Montag, 15. Oktober 2018

Schändliches Schweigen

Da diesen Freitag entfallen, die Ereignisse rund um Saudi - Arabien und seinen Umgang mit Menschenrechten aber wieder eine erneute Zuspitzung erfahren, sehe ich mich veranlasst, einmal ganz außerhalb der Reihe zu meinem Freitagsthema zu posten, zumal baldige Reaktionen gefordert sind:

Hat der saudische Kronprinz Muhammad Bin Salman erneut einen Kritiker aus dem Weg geräumt? Seit dem 3. Oktober fehlt jede Spur von Jamal Khashoggi, nachdem er einen Termin im saudischen Konsulat in Istanbul hatte. 

Inzwischen schwindet die Hoffnung, dass der Journalist noch lebt, denn mit jedem Tag, der ins Land geht, verdichtet sich der Eindruck, dass er im Generalkonsulat des Königreichs in Istanbul ermordet wurde. Türkische Behörden behaupten das auf jeden Fall, denn sie scheinen über Beweismaterial zu verfügen, dessen Details den Atem stocken lassen ( nach Angaben der türkischen regierungsnahen Zeitung "Sabah" existieren Audiodateien von der Apple-Uhr des verschwundenen Journalisten, die in den iCloud-Speicher übertragen wurden ).


Und wie reagiert die Welt darauf?

Auf die Vereinigten Staaten zu hoffen ist in diesen Zeiten obsolet. Präsident Trump fürchtet um Milliardengeschäfte mit den "schönen Waffen". Und schließlich ist er der Königsfamilie darüberhinaus zu Dank verpflichtet, hat die ihn schon als Geschäftsmann rausgehauen, wenn er klamm war. Kein Wunder, dass seine gesamte Nahost-Politik total auf Riads Interessen zugeschnitten ist. Aber der Mann ist ja ohnehin ein Totalausfall.

Europa? Die Wertegemeinschaft hat schon schmählich versagt, als Kanada übel angegriffen wurde. Unsere Bundesregierung? Nicht einmal ein subalterner Mitarbeiter unseres Außenministers hat auf mein Schreiben geantwortet, wie es bei seinen beiden Vorgängern ( mindestens ) üblich war. Die Bundesregierung kündigte über ihren Sprecher dagegen an, Waffenexporte nach Saudi-Arabien nicht von diesem Ereignis abhängig zu machen, sondern hat nur verlangt, "dass schnell und glaubwürdig Aufklärung geschaffen wird". Das habe der Außenminister getan.

Und die Wirtschaftskonzerne? Am 23. Oktober ist eine "Future Investment Initiative", ein "Davos in der Wüste" und Prestige-Event des Kronprinzen in Riad geplant. Abgesagt haben als Medienpartner die "Financial Times" und "New York Times" ( das wird MbS nicht weh tun ), die Virgin Group will Verhandlungen stoppen und Siemens "verfolgt den Fall sehr genau". Die Münchner Unternehmensberatung Roland Berger hat noch keine abschließende Entscheidung getroffen, der Uber-Chef will sein Kommen davon abhängig machen, ob sich die Faktenlage bis dahin deutlich ändert, und der Internationale Währungsfonds (IWF) wird erst später entscheiden, ob Christine Lagarde wie geplant eine Rede halten wird - Business as usual. Immerhin: Der Tadawul-Index der Börse in Riad landete gestern letztendlich mit vier Prozent im Minus.

Dabei ist der verschwundene Journalist nicht einmal der schärfste Kritiker seines Landes: Aus seinem Exil, das er im Herbst 2017 auf sich genommen hat, kritisierte er weiterhin in seinen Beiträgen für die "Washington Post" und andere Zeitungen & Magazine die Wirtschaftsreformen des Landes als unrealistisch und die fehlende politische Beteiligung seiner Bürger, begrüßte aber die sozialen Reformen.

Was haben dann all die anderen Menschenrechtsaktivisten zu befürchten, darunter der Blogger Raif Badawi, für den ich eigentlich hier jeden Freitag seit über drei Jahren schreibe, die mehr Rechte gefordert haben und dafür inhaftiert worden sind, wenn die Saudis sich nicht einmal scheuen, Killerkommandos in zwei Flugzeugen samt Knochensäge und Gerichtsmediziner in ein anderes Land zu schicken? Werden sie ebenfalls spurlos verschwinden? Was macht das mit ihren Angehörigen?

