Freitag, 17. März 2017

Raif Badawi, Saudi - Arabien, der Jemen, die Bundesrepublik ( & Herr E. )


1758 Tage hat der saudische Blogger Raif Badawi inzwischen schon in Haft verbracht und ein Ende ist nicht abzusehen. Und das alles, weil er Meinungsfreiheit für sich reklamiert hat.

Die nehmen ja momentan alle für sich in Anspruch, allen voran der Herr E., der dabei mit seinen Aussagen in meinen Augen inzwischen sämtliche rote Linien überschritten hat. Wäre ich Türke ( ja, ich benutze ganz bewusst die männliche Form ), wäre seine Behauptung, wir Deutsche seien Nazis, ein Verstoß gegen meine Ehre ( das habe ich mir bei schlechten Rechtschreibnoten als Lehrerin immer wieder anhören müssen ). 

Noch ungeheuerlicher sind die Worte des türkischen Präsidenten gegenüber den Niederländern: Wie bitte, die sollen "Nachfahren der Nazis" sein? Das Volk, das unter der deutschen Besatzung harsch zu leiden hatte? Die Deutschen vernichteten Rotterdam 1940 fast komplett, während die Türkei kurz darauf einen Freundschaftsvertrag und Nichtangriffspakt mit Hitler schloss.

Aber lassen wir das heute, habe mich schon genug in den letzten Tagen echauffiert...

Kriegsauswirkungen im Jemen; 115. Mahnwache vor dem König Abdullah Zentrum in Wien


Was der Bundesrepublik und ihrer Regierung tatsächlich vorgeworfen werden kann, ist, dass sie ihre eigene Aussage zur kriegerischen Auseinandersetzung im Jemen unter Beteiligung Saudi - Arabiens durch ihr tatsächliches Tun konterkariert:
"Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen der Vereinten Nationen für eine internationale Mission ein, die die Aufgabe haben soll, mutmaßliche Verletzungen des Völkerrechts im Jemen - Konflikt zu untersuchen."
Tatsächlich hat die Regierung unseres Landes aber die Auslieferung von Maschinenpistolen, Sturmgewehren, Raketenabschussgeräten und 48 Patrouillenbotten, zur Seeblockade im Jemen - Krieg eingesetzt, schon letzten Sommer genehmigt, die derzeit ausgeführt werden.

Verschiffung eines Bootes für SA im März in Mukran/Sassnitz
Source: dpa 
Bis zum Ende des vergangenen Jahres hat die saudische Koalition in diesem Stellvertreterkrieg mit dem ideologischen Gegner Iran bereits mehr als 8600 Bombenangriffe auf das kleine Land geflogen. Offiziell starben im Jemen bis jetzt mindestens 10.000 Menschen, darunter mehr als 1.500 Kinder laut UN-Kinderhilfsorganisation Unicef. Knapp 2.500 Kinder blieben verstümmelt zurück, weil alleine 212 Angriffe auf Schulen und 95 auf Krankenhäuser geführt worden sind. Zwei Millionen Jemeniten sind aus ihren Wohnungen und Heimatorten vertrieben worden. „Die anhaltenden Kampfhandlungen“, räumt das Auswärtige Amt in einem noch unveröffentlichten Schreiben auf eine Anfrage der Linksfraktion ein, „haben gravierende Auswirkungen auf die humanitäre Situation der jemenitischen Zivilbevölkerung.

Auch was andere Kritikpunkte an der saudischen Regierung anbelangt, ist das bundesrepublikanische Auswärtige Amt in seiner Antwort durchaus der Meinung seiner Kritiker – darunter die Menschenrechtslage, die Todesstrafe sowie „Hinweise, dass Saudi-Arabien im Zusammenhang mit seiner wahabitisch religiösen Staatsdoktrin häufig wirtschaftliche Investitionen“ zur Missionierung im Ausland nutze.

