Freitag, 8. September 2017

Zum richtigen Umgang...


...mit Regimen, die in ihren Ländern die Meinungsfreiheit unterdrücken, möchte ich heute einmal einen anderen Aspekt einbringen, auf den mich ein Interview in meiner Tageszeitung gebracht hat.

Bei mir im Blog gibt es ja seit Monaten freitagabends Posts rund um den in Saudi - Arabien seit 1922 Tagen inhaftierten Blogger Raif Badawi und andere Menschen, die von ihrem Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung und freie Religionswahl Gebrauch gemacht haben und darob verfolgt, verurteilt oder gar getötet wurden.

Wiederholt ging es in den vergangenen Beiträgen aber auch um die Türkei, besonders seit den immer deutlicher werdenden Einschränkungen demokratischer Rechte, aber auch wegen der übergriffigen Verhaltensweisen des dortigen Präsidenten, die er sich meint herausnehmen zu dürfen, weil wir in unserem Land anderthalb Millionen Mitbürger mit türkischem Pass haben.

Oft wurde in den Kommentaren zu meinen Posts die Forderung laut, unsere Politiker mögen doch "klare Kante" zeigen und der Türkei bestimmte materielle Vergünstigungen entziehen ( das war ja letztendlich dann auch der Tenor im sogenannten "TV - Duell" ). Das ist eine Schlussfolgerung, die nahe liegt, aber durchaus auch Gefahr läuft, in manchen Aspekten zu kurz zu greifen, besonders was die aus politisch motivierten Gründen Inhaftierten anbelangt.

Postkarte als Protest Roland Jahns
gegen seine Zwangsexmatrikulation,
archiviert in einer Stasi-Akte.
Source

Dieses Thema aufzugreifen - dazu hat mich ein Interview mit Roland Jahn, ehemals in der DDR inhaftierter Bürgerrechtler, gebracht. Der weiß aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn man wegen seines Einsatzes für Menschenrechte eingesperrt wird. Und trotzdem sagt er:
"Für mich haben die Erfahrungen mit der DDR gezeigt, dass es kein Entweder-Oder geben sollte. Mit Extrempositionen verbaut man sich alle Möglichkeiten. Hier ist Flexibilität angesagt. Aber man muss bei sich bleiben und darf Grundsätze nicht aufgeben. Dazu zählt die Einhaltung der Menschenrechte."
Und er führt als Beispiele an, dass 1987 Erich Honecker von Helmut Kohl empfangen wurde. Neben der Anerkennung des kritisierten Gegenübers bot sich die Möglichkeit des Gedankenaustausches. Honeckers Strategie damals: eine "Koalition der Vernunft" mit der Zielsetzung der innenpolitischen und wirtschaftlichen Stabilisierung des Arbeiter- und Bauernstaates.

Petra Kelly hatte bereits 1983 bei ihrem Honeckerbesuch an die Menschenrechtsverletzungen erinnert und trotzdem Dialogbereitschaft gezeigt. "Damals wie heute ist es für Menschen in Regierungsverantwortung wichtig, im Gespräch zu bleiben – gerade auch mit Vertretern des Systems, die reformbereit sein könnten."

Petra Kelly & andere Politiker der Grünen bei Honecker (1983)

Und an anderer Stelle: "... es geht darum, die Menschenrechte hoch zu halten und den einzelnen zu helfen."

Auf die Frage, wie man sich fühlt, wenn nicht klar ist, wie die Haft ausgeht - Herr E. hat gerade ein Dekret erlassen, dass Verdächtigte sieben Jahre ohne Urteil in U - Haft gehalten werden dürfen - antwortete Roland Jahn in besagtem Interview:
"Das ist ein Wechselbad. Die Gewissheit, dass sich Menschen außerhalb der Gefängnismauern um einen kümmern, ist ganz wichtig. Die Signale von außen sind mitentscheidend, ob man die Sache durchsteht oder nicht. Andererseits gibt es schon Momente, in denen man in der Zelle einsam verzweifelt. Die Faktoren Zeit und Einsamkeit und ihre Wirkung auf die Psyche sind nicht berechenbar. Deshalb ist die Sache so schwierig."
Sein Fazit also: Flexibilität, um sich alle Möglichkeiten der Diplomatie zu erhalten. Das sei seine Schlussfolgerung aus seiner eigenen Erfahrung mit der DDR. Jahn wurde damals nach seiner Haft 1983 zwangsweise ausgebürgert und - eingeschlossen in ein Extraabteil - in den Interzonenzug nach Bayern gesetzt. 1985 reiste er wieder in die DDR ein, ging auf Anraten anderer SED - Gegner allerdings in die BRD zurück & unterstützte von dort aus als Journalist die Opposition.
"Es ist uns damals gelungen, die Verhältnisse in der DDR umzustoßen. Und wir haben die Zeit im Gefängnis überstanden. Daran kann man sich festhalten. Die Zeiten werden sich auch in der Türkei wieder ändern. Es ist wichtig, dass wir alle etwas dafür tun."