"Für Aktivisten und Dissidenten in Saudi-Arabien und der ganzen Welt bedeutet das Verschwinden von Jamal, dass die Hoffnung auf einen sicheren Ort im Ausland abnimmt", so Amnesty International. Nachdem unsere politischen Vertreter so feige und ängstlich sind, bleibt uns selbst wieder einmal nur, zu schreiben. Hier ist das möglich.

Saudi - Arabien bestreitet natürlich wieder mal alle Vorwürfe und geht auf die übliche Konfrontation: Jede Handlung gegen das Land werde "mit einer größeren Handlung" beantwortet, haben offizielle Kreise verlautbart.

Wenn sich doch mal alle einig wären, dann könnte man das als Gepupse abtun...

Neueste Meldung: Die türkische Polizei habe die Erlaubnis zur Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul erhalten, schrieb der Washington-Korrespondent der regierungsnahen türkischen Zeitung "Sabah", Ragip Soylu, auf Twitter unter Berufung auf Diplomatenkreise. Die Durchsuchung solle am Nachmittag stattfinden.







Wer einmal einen optischen Eindruck davon bekommen will, wie viele Menschen in Saudi - Arabien inhaftiert sind - hier zu sehen
Gegen die große Mehrheit der Gefangenen liegt keine Anklage vor. Wer den Twitter-Account bedient, ist nicht bekannt.

15 Kommentare:

  1. Dein Montagspost mit Freitagsthema ist aufrüttelnd. Kein sicherer Ort mehr, nirgends...
    Und wieder die Türkei.
    Ich bin froh, dass es Amnesty International gibt und damit die Möglichkeit wenigstens ein kleines bisschen was zu tun.
    Herzlichst, Sieglinde

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  2. 😢😡 … traurig oder wütend …

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  3. ... ich weiß so oft nicht, was ich eher sein soll...
    sowohl von dem, wie in der Welt mit Menschen umgegangen wird (mit kritischen oder mit wehrlosen) oder wie viel Entsetzliches man der Natur antut (aktuelles Thema in meinem Blog: Aluminiumgewinnung ...)
    ... als auch darüber, wie gut die Politiker und die Wirtschaft, die Kontrollinstanzen, diejenigen, die aufpassen sollten, dass in der Welt nichts allzu Falsches passiert, wegschauen können... oder als wie zahnlos sie sich erweisen...
    Ganz herzliche Rostrosengrüße und (trotz alledem) eine gute neue Woche, Traude
    https://rostrose.blogspot.com/2018/10/anl-34-warum-sollten-wir-moglichst-auf.html

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  4. Die saudi-arabische Botschaft ist Saudi-Arabien. Egal wo auf der Welt. Daher sind Botschaften nur so sicher, wie ihr Land. Russische Giftanschläge in England, saudische Morde in der Türkei - wo endet Macht? Unsere Bundesregierung betreibt zur Zeit eher Nabelschau, da die letzten Wahlen gezeigt haben, dass Altes nicht mehr gilt. Ein Gespenst geht um auf der Welt, das Gespenst des "Ich, ich, ich". Jeder kann sich frei entfalten, da ist kein Platz mehr für Rücksicht oder Gemeinschaft. Und so warten die, die Hilfe brauchen, vergebens auf Hilfe.
    Die Frage ist, was werden unsere Kinder und Enkel daraus machen...

    Herzlichst,
    Astrid rechtsrheinisch

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  5. Nun, ich bin bei dir. Die Konsequenzen für die Saudis werden - für uns - überschaubar wirken. Aber es wird Konsequenzen geben.
    Schon alleine weil sich viel zu viele Menschen damit auseinandersetzen (wie eben auch du). Und dadurch entsteht ein Druck auf die Regierungen.
    Wegschauen können sie nicht.
    Und ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie das tun.

    Die USA sind eine Show zur Zeit. Wir müssen selbstständig agieren. Wir müssen reifen. Und das mitten im Wandel.
    Es ist eine Herausforderung. Wir sollten davor nicht zurückschrecken und im Jammern untergehen.

