verboten, sich erneut zu verheiraten. Caroline ist nun doppelt geächtet: Erstens als uneheliche Mutter und nun auch noch als geschiedene Frau. Eileen Pollack sieht darin den Grund, dass sie ihren Namen nun von Susanna Karolina Faesch Schlatter in Caroline Weldon ändert. Für eine erneute Eheschließung gibt es nämlich keinen Beleg ( und für eine Witwenschaft, wie sie im Film behauptet wird, auch nicht ). Auf jeden Fall unterschreibt sie einen ersten Brief an James McLaughlin, den Regierungsagenten, der das Reservat der Lakota beaufsichtigt, mit dem neuen Namen, in dem sie um Erlaubnis bittet, Sitting Bull in Standing Rock besuchen zu dürfen.

Aufmerksam verfolgt sie nach wie vor die Entwicklung und schließt sich der "National Indian Defense Association"( NIDA ) an, einer damals umstrittenen Lobby - Organisation für die Rechte der Ureinwohner Nordamerikas auf ihre ganz eigene Kultur, Sprache, Lebensweise. Sie studiert die Landkarten und die Gesetze, die die US - Regierung in Bezug auf die Ureinwohner der Vereinigten Staaten erlässt, und bringt sich selbst die Lakota-Sprache bei.

Nach dem Tod der Mutter 1887 erbt sie ein kleines Vermögen und kann sich endlich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen: Im Juni 1889, im Alter von 44 Jahren, lässt "Frau C. Weldon" ihren Sohn bei Freunden und steigt in den Zug in Richtung Dakota - Land. Als weiße Frau alleine durch die Territorien der Indianer zu reisen, gilt als äußerst gefährlich, schreckt Caroline aber nicht. Eileen Pollack, deren "Woman Walking Ahead"- Buch die Grundlage für den oben genannten Film gewesen ist, hält Caroline auch nicht für verrückt oder für eine Verräterin, eine Art "Hanoi Jane" der viktorianischen Ära, ähnlich wie es Jane Fonda in der Zeit des Vietnamkrieges unterstellt worden ist:
"Diese weiße Frau hatte alles aufgegeben, um von Brooklyn zu den Dakotas zu fahren, weil sie eine Verbündete der Menschen war, von denen sie glaubte, dass sie keine Verbündeten haben, sie es aber verdient hätten", so Pollack. Und weiter: "Sie war eine außergewöhnliche Frau. Wenn Weldon ein Mann gewesen wäre und getan hätte, was sie getan hat, denke ich, dass es eine gute Chance gegeben hätte, dass wir heute alles über sie wissen würden."
Sitting Bull (1883)
Ganz anders als im Film dargestellt, reist Caroline Weldon also nicht zu Sitting Bull, um ihn zu malen, sondern in ihrer ganz persönlichen Mission, nämlich die Sioux-Leute vor einer Regierung zu retten, die ihnen ihr Land und ihre Lebensweise wegnehmen wollen. Und sie hofft, ihn bei der Mobilisierung der anderen Stammesführer in der Region unterstützen zu können, um sich dem Dawes Act, 1887 erlassen, zu widersetzen, der das 55 Millionen Hektar große Land der Sioux-Reservation praktisch enteignen und für die Besiedlung durch Weiße vorbereiten soll, um die Bundesstaaten North - und South - Dakota errichten zu können:
"Das Gesetz verfolgte hauptsächlich zwei Ziele: Zum einen sollte so das Gemeinschaftsgefüge der Indianer gebrochen und die Indianer somit in die amerikanische Gesellschaft integriert werden. Die Indianer sollten Farmer werden. Als solche, so die offizielle Meinung, würden sie viel weniger Land brauchen als sie für ihre traditionelle nicht-sesshafte Lebensweise als Jäger und Sammler beanspruchten. Die Indianer selbst wehrten sich meist gegen ein Leben als Farmer... Einen weiteren Vorteil der Parzellierung sah die Regierung in dem so freigewordenen überschüssigen Land, das sie mit Gewinn an Weiße verkaufen konnte... Das parzellierte Land sollte vom Bureau of Indian Affairs (BIA) so lange treuhänderisch verwaltet werden, bis die Indianer gelernt hatten, es wie Weiße zu halten, das heißt bis aus den Indianern Farmer geworden waren. Erschwerend kam für die Indianer hinzu, dass das beste Land an Weiße verkauft wurde und sie mit zweitklassigem Land vorliebnehmen mussten. Nebst der Landparzellierung sollten weitere Maßnahmen die Indianer im Melting Pot der USA aufgehen lassen. Den Indianern sollte alles Wilde ausgetrieben und sie damit zu Weißen gemacht werden.
Die wohl verheerendste Maßnahme nebst der Parzellierung war die Errichtung von Boarding Schools. Indianerkinder wurden schon sehr früh ihrem Elternhaus und damit dem Reservatsleben entrissen und außerhalb der Reservate in Internate gesteckt. Dort war es ihnen verboten, ihre traditionelle Sprache zu sprechen oder traditionelle Zeremonien abzuhalten... Die Indianerkinder gerieten so in eine kulturelle Depression, die ihr ganzes zukünftiges Leben bestimmen sollte. Das Verbot der traditionellen Sprache und der Ausübung ihrer Stammes-Religion und -Zeremonien galt nicht nur für die Schüler und Schülerinnen der Boarding Schools, sondern für sämtliche in den USA lebenden Indianer." ( Quelle Wikipedia )
In der Tat malt Caroline auch vier Porträts von Sitting Bull, von denen zwei noch erhalten sind. Wesentlicher ist aber, dass sie ihn über die Vorhaben des Dawes Act informiert, indem sie ihm die Texte übersetzt. Sie wird so sein Sprachrohr, Sekretärin, Dolmetscherin und Advokatin des Stammes in einem. Außerdem besucht sie erfolgreich andere Stammesoberhäupter, um sie mit ins Boot zu holen. Das erregt wiederum den Zorn von McLaughlin, der - selbst mit einer Sioux verheiratet - ein entschiedener Anhänger der Assimilation ist, aber auch unter enormem Erfolgsdruck durch die US-Regierung steht, die Ureinwohner zur Kooperation zu bringen.

