Samstag, 21. Januar 2017

Von Lüge & Wahrheit


Wenn sich die Sprüche widersprechen
Ist's eine Tugend, kein Verbrechen.
Du lernst nur wieder von Blatt zu Blatt,
daß jedes Ding zwei Seiten hat.

Paul Heyse


Der gestern inaugurierte Präsident unserer Freunde in Übersee hat als wahrer Lügenbaron unserem legendären Münchhausen erfolgreich Konkurrenz gemacht, ja mehr noch, er hat es zu einer Position im politischen Weltengefüge gebracht, die dem fantasievollen Baron nie in den Sinn gekommen wäre. Und das, weil genug Amerikaner ihn glaubhaft fanden, obwohl 76 Prozent seiner Aussagen nachweislich erstunken und erlogen waren, der Rest Halbwahrheiten und geschickt platzierte Falsch-Nachrichten. 


Wie konnte das geschehen, mag man sich fragen, wenn man Anhänger der reinen Vernunft ist? Worin liegt das Erfolgsgeheimnis der Lüge?


Die Wahrheit hat es insofern schwerer, als sie immer viele Einzelheiten enthält, umwegiger & widersprüchlicher ist und es demzufolge Mühe macht, ihr zu folgen, zumal sie bei der Darstellung auf Dramatik verzichtet.

Lügen hingegen werden mit einer stimmigen Dramaturgie vorgetragen. Stringent, zielgerichtet, widerspruchsfrei, abgespeckt von allen Details und klar macht der Lügner seine Aussage, und statt Faktizität herrscht dichterische Freiheit & persönlicher Gestaltungswille vor. Das Ganze wird dann noch mit so viel Leidenschaft & Verve vorgetragen, was den Zuhörer einfach fesselt. Im Gegensatz dazu wirkt die "Wahrheit fade, kompromisshaft und unsexy" ( Stephan Grünewald ). Die Lüge hingegen enthält keine Abschattierungen in Grau, so dass sie viel strahlender, leuchtender und prägnanter erscheint, quasi wie eine schillernde Seifenblase.

Politische Korrektheit hat da keine Chance, Beachtung von Regeln der Sachlichkeit, mag das alles einem höheren Ziel geschuldet sein, vermag da nicht zu begeistern, übt auf Zuhörer keinen Reiz aus, denn es fehlt ja jene mitreißende Energie, die dem Lügner zu eigen ist. Und wenn dann auch noch ein verheißungsvolles Zukunftsbild gemalt wird, haben alle realistischen Einwände ( Klimaerwärmung? Der Kölner Dom in muslimischer Hand? Frauen - alles Pussies? ) offenbar keine Chance mehr. Der Mensch will betrogen werden, und Wahrhaftigkeit verspricht einfach nicht das Blaue vom Himmel, sondern schildert auch Risiken und Mühen, Opfer und Umwege. Da ist die Botschaft eines wiedererstarkten Landes attraktiver, auch wenn sie nur kurze Beine haben wird.

"Das, was man fühlt, ist auch Realität", ist auch bei uns hierzulande die Devise, ausgegeben vom führenden Politikstrategen jener blauen Partei, deren Protagonisten gerne andere als Lügner beschimpfen, aber selbst sehr gerne Lügen in die Welt setzen, um sie bei Gegenreaktionen dann zurückzunehmen. Wohl wissend, dass das Publikum diesen Schritt dann gar nicht mehr mitbekommt, und ihre Aussagen als alleinseligmachende Wahrheit in Erinnerung bleiben. 

Selbst was den eingangs erwähnten amerikanischen Oberlügner anbelangt, haben jene Blauen vor dem Wahlergebnis verkündet, er wäre für sie unwählbar. Nach seinem Sieg feierten sie ihn und seine "Zeitenwende"...

