Freitag, 23. März 2018

"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht"


"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht. Nach den Verfolgungen, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten können, dass sie für das hier eingebrachte Ermächtigungsgesetz stimmt.(. . . ) Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft schöpfen. Wir grüßen die Verfolgten und Bedrängten. Wir grüßen unsere Freunde im Reich. Ihre Standhaftigkeit und Treue verdienen Bewunderung. Ihr Bekennermut ihre ungebrochene Zuversicht verbürgen eine hellere Zukunft." ( Die Rede kann im Originalton hier nachgehört werden. )

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Heute vor 85 Jahren, am 23. März 1933, sagte das in seiner legendären Rede in der Berliner Krolloper Otto Wels, Abgeordneter im Reichstag, als er im Namen seiner Partei, der SPD, das "Ermächtigungsgesetz" der Nationalsozialisten ablehnte - eine Schlüsselszene der deutschen Demokratie!

Otto Wels sprach damit die letzten freien Worte im Deutschen Reichstag, denn dieses Gesetz setzte die Wahrung aller Grundrechte aus, wie sie die Weimarer Verfassung von 1919 formuliert hatte, als da waren Freizügigkeit, Berufsfreiheit, Auswanderungsfreiheit, das Briefgeheimnis, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum. Vorher hatte Adolf Hitler zum ersten Mal vor dem Reichstag gesprochen ( und viele Abgeordnete sahen ihn überhaupt das erste Mal dort ). 

Einzig und allein die 94 anwesenden Abgeordneten der SPD stimmten damals gegen das Gesetz. ( Die 81 Mandate der KPD waren durch eine Verordnung nach dem Reichstagsbrand durch das Naziregime bereits vorher annulliert worden. ) 

Otto Wels hat also die Rolle in der Geschichte Deutschlands inne, die Totenrede auf die verlorene erste deutsche Republik gehalten zu haben. Wenig später floh er ins Exil, um dort in Prag die nunmehr verbotene Partei neu aufzubauen. Hitler, der ihn glühend hasste ( bereits kurz vor der "Machtergreifung" im Januar 1933 hatte ein bekennender Nazi Wels eine Weinflasche über den Kopf gehauen ) und seinen Schergen in die Hände zu fallen, blieb Otto Wels erspart, denn er starb im September 1939 in Paris, bevor die Nazis die Stadt eroberten.



Als ein Mann, der die unveräußerlichen Grundrechte der Menschen verteidigt und ein Gegner des Hasses des Rechtsextremismus gewesen ist, ist Otto Wels ein Vorläufer all derjenigen, über die ich an dieser Stelle seit über drei Jahren poste. Deshalb habe ich meinen heutigen Beitrag ihm gewidmet und an die Zeiten in unserer Geschichte erinnert, in der die Menschenrechte und die Meinungsfreiheit zu Grabe getragen worden sind.

Im März 2017 ist Otto Wels zum Namensgeber für ein Parlamentsgebäude am Berliner Boulevard Unter den Linden ausgewählt worden. 


4 Kommentare:

  1. danke auch dieses Mal für einen Artikel, der von möglichst vielen gelesen werden sollte. Deine posts sind querbeet von den great women übers Nähen und die politischen Artikel so interessant und ich freue mich schon immer auf den nächsten. Dir dafür lieben Dank und schönes Wochenende, liebe Grüße, Theresa David

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  2. Danke für diese Erinnerung und Würdigung!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  3. Ich lerne immer wieder bei dir - Geschichte und vieles mehr. Danke Astrid. Liebe Grüsse, Sibylle

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  4. Ich habe diese Rede zuletzt in meiner Schulzeit gehört, durch eine Lehrerin, die es mit ihrer Lebensweise als alleinerziehender, berufstätiger Mutter und offen gelebten politischen Einstellung nicht leicht hatte und letztlich daran zerbrach. Trotzdem, oder gerade deshalb ist sie immer mein berufliches, wie politisches Vorbild gewesen.
    Danke für diese Erinnerung,
    Karin

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