Sitting Bulls Haus in Standing Rock mit seinen Witwen und Töchtern (1891)

Ihr Besuch im Jahr 1891 sorgt noch für viel mehr Aufsehen als der erste, denn Caroline nimmt nicht nur ihren Sohn Christy mit, sondern lebt mit ihm im Reservat bei Sitting Bull und seiner Familie, darunter auch seine beiden Frauen und mehrere Kinder und teilt mit ihnen Haus & Herd. Nachdem die Regierung die Lebensmittelrationen für die Dakota gekürzt hat, um sie zur Einhaltung des Dawes Acts zu zwingen, unterstützt sie den Stamm mit ihrem Geld. Sitting Bull behandelt Christy wie einen eigenen Sohn und gibt Caroline den Lakota-Namen "Toka heya mani win", was so viel bedeutet wie "Die Frau, die vorangeht".

Die amerikanische Presse dreht ob dieser Sachverhalte völlig durch: Caroline wird als Sitting Bulls "Weiße Squaw", als Indianer - Mätresse, verunglimpft - Schlagzeile der "Bismarck Weekly Tribune": "She Loves Sitting Bull: A New Jersey Widow Falls Victim to Sitting Bull’s Charms". Ihr wird ein "Kind der Liebe" angedichtet und dass die anderen Frauen des Häuptlings sie mit dem Messer verfolgt hätten. Auf jeden Fall schlägt ihr sehr viel Hass ihrer weißen Mitbürger entgegen, denn damals ( wie heute ) scheint die damalige amerikanische Gesellschaft in Extreme gespalten gewesen zu sein:
"Die konservative Position war: Tötet sie alle! Die liberale Position lautete: Hilfe bei der Assimilation, Aufteilung der Reservate. Weldon war eine von wenigen Leuten, die der Überzeugung waren, dass den Indianern einfach erlaubt sein sollte, Indianer zu sein", beschreibt Eileen Pollack.
Caroline Weldon: Sitting Bull (1890)
CC BY-SA 4.0
Eigentlich finden die weißen Eroberern die Ureinwohner Amerikas gänzlich inakzeptabel, sie halten sie für "backwards" and "primitive", dass sie ein solch menschenverachtendes Gesetz auch keine Minute hinterfragen. Christliche Weiße finden ihr Verhalten besonders verdienstvoll, retten sie doch die "Indianer" vor der Hölle, wenn sie diese zu ihrem Glauben bekehren.