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    1. Deswegen bleibe ich dran. Das Kaninchen ist der Schlange nicht unterlegen, das müsstest du als versierte Filmeguckerin mal mitbekommen haben. Schau mal hier:https://www.youtube.com/watch?v=wITfOVCjVI8
      LG

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  6. Diese Regime wissen halt, was sie sich angesichts der schwachen westlichen Regierungen erlauben können. Und es ist kein Hoffnungsschimmer am Horizont, das macht verzweifelt, traurig, wütend.
    Danke, dass Du dran bleibst und informierst.
    Liebe Grüße
    Andrea

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    1. Es liegt nicht an der Schwäche der Regierungen, sondern am Einfluss der Lobbyisten. Und die schaffen Heilige Kühe, die gewichtiger sind als die Menschenrechte. Der Wunsch der Mehrheit nach Gerechtigkeit & Anstand kann inzwischen nur noch mit Hilfe der Justiz Gehör verschafft werden, siehe
      Hambach oder dieses Urteil in den Niederlanden:
      https://www.dw.com/de/gericht-best%C3%A4tigt-klima-urteil-gegen-die-niederlande/a-45810875
      Man kann Ähnliches bei uns unterstützen:
      https://perspective-daily.de/article/614/w3ckZ2Dz
      Da läuft wenigstens etwas in Richtung Klimagerechtigkeit.
      LG

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  7. und es besteht dir chance, dass, sollte jamal khashoggi mit einer waffe umgebracht worden sein, dies mit einer schweizer waffe geschah...
    mir wird grad ziemlich übel!
    ♥ monika

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    1. och - deutschland als grösster waffenexporteur liefert doch immer gern das material - auch um progressive kräfte zum schweigen zu bringen. was will man schliesslich mit einer friedlichen welt in der es ALLEN gut geht?? eben - kapitalismus lebt ja von ungerechtigkeit - und erdöl.
      falls ich zynisch klinge - das ist absicht. reine notwehr.
      xxx

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  8. ich weiß nicht was ich von der ganzen Sache halten soll
    sind die Saudis wirklich so dumm das in ihrer eigenen Botschaft zu machen?
    Es gäbe doch sicher diskretere Möglichkeiten zu Haufe
    oder geht es nach dem Motto.. wenn wir das so machen glaubt das eh keiner??
    Mich beunruhigt etwas dass sofort von Mord gesprochen wurde ..
    die Sache mit der Uhr ist auch nicht so 100 % wasserdicht wenn man den Medien glauben kann .. sie ist zwar für so etwas ausgelegt aber das türkische Funknetz soll den Dienst nicht unterstüzen
    haben die Türken etwa die Saudis überwacht und bespitzelt? Das können sie aber nicht zugeben.. da wären sie mit der Uhr aus dem Schneider ..
    Oder ist das eine abgekartetet Sache wie mit dem angeblichen Mord in der Ukraine an einem Journalisten (durch die Russen ) der dann quitschvergnügt wieder auftauchte?
    Eine Durchsuchung der Botschaft bringt sicher auch nichts .. denn wenn da etwas passiert ist ist es gründlich weggeräumt
    allerdings lassen sich so auch schnell gefälschte Indizien platzieren
    wie gesagt.. irgendwie ist mir die Sache suspekt
    was natürlich nichts an dem Umstand ändert dass Saudi-Arabien ein Umrechtsstaat ist der anders denkende Bürger verfolgt
    die Türkei aber leider auch

    nachdenkliche Grüße
    Rosi

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    1. Ich muss allerdings auch immer an die dummdreiste Geschichte mit dem Nervengas - Anschlag in Großbritannien denken und welche Windungen sich da der "lupenreine Demokrat" hat einfallen lassen, die waren so grotesk, dass man das alles nicht glauben mochte, weil einem so viel Phantasie einfach abgeht.
      LG

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  9. Du hast so recht, vor allem mit diesem verdammten Lobbyismus... Business as usual, so lange und so weit es geht, und dann um uns her soviel heile Deko-Welt, Laubbläser und Helikoptereltern. Ich frag mich so oft, was daraus werden soll ... Heute habe ich eine Syrerin im Bus kennengelernt, sie war am Samstag zur #unteilbar - Demo in Berlin und so glücklich über diese Mengen von netten freundlichen Deutschen, die sie dort getroffen hat. Gott sei Dank zählt auch das. Liebste Grüße Ghislana

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  10. Inzwischen wird das Ganze ja immer bizarrer. Die Ermordung wird eingeräumt????
    Ich kann das alles nicht mehr fassen und von unserer Regierung ist ja wohl auch nicht viel zu erwarten. Die müssen jetzt ihre Wunden lecken.
    LG
    Magdalena

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  11. Es macht mich so traurig, dass er in die Botschaft gegangen ist, um Unterlagen für seine bevorstehende Hochzeit zu bekommen. Nicht, dass es sonst nicht auch schlimm wäre, aber mir tut die Verlobte so unendlich leid...

    Liebe Grüße
    Sabrina

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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