Einen netten, kleinen Überblick, wie die ganze Menschheitsgeschichte über die Weiterentwicklung auf dem irdischen Planeten mit Lügen beeinflusst wurde, kann man hier gewinnen. Dabei fehlen solche, die ich schon in meinem eigenen, kurzen Erdendasein anhören musste, wie die von der Mauer, die keiner zu bauen beabsichtigte, oder der sicheren Rente...

Das passende Musikstück, ein Chanson von Thomas Pigor, habe ich auch parat:



Und noch etwas: Wenn postfaktische Argumente & postfaktische Politik eine Allianz eingehen, geht das nur eine Weile gut, weil es eben nicht stimmt, was gesagt wird.

Die größten Postfaktiker waren die Nazis: Zwölf Jahre haben sie gebraucht um Deutschland zu verändern, und wie! Das dürfte doch immer noch bekannt sein. Aber man kann es nicht oft genug wiederholen.

Und jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass diese Zeit dem frisch gekürten Lügner nicht gegeben ist...





26 Kommentare:

  1. Da bin ich ganz bei Dir!
    Schönes Wochenende liebe Astrid,
    Kebo

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  2. Immerhin: Länger als maximal zwei Amtszeiten darf er ja nicht Präsident spielen. Außerdem bin ich mir noch nicht sicher, ob ihm der Job in der Realität wirklich so gut gefällt.
    Ich hoffe jedenfalls, dass er sich vernünftigen Argumenten gegenüber nicht völlig immun zeigen wird.

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    1. Seinem verkniffenen Gesicht gestern nach zu urteilen, könnte man den Eindruck bekommen, dass nicht....
      LG

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  3. Liebe Astrid, nun habe ich ein bisschen bei Dir geschmökert. Denn in Nelson schüttet heute der Himmel eine ganze Monatsration Regen vom Himmel. Gott sei Dank haben wir ein nettes Quatier mit gutem wifi, so genieße ich den faulen Tag und Deine und andere Beiträge zum Leben und Zeitgeschehen.
    Ja, Du hast das fein geschrieben, das Wesen der Lüge ist ein Lautes und ein Buntes. Die nackte Wahrheit schmückt sich nicht mit Pomp und Pracht und steht streng und karg und oft seltsam blass, oft in eine Nebenstraße verbannt.
    Hier scheint es niemanden so recht zu kümmern, was im Rest der Welt so vor sich geht. Man sagt tausend mal am Tag "don't worry" oder "enjoy". Egal ob es um Essen, baden, schlafen, lesen...geht, alles ist leicht und lässig und no Problem. Eine Zeit lang ganz schön, auf die Dauer würde mich die allgegenwärtige Sorglosigkeit einfach anstrengen. Sie ist mir nämlich auch ein bisschen zu laut, als ob etwas zugedeckt werden soll.
    Aber es ist so schön hier, dass mir manchmal ganz bang ums Herz wird. Wie schon vor 7 Jahren kommen meine Sinne oft gar nicht mit bei all dem Duft und Vogelgesang und Landschaftswechsel. Manchmal ist so viel Schönes auch anstrengend. So kam also der Regentag grad recht.
    Ich werde in den nächsten Wochen bestimmt noch vorbeischauen bei Dir, vielleicht aber nur ganz still und leise, denn oft ist das Internet sehr wackelig.
    Umarmung um die Welt herum von
    Lisa

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    1. Liebe Lisa, ich hab mich so gefreut, von dir zu hören! Vielleicht ist es ein Glück, so weit ab von allem Weltgeschehen auf dieser Erde zu leben? Vielleicht hat man auch ein schlechtes Gewissen deswegen, so fern von Kriegen, Flüchtenden, üblen Nachbarn? Wäre mir ein Zeichen von Menschlichkeit...
      Drück dich ganz dolle!