"Sie müssen an die Zeit denken", wendet auch Mark Halverson, Archivar  der "State Historical Society" in North Dakota, die eines der beiden noch erhaltenen Porträts von Sitting Bull aus Weldons Hand besitzt, zu einem anderen Gesichtspunkt ein: "Die Vorstellung, dass eine weiße Frau einen amerikanischen Ureinwohner berühren, geschweige denn mit ihm leben würde, war so ziemlich das Letzte."

Tatsächlich scheint der Häuptling ihr angetragen zu haben, sie zu heiraten, denn in ihrem Status ohne Ehemann schien ihm Caroline sehr verletzlich zu sein. Doch sie weist sein Ansinnen zurück. In ihrem Tagebuch vermerkt sie zu dieser Episode: "I think myself just as great as Sitting Bull." Von Verletzlichkeit keine Spur!

Zum Bruch zwischen den beiden kommt es im Sommer 1890 allerdings aus ganz anderen Gründen: Als sich die irrationale und von den weißen Amerikanern als bedrohlich empfundene Geistertanzbewegung auch im Gebiet der Lakota auszubreiten droht, warnt Caroline den Häuptling vor den möglichen negativen Folgen. Sie ist nämlich der Meinung, dass das Ritual von der Regierung als Vorwand für die Entsendung von Truppen zur Zerstörung der Sioux-Nation dienen könnte. Doch mit dieser ihrer Einschätzung stößt sie bei ihm auf taube Ohren, denn ihr Mangel an Einfühlung in die Spiritualität seiner Stammesleute bringt den Häuptling in Verlegenheit und macht Caroline bei diesen nicht gerade beliebt. Daraufhin verlässt Caroline im November das Reservat und macht sich auf den Weg nach Kansas City, wo ein Neffe und eine Nichte von ihr leben.

Tragischerweise tritt ihr Sohn auf einen rostigen Nagel, zieht sich eine Blutvergiftung zu und stirbt auf dem Weg nach Kansas. "Weg von den Dakotas, mein Junge für immer gegangen, was ist noch für übrig für mich?", schreibt sie Sitting Bull.

Das Massaker am Wounded Knee
Source
Einen Monat später -  McLaughlin fürchtet sich davor, dass Sitting Bull eine weitere Rebellion anzetteln könnte - schickt er ihm die Indianerpolizei in einer wohl überlegten Provokation am 15. Dezember 1890 auf den Hals, um ihn zu verhaften. Als seine Getreuen gegen die grobe Behandlung des alten Mannes Widerstand leisten, wird Sitting Bull von dem Indianer-Sergeanten Red Tomahawk durch einen Kopfschuss getötet. Das daraufhin ausbrechende Chaos gipfelt in dem berühmten Massaker vom 29. Dezember am Wounded Knee, bei dem bis zu 300 Männer, Frauen und Kinder der Minneconjou-Lakota-Sioux-Indianer unter Häuptling Spotted Elk sterben und die Übriggebliebenen gezwungen sind, sich an den Dawes Act zu halten. Das Blutbad markiert gemeinhin das Ende des letzten indianischen Widerstands gegen die weiße Expansion.

Beklagt werden in den Medien nur die gefallenen weißen Soldaten und gefordert wird die totale Auslöschung der "Indianer". Erst im 20. Jahrhundert ändert sich der Blick auf diesen Genozid und das Buch "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" von Dee Brown trägt massgeblich dazu bei.