In der Gesamtsicht bleibt die Bundesregierung jedoch bei ihrer Bewertung, Saudi-Arabien sei ein Stabilitätsanker in der Region. Eine Möglichkeit, den Einsatz der Waffen nachzuverfolgen oder den Einsatz im Jemen auszuschließen, habe man allerdings nicht. Obwohl unsere Regierung also die Kriegsverbrechen und die humanitäre Not im Jemen anprangert, will sie Waffenexporte und militärische Zusammenarbeit mit SA nicht grundsätzlich aufgeben.

Das Völkerrecht ist also nur graue Theorie.

Oder "Schwachsinn", wie es ein türkischer Journalist am vergangenen Sonntag im "Presseclub" abtat...


13 Kommentare:

  1. Kleine Geschichte für dich: Der kleine Fuchs braucht einen neuen Haarschnitt, bei Buben ist das Intervall der Friseurbesuche ja recht kurz. Seit einiger Zeit hat ein neuer Friseur am Hauptplatz offen, ein türkisch geführter Landen. Ich denke: Das probiern wir mal. Teile dem Kind mit, dass es Zeit sei für den Haarschnitt und verfrachte es ins Auto. Als das Kindlein merkt, dass wir in das neue Geschäft gehen fängt es im Auto an zu biezeln: "Da geh ich nicht rein. Da stinkt es. Die können das nicht!..." Ich meine trocken: "Was sollen das für Vorurteile sein? Du warst noch nie da, wir probieren das jetzt." Das Kind steigert sich frenetisch zur Sirene. Noch im anduto hab ich kapiert - das ist Angst. Schlussendlich waren wir drinnen. Aber die Reaktion meines Kindes gibt mir echt zu denken und spiegelt mich.
    Seit Wochen sprechen mein Mann und ich beim Essen oft über die Türkei, was dort und hier abgeht mit Wahlen, über diesen Präsidenten, Meinungsfreiheit und so. Wenn ich so zurückdenke - Hab ich irgendwas positives über "die Türken" gesagt? Nein! Alles was funktioniert und selbstverständlich ist haben wir nicht besprochen. Überwiegt hat das Entsetzten über die Vorgänge. Ich werde in nächster Zeit achtsamer sein. Nicht nur das erzählen was NICHT geht ind der Thematik, sondern auch das erwähnen was gut ist. Auch wenn das echt schwer wird. Positive Beispiele fallen mir da nicht so schnell ein.
    Der Friseur-Deal war: Selbst anschauen und Meinung bilden. Das Kind will nicht mehr hin. Hat es ja schon vorher beschlossen. Obwohl die Musik cool und alle echt freundlich waren fühlt er sich in dem Geschäft nicht wohl. Gut. Kann ich akzeptieren. Friedenserziehung beim Friseurbesuch... ich sags dir, die Nerven einer Mutter sind manchmal Stahlseile.

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    1. Deine Selbstreflexion, die ist es, die ich an dieser Geschichte gut finde. Herausfinden, was man gemacht hat, damit das Kind so reagiert.
      Selbstreflexion ist etwas, was den Anhängern des Herrn E. abgeht und was das Verharren in der Opferrolle ausmacht. Und einen Übervater verlangt.
      Wenn ein Staatspräsident so mit anderen Regierungen, ja Ländern umgeht, wie Herr E., dann bedenkt er nicht, was das für die Zukunft bedeutet. Das scheint mir ein Zeichen zu geringen Verstandes und eines Minderwertigkeitskomplexes zu sein, wenn sich einer so hinreißen lässt, ohne auf die Folgen zu achten.
      Da hast du auch recht, dass momentan all die positiven Erfahrungen mit türkischstämmigen Mitbürgern unter den Tisch fallen. Und da überwiegen in meinem privaten Leben die positiven ( was in der Schule leider nicht der Fall war ). Nun kenne ich wohl auch mehr Kurden, Armenier, christliche Assyrer und Aleviten oder Exilanten früherer Jahre als Normalos, die eh der Entwicklung in der Türkei kritisch gegenüber stehen. Auf jeden Fall habe ich noch keinen bekennenden Anhänger des Herrn E. erlebt. Und vielleicht muss man - auch wenn da keine Zahlen vorliegen - davon ausgehen, dass das auch nicht die Mehrheit bei uns ist.
      Alles sehr diffizil. Als Mutter sowieso, je älter die Kinder werden.
      Drück dich!

