Freitag, 6. April 2018

Neue Töne aus saudischem Mund


Wir - das heißt die Politik und die Medien im Westen - machen gerade mal wieder den Fehler, auf Saudi - Arabien bzw. seinen neuen Supermann aus der Wüste unkritisch hereinzufallen, und vieles, vieles Andere dem Vergessen anheimzugeben. So zum Beispiel, dass der Blogger Raif Badawi immer noch ( nach nunmehr fünf Jahren, zehn Monaten und zwanzig Tagen ) wegen kritischer Äußerungen gegenüber der Regierung eingekerkert ist und nach wie vor von der Auspeitschung bedroht. Dabei setzt sich seit über drei Jahren die halbe Welt für seine Freilassung ein, aber das saudische Regime gibt kein Jota nach, als handelte es sich bei ihm um den schlimmsten Landesverräter oder Mörder.

Prinz Salman (rechts) bei Marc Zuckerberg im November 2016
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Prinz Salman ist derzeit wieder einmal auf Public - Relations-Tour für sich selbst als tollen, fortschrittlichen zukünftigen König und für sein Land, angeblich auf dem Weg in die Moderne. In Wirklichkeit aber - das sollte man sich immer wieder klar machen - ist er auf der Suche nach Bundesgenossen gegen die regionale Großmacht Iran. Der Streit zwischen dem schiitischen Theokraten-Regime und den arabischen Sunniten-Staaten wird nämlich immer aggressiver ausgetragen und hat den Zwist zwischen Israelis und Palästinensern als DEN nahöstlichen Kernkonflikt abgelöst. Für Prinz Salman geht es um eines: Wer gewinnt die Vorherrschaft im Nahen Osten - die Sunniten-Nationen unter saudischer Führung oder die Iraner mit ihrer Allianz aus Syrern und libanesischer Hisbollah-Miliz?

Das hat wenig mit Erneuerung und schon gar nicht mit Friedenswillen zu tun, im Gegenteil. Und auf diesem Hintergrund sollte man das Entgegenkommen gegenüber Israel sehen. Das ist übrigens auch gar nicht so neu:
"Fast wortgleich hatte sich 2002 ein anderer Saudi geäußert, der spätere König Abdullah. Dessen Initiative wurde sogar von der Arabischen Liga aufgegriffen und zu einem Friedensplan aller arabischen Staaten umetikettiert - nur, um ein paar Jahre später folgenlos im Treibsand des jahrzehntealten Nahostkonflikts zu versinken", schreibt die Süddeutsche Zeitung dazu. 

Auch auf anderem Gebiet soll uns Westlern wohl weiterer ( Wüsten-)Sand in die Augen gestreut werden:

Kürzlich verkündete Prinz Salman nämlich in einem Interview mit dem investigativen Nachrichtenmagazin des US-Senders CBS: Frauen und Männer seien  "absolut" gleich. "Wir sind alle Menschen, da gibt es keinen Unterschied", sagte er in der Sendung  "60 Minutes-Interview" .

Während seines Gesprächs stellte er die Saudis als Opfer des benachbarten Irans dar, der ja ab 1979 eine strenge religiöse Entwicklung nahm und dadurch in Saudi-Arabien Extremisten an die Macht verholfen hat ( ??? ) . "Das ist nicht das wahre Saudi-Arabien", behauptete der Prinz. "Ich würde die Zuschauer bitten, ihr Smartphone zu benutzen, um das selbst herauszufinden. Sie können Saudi-Arabien in den 70ern und 60ern googeln und sie werden das echte Saudi-Arabien auf den Bildern zu sehen bekommen."

Die Trennung der Geschlechter am Arbeitsplatz widerspräche natürlich dem "wahren Modell" des Islam, ebenso die schwarze Abaya, die aus dem Straßenbild Saudi-Arabiens nicht wegzudenken ist. Vom islamischen Gesetz, der  Scharia, würde das nämlich nicht verlangt, so der Prinz, und Frauen dürften deshalb auch nicht gezwungen werden, diese zu tragen. Das habe auch Sheikh Abdullah al-Mutlaq, ein hochrangiger saudisch-islamischer Gelehrter, vor einem Monat gesagt, mit der Begründung, 90 Prozent der Frauen in der muslimischen Welt täten das ja auch nicht.
"Die Gesetze sind sehr klar und in den Gesetzen der Scharia ist festgelegt, dass Frauen anständige, respektvolle Kleidung tragen sollen, so wie Männer auch", sagte der Prinz außerdem noch in der Sendung. „Dies ist jedoch nicht spezifiziert auf eine schwarze Abaya oder eine schwarze Kopfabdeckung. Die Entscheidung bleibt den Frauen überlassen, welche Art von anständiger und respektvoller Kleidung sie tragen möchten."
Und weiter:
"In Saudi-Arabien haben Frauen ihre vollen Rechte noch nicht erreicht. Es gibt im Islam festgelegte Rechte, die sie immer noch nicht haben. Wir sind sehr weit gekommen und haben noch einen kurzen Weg vor uns." 
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube...