Doch zurück zu Caroline Weldon: Auch die lebt mit gebrochenem Herzen und niedergeschlagen von den Ereignissen als absoluter Outcast in Kansas City. Schließlich gelingt es ihr, wieder nach Brooklyn zurückzukehren. Sie nimmt ihre Stickereiarbeiten wieder auf, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und es gelingt ihr sogar, Aufnahme in einen Kreis gebürtiger Schweizerinnen zu finden, die nichts von der Bürgerrechtlerin Caroline Weldon wissen. Einer von diesen verdanken wir auch das einzig sichere Abbild der damals 71jährigen:

Caroline rechts neben Aline Estoppey  (Ostern 1915) 
Am 25. März 1921 stirbt Caroline im Alter von 76 Jahren an den Folgen der Verbrennungen,  die sie sich zugezogen hat, als eine Kerze ihre Ein-Zimmerwohnung in der Baltic Street in Brand gesetzt hat.

Sie wird im Grab ihrer Mutter und ihres Stiefvaters auf dem Green-Wood Cemetery beigesetzt.

Ab da bleibt auch sie, wie so viele Frauen, eine Fußnote der Geschichte, die nur einmal, 1932, in der Biografie Sitting Bulls von Stanley Vestal einer Erwähnung würdig ist, und zwar unter dem falschen Namen Catherine Weldon. Ein Fehler, der fortgeschrieben wird, auch von Eileen Pollack.

Natürlich hat auch die späte Caroline Weldon dazu beigetragen, ihre Vergangenheit zu verwischen, warum auch immer. Aber wie Eileen Pollack teile ich, je länger ich mich mit den Geschichten der Frauen beschäftige, die Auffassung; "Die männliche Geschichte hat sich entschieden, keine weiblichen Geschichten zu erzählen. Und ich denke, es ist Zeit, das Gleichgewicht wieder herzustellen."

Das geschieht aber nicht durch einen solchen Film, wie ihn Susanna White und ihr Drehbuchautor Steven Knight gemacht haben. Es ist nur wieder eine weitere Legende. Die politische Aktualität, die in dieser Geschichte steckt, haben sie - bewusst? - vergeben. Erst im Abspann des Filmes sieht man einige historische Fotos, an denen der Zuschauer das tatsächliche Ausmaß der Barbarei gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern ablesen kann.

Ich hoffe, ich konnte mit diesem Post dafür interessieren, aber auch Caroline Weldon als einer wirklich bemerkenswerten, selbstbewussten und in jeder Hinsicht mutigen Frau & Anwältin für das Recht eines jeden auf seine Eigenart an dieser Stelle gerecht werden.








Die Beschäftigung mit Caroline Weldon hat mich wieder dem Schicksal der indigenen Völker auf dieser Erde näher gebracht, zumal ein aktuelles Ereignis - der Versuch eines Evangelikalen, die abgeschottet lebenden Sentinelesen zu missionieren - mir wieder einmal die Hybris unserer modernen Zivilisation vor Augen geführt haben. Ein guter Artikel ist hier dazu veröffentlich worden.

19 Kommentare:

  1. Was für ein spannender Artikel!
    Als Jugendliche habe ich mich mit der Geschichte der Ureinwohner beschäftigt. Aber sie fallen in der Geschichte ja wirklich hinten runter. Nur wenn man sie Mal bräuchte, als Geheimsprachen Träger im 2. Weltkrieg z.b. erfahren sie Erwähnung. Und ein spannendes Frauenportrait!
    Liebe Grüße
    Nina

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  2. Danke für das wunderbare Portrait! Ich habe den Film nicht gesehen (ist ja wohl auch besser so). Eine spannende Frau!!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  3. ein interessantes Porträt einer Frau von der ich noch nicht gehört habe.
    Die Schlacht am Little big horn < kenne ich< aus der Sicht der Weißen, um so spannender und denkwürdiger die Sicht mehr auf die indogenen Völker zu richten.
    Danke fürs Vorstellen und Gruß zu dir
    heiDE