Quelle: Hier







Nachtrag: Zur Lektüre empfehlen möchte ich auch diesen Artikel von Kacem El Ghazzali zu unserem kulturrelativistischen Verhalten in puncto muslimische Diktaturen

8 Kommentare:

  1. das ist wirklich ein zweischneidiges Schwert
    und ich beneide unsere Politiker wirklich nicht die da den richtigen Weg finden müssen.. ist wie zwischen Skylla und Charybdis ;)
    wann ist man zu nachgiebeig und ermuntert den Gegenpart noch dazu weiter zu machen
    wann ist man zu forsch und treibt ihn in die "Trotzecke" wo er dann mit .. jetzt erst recht .. kontert..
    ich könnte kein Diplomat sein
    jemandem die Hand zu schütteln von dem ich weiß es klebt Blut dran würde ich nicht fertig bringen
    ich hoffe nur dass die richtige Strategie gefunden wird
    das langsame "Anziehen" der "Daumenschrauben" scheint wenigstens bei E doch langsam Wirkung zu zeigen
    auch wenn er es natürlich nicht zugeben wird
    gegenüber den Saudis würde ich mir auch eine konsequentere Haltung wünschen

    liebe Grüße
    Rosi

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    1. Ja, konsequent ist die Politik, oft auch auf Geheiß der Wirtschaftslobby, in unserem Land, aber auch darüber hinaus nicht. Die Menschenrecht sollten aber immer das Maß aller Dinge sein, etwas, das nicht verhandelbar ist.
      LG

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  2. Ja ich bin da auch ebbes zwiespältig und um so dankbarer für Deinen Post. Schwarzweiss ist halt einfacher, auch in der Politik (wie und Herr H und Herr Frisur ja vormachen) und rappzapp die Kommunikation mit der Türkei abbrechen liegt schon irgendwo nahe - aber es wirft der Hälfte der türkischen Bevölkerung, die nicht für Herrn E ist und immer noch versucht kritisch zu berichten/schreiben/reden, immer mit der Angst, Bin ich die/der Nächste im Knast, einfach mal die Tür vor der Nase zu. Das kanns ja denn nicht sein - gerade für diese Menschen und um so mehr für die bereits inhaftierten müssen wir die Tür offen halten - und zeigen, wir lassen nicht locker. Man frau darf gespannt sein, in welcher Weise es nach dem 24. weitergeht mit unserem Land und dem Hrrn E.... Abendgrüße, Eva

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  3. danke dass du diesen post geschrieben hast. ich weis ja auch wie es ist unter einem regime zu leben in dem es keine meinungsfreiheit gibt......
    allerdings bin ich nicht so naiv zu glauben dass es den politisch mächtigen hierzulande (und anderswo) hauptsächlich um das wohl der bürger und die menschenrechte geht. das machen die nur am rande, wenn der druck zu gross wird oder wahlen anstehen. in meinen augen sind sämtlich politiker mit macht nur marionetten der grosskonzerne - einen der da nicht mitspielen will würde man niemals in wichtige positionen kommen lassen. das ist das system. haben wir in staatbürgerkunde gelernt und konnte ich mir die letzten 28 jahre live und in farbe anschauen..........
    trotzdem freue ich mich über jeden - wie dich - der hilft *den druck zu erhöhen*!
    xxxx

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    1. Ich sehe das durchaus eben so, dass die Politiker sehr einseitige Interessen vertreten. Das sind man ja an der Sache mit Rheinmetall, die ein "Jointventure" mit einer türkischen Panzerfabrik eingegangen sind ( und dann auch noch trickreich die TH Aachen zwecks Forschung eingespannt haben ) - alles unter den Augen unserer Regierung, die öffentlich sich vom Herrn E. beschimpfen lässt. Doch die Möglichkeiten, die ich habe, möchte ich mir nehmen lassen, auf Einhaltung der Menschenrechte zu pochen. Und nicht nur Schreien, Pfeifen, Rumpöbeln, wie das ja manche Mitbürger als politisches Statement ansehen...
      LG

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    2. stimmt - wir hier können ja nur "Schreien, Pfeifen, Rumpöbeln..... "
      :-)

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  4. Ja, wie hält man Türen offen zum Gespräch, wenn man sie doch eigentlich endlich zuschlagen möchte. Aber dahinter brodelt es ja dennoch weiter, wer weiß bis zu welchen Explosionen. Die Menschenrechte sind ein gutes Messinstrument. Danke für deine Sicht der Dinge und die immer wieder interessanten Quellen, die du einbringst. Lieben Gruß Ghislana

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  5. Liebe Astrid,
    ich würde mir auch mehr "klare Kante" wünschen im Umgang mit Erdogan. Ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich mit Honecker passt, das sind ja doch zwei grundlegend verschiedene Menschen und es ist auch die Frage, in wie Weit die DDR machen konnte, was sie wollte oder ob sie sich an Vorgaben aus der UDSSR halten musste und vielleicht einfach nur einen kleinen Spielraum nutzte.
    Ich frage mich auch, ob die in der Türkei Inhaftierten überhaupt wissen, dass andere Menschen sich für sie einsetzten oder ob sie das bloß vermuten.
    Ich hoffe, dass Erdogan irgendwann geht, bevor es nur noch schlimmer wird.

    Viele liebe Grüße
    Wolfgang

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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