Wenn es um Menschenrechte geht, hat Saudi-Arabien allerdings noch einen langen Weg vor sich. Mein Maß für den menschlichen Fortschritt in diesem Land ist, wie es mit seinen Kritikern umgeht. Da sehe ich alles Mögliche, aber keine Einsicht, keine Umkehr...


Die kritische Auseinandersetzung mit den Aussagen meines letzten Freitagsposts hat mich hingegen sehr gefreut, denn genau eine solche ist wohl momentan notwendig, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch seine Umgebung geht. Selbst die "Bild am Sonntag", grade nicht eine Bildungseinrichtung, greift ein solches Thema in ihrer Osterausgabe auf. Selbst Kinder im 1. Schuljahr treibt das Thema um, wenn sie Mitschüler mit Aussagen bedrängen wie: "Du musst aber an Gott glauben." Oder: "Gott wird dich dafür strafen!", wenn man das Gegenteil kundtut - ein Indikator dafür, wie in den Familien über Religion gesprochen wird. Es zeigt mir aber auch Religion als Spaltpilz in der Gesellschaft. Nicht neu, aber längst überwunden geglaubt...

Angesichts der jüngsten Fälle von religiösem Mobbing an Schulen haben auch die säkularen Immigrantenverbände einen Neuanfang in der Islampolitik beim Innenminister angemahnt:

Die Zusammenarbeit mit Vertretern des politischen Islam in Deutschland gehört in ihren Augen ( und meinen auch ) beendet, fordert zum Beispiel der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände. Die von Schäuble einstmals ins Leben gerufene Islamkonferenz muss man als gnadenlos gescheitert betrachten, wenn immer mehr Kinder aus muslimischen Elternhäusern andere Kinder verfolgen, weil diese nicht an Allah glauben. Dass dies auch christliche Kinder tun ( siehe oben ), zeigt mir, wie sich da ein Konflikt hochschaukelt...





5 Kommentare:

  1. Ja, nun müssten Taten folgen in Saudi-Arabien. Töne hatten wir nun genug. Raif Badawis Freilassung wäre einer dieser Taten. Wirkliche Gleichberechtigung für Frauen dort - eine andere.

    Dass sich der religiöse Konflikt nun verstärkt in unseren Schulen austrägt, ist eine schlechte Entwicklung.
    Ja, wir in unserer Generation dachten und hofften, dass das großteils überwunden ist. Nun müssen wir als Omas mit Herz und Hirn da wieder ran, wenn und weil es unsere Enkel betrifft.
    Gibt es in den Schulen Deiner Enkel dazu für Dich schon Erfahrungen?
    Liebste Grüße von Sieglinde

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    1. Nein. Es zeigt aber, welch ausgrenzende Wirkung konfessioneller Religionsunterricht in öffentlichen Schulen hat. ( Karin Be hat darüber ja in einem Kommentar vor einerWoche geschrieben. ) um am katholischen Unterricht teilnehmen zu können, bedarf es einer Genehmigung von oberer kirchlicher Stelle...
      Es erinnert mich so an das Zwanghafte in meiner Kindheit....
      LG

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  2. Liebe Astrid,
    genau das treibt mich um.Und da ich sowohl in meiner Schule im Ansatz als auch nun bei der ältesten Enkelin solche Erfahrungen mache, bin ich sehr traurig über eine Entwicklung,die offenbar erneut auf eine Zuspitzung zu läuft. Religion als Spalter. Als nächstes wären dann Kriege zu erwarten, und zwar hier in Europa, wo ja viele meinen, dass wir so sicher und ungetrübt leben würden.Weit davon sind wir nicht mehr. Ich bin auch weiter und strikt ein Verfechter des Gedankens, dass Religionsunterricht nicht in die Schule gehört und auch nicht zensierbar ist. Herzlich, Sunni

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  3. es treibt mich- die angebliche Gleichberechtigung in Saudi Arabien und mein Magen dreht sich wenn ich diese Aussagen vom Kronprinzen höre und lese.
    Wie lange will er uns Westler noch < vorführen<???? und belügen!!
    Der Islamverband ist auch durchaus verlogen und sollte ausgesetzt werden.Bei den christlichen Religionen liegt auch einiges im Argen.
    Während ich jetzt schreibe merke ich meine Wut besonders!!
    Heute, Samstag, möchte ich die Sonnenstrahlen geniessen und das wünsche ich dir auch.
    Schönes WE
    heiDE

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  4. Ja, auch ich lese die Nachrichten und Verlautbarungen aus Saudiarabien voller Zweifel, was da nun wirklich an Fortschritt dran sein soll. Liebe Grüße Ghislana

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