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  4. Da hast Du ja mal wieder eine höchst interessante Frau vorgestellt, liebe Astrid. Und auch noch das traurige Schicksal der indigenen Völker dazu.
    Wieviel Mut und Leidenschaft muss diese Frau gehabt haben. Sie hat sich ja völlig außerhalb ihrer Gesellschaft begeben und auch natürlich bei den Indianern war sie auch nicht integrierbar, wie auch. Ein ungewöhnlicher Lebens- und Leidensweg. Raffiniert, wie sie durch Namensänderungen jeweils in die entsprechenden Gesellschaften Eingang findet - und sogar auch wieder zurück zu den braven Schweizerinnen...
    Sie hat ihre Ideale gelebt so gut sie es konnte. Das ist absolut bewundernswert.
    Danke an Dich, dass Du diese Frau hierher in den Blog gebracht hast.
    Übrigens wollte ich noch zur Geschichte Deiner Großmutter und Mutter sagen, dass sie für mich auch zu den Great Women zählen mit ihrem Mut und ihrer Zuversicht wie sie die Flucht und die anschließende Lebenssituation angepackt haben. Da habe ich größten Respekt vor.
    Herzlichst, Sieglinde

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  5. Liebe Astrid,
    danke für diesen sehr informativen und sehr guten Post. Das Buch "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" habe ich übrigens gelesen.
    Ich wünsche Dir noch eine schöne Restwoche.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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    1. Das Buch war mir auch sehr wichtig und hat mein Herz für die amerikanischen Ureinwohner geöffnet. War immer ein wichtiges Thema in all meinen Klassen...
      LG

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  6. Mittagspausenlektüre, wieder so spannend. Und wirft wieder so ein Licht auf die Geschichte und diese nicht abtragbaren Schulden gegenüber ganzen Völkern... Über indigene Völker habe ich im Ethikunterricht der Grundschule auch einiges gemacht, es gibt heute von NGOs so tolle authentische Projektmaterialien. Liebe Grüße Ghislana

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    1. Jahrzehntelang war Ursula Wolfes "Fliegender Stern" im Lektürekanon der Grundschule zu finden. Und drumherum gab es immer Unterrichtsprojekte und die Besuche im Rautenstrauch-Jost - Museum. Aber heutzutage interessiert das Thema die jungen Kollegen kaum noch: Keiner wollte mein umfangreiches Material haben. Also habe ich die Bücher für Kinder in die Bücherbude gestellt.
      LG

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  7. Bonsoir!

    Ein ganz feiner Artikel ist das, der mich beim Nachmittagstee begleitet hat.
    Leider kommen immer noch erschreckende Dinge hoch oder ans Licht oderoder. Vor Wochen stolperte ich über eine Meldung bei ZON?? oder der FAZ??, wonach systematisch indianische Mädchen und Frauen in den USA verschwinden. Und teils auch nie wieder auftauchen. Wo die Familien dann alles umkrempeln, jedes leerstehende Haus, jeden Acker, jeden Hügel und jeden Wald.
    Wenn jemand wie Trump schwadroniert "Make America great again!", hat er ganz sicher nicht diesen Mißstand im Blick. (Da war ja auch was mit einer Pipeline...)

    Und was Schönes in Sachen Ureinwohner: "Das Mädchen vom Amazonas" ist absolut lesenswert und entführt einen zu einem Volk, daß den Eltern der Autorin gestattet hatte, mit ihnen zu leben. Dort hat sie ihren ersten 6 Lebensjahre verbracht. Die Rezension hierzu findet man bei https://www.rezensions-seite.de/rezensionen/biographien-berichte/catherina-rust-das-m%C3%A4dchen-vom-amazonas/


    Einen angenehmen Donnerstagabend (das Wochenende winkt schon, juch-hei!) wünscht
    Franziska

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  8. Ein verspätetes P.S. zu dem Femizid der indianischen Frauen in den USA:
    https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/indigene-frauen-nordamerika-verschwinden-fs/indigene-frauen-nordamerika-verschwinden-fs

    Der im Artikel verlinkte weitere Beitrag, ist lesenswert und zeigt mal auf, wie sehr Indianer als Menschen zweiter Klasse angesehen werden.