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  2. Vorgestern Abend im WDR Fernsehen eine Dokumentation über SA gesehen. Darin auch viel über Raif Badawi. Eine Schande, dass diese menschenverachtendenDiktatoren mithilfe unserer Waffen ihren Terror ausüben und die Menschen unterdrücken.
    Schande. Doppelmoral. Der Staat ist nicht gut. Ist nie gut. Der Staat ist eine kalte Krake.
    Das hat so ähnlich der von mir nicht immer geschätzte Herr Scholl Latour gesagt. Da hatte er recht.
    Ratlos und lieb grüßend
    Lisa

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  3. Meine Meinung geht dahin, dass Herr E. sich in einem gefährlichen Kindergartenstreit verliert, weil er sich in seinem SelbstwertgefühL - Ego - nicht bestätigt fühlt und deshalb die wahren Begebenheiten nicht tolerieren möchte. Hach, und auch bei dem heutigen Treffen von Merkel und Trump kann man eine gewisse Lächerlichkeit nicht verbergen.;)

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  4. Wenn ich über Waffenlieferungen lese, könnte ich jedes Mal schreien. Mehr fällt mir gerade nicht dazu ein.

    Liebe Grüße,
    Sabrina

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  5. Über die Abkürzung SA bin ich gerade kurz gestolpert und bin zusammengezuckt....
    Zum Thema Herr E. und den INhalten im ersten Kommentar empfehle ich Selim Özdogan - Wieso Heimat? Ich wohne zur Miete. Es ependet ein wenig Hoffnung und einen kleinen Einblick in die Zerissenheit. Vor ein paar Jahren haben wir über die dritte Generation diskutiert... Ich bin einfach nur gespannt, was da passieren wird. Ich kann es nicht einschätzen.
    Liebe Grüße,
    Jule*

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  6. Eine echte Crux mit der Diplomatie. Ich persönlich bin ja eher für klare Worte und Standpunkte, weshalb mir auch Herr Steinmeier als Außenminister immer ein wenig auf die Nerven ging, weil er uns die größten Katastrophen immer als kleines Missverständnis verkaufen wollte. Andererseits hat er vielleicht gerade durch diese diplomatische Art mehrmals einen ausufernden Eklat vermieden. Ich weiß nicht, was richtig ist.
    Fakt ist zwar, wenn wir nicht die Waffen liefern, tun es andere - Kriege werden da sicher nicht verhindert. Aber es ist widerlich, schmutzig und unmoralisch und einfach nicht würdig für unser Land. Wir können uns nicht ständig als Moralapostel in der Welt aufspielen und dabei hintenrum solche miesen Geschäfte machen. Nur schrecklich ist dieser Waffenhandel.
    Eine Lösung sehe ich aber nicht in Sicht. Leider. Aber reden muss man drüber, immer wieder...
    Gute Nacht

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    1. Diese Schizophrene wie jetzt in der Stellungnahme des AA ist mir wichtig, immer wieder deutlich zu machen. Und wir müssen der Politik immer wieder deutlich machen, dass wir das sehen und nicht gut finden.
      LG

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  7. Da fällt mir doch noch ein, das wäre doch mal eine sinnvolle Beschäftigung für die EU, statt krummer Gurken den Waffenhandel zu regulieren. Steht nur zu Befürchten, dass der deutsche Lobbyismus am lautesten schreit

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  8. mich kotzt dieses salbungsvolle, doppelmoralige gerede von regierungs- und anderen vertretern so an, dass ich jedes mal wenn ich sowas höre oder lese nur noch schreien möchte (und es auch des öfteren tue).
    danke fürs aufklären.
    lg, mano