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  4. Haha, gut geschrieben, schön... Aber weißte was? Da hat so ein altes Weiblein bei uns (da war ich noch klein und schwer von der fasziniert) gesagt: "Egal, alle in an Sack g´steckt, g´scheit draufhaun´n, und wurscht, wen´s erwischt, Du triffst immer den Richtigen." Da hat sie gar nicht so Unrecht. In diesem Sinne, mal gucken, was sich da so tut, ein paar "Richtige" wird´s auch durch den Trump-l erwischen, vor allem, was über vorige "Saubermänner" rauskommt...
    Der weiß noch gar nicht, auf WAS er sich da eingelassen hat, denke ich... Kopf einziehen und beten, alles Liebe, Deine Méa

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  5. Politische Lügen haben eine lange und oft schlimme Geschichte und leider nur selten die kurzen Beine, die man ihnen gern nachsagt und die uns als Kinder meistens getroffen haben, wenn wir mal ein wenig gelogen haben.
    Lügen muss man können, das hast Du schön beschrieben. Nur so werden sie die wahrere Wahrheit, wenigstens eine zeitlang. 4 Jahre oder gar 8 Jahre finde ich aber zu lang.
    Wo gehts hier zum Ausgang und wo ist das Trump-Gate?
    LG Sieglinde

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  6. Lügen, Halbwahrheiten, Beschönigungen, Vertuschungen, Betrug gehören heute doch fest zur Politik und zum Geschäftsleben. Wer es ehrlich versucht, wird ja fast schon als Dummkopf verlacht. Wen wundert es, dass jetzt der goldliebende Lügenbaron zum mächtigsten Mann der Welt gekürt wird.
    Sarah (littlehideaway) hat es in ihrem Blog auch schon hervorragend beschrieben.
    Vier Jahre. Hoffentlich weniger.
    Liebe Grüße
    Andrea

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  7. "Welchen Charakter jemand hat sieht man, wenn man ihm Macht gibt!"
    Obamacare, Menschenrechte und Klimaschutz sind von der Homepage entfernt worden, das war die erste Amtshandlung. Hoffentlich viel, viel weniger als 4 Jahre! Herzlich, aber traurig, Sunni

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  8. Er wird seinDing durchziehen, aller Vernunft zum Trotz..... Man kann nur hoffen, dass er bald genug über etwas stolpert, es gäbe ja jetzt schon genug...... Familie im Kabinnett, keine klare Abgrenzung von Unternehmen und Amt, um mal nur zwei zu nennen, welche verfassungswidrig sind. Sich mit dem Geheimdienst anzulegen ist vielleicht auch nicht die beste Idee ;)) Die lassen sich in ihrer Macht nämlich nicht beschneiden u d haben schon mehrere unliebsame Kandidaten.... hmmm.... zur Seite geschafft, man denke da nur an John F Kennedy. Alles in allem zeugt es nicht von Intelligenz oder einer großen Überheblichkeit.... wahrscheinlich beides. Ich glaube, oder sagen wir ich hoffe, dass er keine vier Jahre im Amt ist. Genug Porzellan hat er schon jetzt in dieser kurzen Zeit zerschlagen und er ist erst seit gestern richtig im Amt. OmG, du siehst, es treibt auch mich sehr um 😱Lügen haben kurze Beine und ich denke das trifft auch auf einen Donald Trump zu
    Liebste Grüße
    Christel

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  9. Liebe Astrid,
    Ich bin von Herzen Optimist (gewesen) doch mittlerweile habe ich nur noch große Sorge! Wie können wir ihm nur die kurzen Beinchen stellen.....?
    Gros bisou
    Sandra

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  10. Liebe Astrid
    Vielen Dank für diesen Beitrag ... Lügen die von zahlreichen Menschen doch geschluckt werden bereiten mir große Sorgen, sein verkniffener und agressiver Blick gestern bei der Zeremonie unterstreichen dies . Ich befürchte sehr schwierige Zeiten für Ehrlichkeit, Demokratie, Gleichwertigkeit, Akzeptanz von Kritik, Bereitschaft zum Dialog auf gleicher Höhe...
    Zum Glück gibt es noch gaaaanz viele Menschen die kritisch und selbstständig denken, die andere Werte zum Vorbild haben