    So, jetzt bin ich hier wieder still. :D

    Franziska

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  9. Ich hatte schon immer Schwierigkeiten, mit der Ausrottung der Indianer.
    Bis heute sind diese !Weißen" nicht in der Lage, es zuzugeben, das sie da Scheiße gebaut haben. Und nach wie vor treiben sie es weiter. Empfinde es als richtig! Ich könnte k...
    Schade, das der Film nicht das zeigt, was wirklich war. Immer bekommen wir nur irgendwelche Märchen aufgetischt.

    Wieder eine tolle Geschichte
    Andrea

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  10. ein weitergeleiteter Kommentar von meiner Mama:

    Liebe Astrid,

    bewundernd, staunend, was es für Frauen gibt und gab und Du bringst sie uns näher. Niemals würde ich je noch davon etwas erfahren. Komme ich doch aus der Schulzeit genau 1945 nach dem Ende des Krieges und da lehrte man uns über Indianer rein gar nichts. Außerdem als Mädchen geboren, las man später nicht gerne etwas über die blutrünstigen Pfeil und Bogen Schießer. Liegt alles in der Natur der Sache, daß es mich besonders freut jetzt im Alter davon Kenntnis durch Dich zu bekommen. Allerdings dem Blut vergießen nähern wir uns wieder zunehmends, angesichts schauriger Nachrichten und brutalen Krimis in TV Kanälen. Es braucht weiterhin Great Peoples die Einhalt gebieten, man sucht sie vergebens. Im 21. Jahrhundert strebt man nur nach seinem eigenen Wohlergehen. Danke für diesen Beitrag, Du hast Dich wieder mal gesteigert.

    Mit lieben Grüßen die Helga

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    1. Liebe Astrid, na ist das wieder eine Bestätigung?

      Grüße von der Helga

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    2. Aber ja doch!!! Dank dir, Helga! Du darfst dich noch auf zwei Porttäts vor Weihnachten freuen!
      Ein schönes Adventswochenende!

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  11. merci Astrid pour ce portrait de Caroline Weldon dont le chemin l'a menée et nous mène auj. vers la vie des amérindiens *
    liebe grüsse

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  12. Danke für das Portrait! Eine starke Frau deren Bild verzerrt und verdreht wurde - wie so oft, wenn sie nicht komplett wegeschwiegen wurden. Ach ja die Amerikaner und die Ureinwohner, never ending. Auch heute respektieren die Weissen die Gebiete nicht, nicht die Heiligkeit der Orte, nicht die Unantastbarkeit. Dacota access pipeline, sag ich nur. Herzlichen Gruß zum zweiten Adpfent! Eva

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  13. Was für ein Bericht! Danke.
    Vieles wusste ich, manches nicht. Mit Deiner Recherche füllen sich die Lücken.
    Viele Grüße,
    Karin

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  14. Liebe Astrid,
    danke Dir für das Portrait dieser mir unbekannten Frau. Wie Du so schon so oft geschrieben hast, nur weil sie Frauen waren, ist von ihnen so wenig in den Geschichtsbüchern zu finden.
    P.S. Hast Du über Aenne Burda auch etwas geschrieben? Gefunden habe ich zumindest nichts
    viele Grüße Margot

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  15. wieder so ein tolles Portrait einer starken Frau
    sie hat das Unrecht gesehen.. warum andere nicht auch ??
    und die Nachkommen dieser barbarischen und mörderischen Landräuber halten sich immer noch für etwas Besseres
    Ihre Vorfahren waren schlimmer als all die Einwanderer die heute versuchen ins Land zu kommen
    denn die nehmen anderen nichts weg
    die Vergangenheit ist eigentlich nichts auf das ein Amerikaner stolz sein könnte
    (wie zwar andere auch nicht .. )
    wann wird das alles einmal ans Licht kommen

    danke für den Beitrag
    liebe Grüße
    Rosi

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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