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  9. Tolle Geschichte oben vom kleinen Fuchs und dem türkischen Friseurbesuch im Kommentar von verfuchstundzugenäht. Und tolle, beeindruckende eigene Reaktion der "Fuchs-Mutter".
    Selbstreflexion, ein Zauberwort. Nur gehts halt nicht von selbst. Und wer das nie geübt hat, hat keine Ahnung davon.
    Solche Menschen haben - nicht nur derzeit - viel das Sagen. Sie sind noch nicht mal glücklicher ohne, aber gefährlicher.
    Heute ist übrigens Equal-Pay-Day. Auch hier ist die Ungerechtigkeit groß, wenn sie auch nicht lebensgefährlich ist. Wenn Ihr heute Frauen mit roten Taschen seht, denkt dran, dass hier das Minus im Geldbeutel symbolisiert wird.
    Wir haben viel Grund, uns aufzuregen. Danke, dass Du das hier immer wieder so fundiert tust!
    GLG Sieglinde

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  10. Dass ich mich nicht für Diplomatie eigne, weiß ich schon lange, diese Verlogenheit und Doppelmoral kann ich schier nicht ertragen.
    Vorhin las ich in der Zeitung, dass besagter Herr E., der jeden, der sich gegen ihn stellt, in die Naziecke schieben möchte, seine im Ausland lebenden Wähler ermuntert, für möglichst zahlreichen Nachwuchs zu sorgen. Irgendwie erinnert mich das an "dem Führer ein Kind schenken".
    Liebe Grüße
    Andrea

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  11. Liebe Astrid, da ich momentan in der Region bin, spricht mich dieses Thema gleich noch mehr an... Vor 3 Tagen war ich bis 50 km an der Saudiarabischen Grenze und bis gestern bis 100 km an der Yemenitischen - da gehen einem (wenn man denn bereit ist, sich mit den Themen auseinanderzusetzen) viele Gedanken durch den Kopf. Diese Distanzen könnte man mit dem Auto in 30-60 Minuten fahren - und dann? Wenn man (wie ich vor einigen Wochen) einmal anfängt, sich genauer zu interessieren und informieren, merkt man als erstes, dass bei uns in Mitteleuropa kaum ein Bruchteil der Geschehnisse und Nachrichten aus der Region ankommt. Als Nächstes muss ich sagen, dass ich im Yemen (wie auch in Syrien und in vielen anderen Ländern) fürchte, dass es kein einziges "richtig" oder "falsch", "gut" oder "böse" gibt. Zu kompliziert, vielschichtig und mehrfach vernetzt sind die verschieden Gruppen und Parteien, oft tief historisch bedingt und zu allem Übel verschiedentlich benutzt / missbraucht von Extremistengruppen. Ich wünsche mir zutiefst Frieden für alle diese betroffenen Menschen, muss jedoch sagen, dass ich auch keine allgemeingültige und alle zufriedenstellende Lösung bereit hätte, wer wie viel Macht und welche Gebiete erhalten sollte? Bei Deinen Themen kann ich jedoch nur zustimmen: gewisse Dinge gehen gar nicht!!! Am schlimmsten (und eigentlich von uns in Europa beeinflussbarsten) finde ich die Waffenexporte. Wer kann so etwas ernsthaft wollen? Wer zählt da 1 + 1 nicht zusammen? Wer denkt wirklich, dass unsere Wirtschaft ohne diese Kriegsantreiberei zusammenbrechen würde? Wie kann sich ein Land wie die Schweiz noch neutral nennen, wenn rundherum an Länder Kriegsgerät verkauft wird? Rechtfertigt etwas "Business" tatsächlich alles? Bei diesem Thema schäme ich mich tatsächlich zutiefst für mein Land und fühle mich sehr direkt mitschuldig. Liebe Grüsse, Miuh

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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