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    1. Ja, diese verbiesterten oder versteinerten Blicke bei ihm und der Frau haben mich gestern auch sehr irritiert..
      Und: Wir, die immer wieder verunglimpften "Gutmenschen" brauchen einander, müssen uns zusammentun, um unsere Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft am Leben zu halten...
      GLG

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  11. Zu dem neuen Präsidenten in Übersee schreibe ich mal nichts mehr. Wir werden sehen, was er seinen Landsleuten und letztendlich der ganzen Welt bescheren wird. Warten wir es ab.

    Bezüglich der Lügenbarone geht mir gerade der Spruch "Was nützt mir mein Geschwätz von gestern" durch den Kopf.
    So war es schon immer, so ist es noch und ich vermute, daran wird sich auch nichts ändern.
    Aber die Hoffnung soll man ja nie aufgeben.

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende wünscht dir
    Christa

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  12. Liebe Astrid,
    bevor ich jetzt dicht hier mache, gucke ich bei dir noch.

    Mit diesem Menschen kommt was auf uns zu und ich mag gar nicht mehr dran denken.

    Schade, dass das Wort "Gutmensch" manchmal mißbraucht wird.
    Ich hoffe, du weißt, wie ich das meine, es ist ja auch das Wort des Jahres 2016.

    Lieben Gruß Eva

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  13. Dazu hab ich noch zwei Zitate, von Karl Friedrich Hieronymus Freiherr Münchhausen, mit denen er sozusagen den Nagel auf den Kopf getroffen hat.
    "Wahrheitssucher werden weltweit verfolgt, notorische Lügner verehrt." (Passend zu Trump!)
    &
    "Bücher sind die treusten Tröster, Bücher sind bessere Freunde als Menschen, denn sie reden nur, wenn wir wollen und schweigen, wenn wir anderes vorhaben. Sie geben immer und fordern nie."
    Liebe Abendgrüße
    Gerda :)

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  14. Liebe Astrid,
    für mich ist es tröstlich, dass gerade zu dieser Stunde Menschen, die ich kenne und schätze, in Kalifornien auf die Straße gehen. Bekleidet mit rosafarbenen "pussy hats". Und so ein Zeichen setzen. Ich hoffe, dass sie dieses nicht nur ein Mal tun.
    Christiane

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  15. So ist es leider... dem kann ich nichts mehr zufügen liebe Astrid.
    Herzlichst Nica

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  16. Liebe Astrid, ich umarme Dich. Wir dürfen nicht locker lassen, immer wieder darauf hinweisen.
    Magdalena

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  17. Hallo Astrid,
    genau das ist im Zusammenhang mit der AfD gesagt worden, dass die Lüge wieder salonfähig wird ...

    Gruß Dieter

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  18. ja.. Lügen haben kurze Beine..
    das hab ich als Kind auch öfter mal gehört ;)
    (dabei ging mir nur die Phantasie durch )
    aber sie haben einen langen Atem..
    heute will kaum noch einer die Wahrheit hören..
    denn sie ist nicht immer aufregend und schillernd..
    sondern oft auch hässlich und beängstigend..
    da haben Lügen es einfacher.. man streut sie mit leichter Hand
    und wartet einfach ab was dabei raus kommt :(

    ich hoffe nur dass da bald einer über seine kurzen Beine fällt..

    ganz liebe Grüße
    Rosi

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  19. Hut ab liebe Astrid!
    Du hast die richtigen Worte gefunden. Viel zu schade, daß das "nur" auf Deinem Blog steht. Deine Gedanken und Fakten, sollten mehr als 389 Follower lesen können.
    Ich habe mir gestern Abend doch wirklich das erste mal ernsthaft überlegt, ob ich nicht in eine alteingesessene Partei eintreten sollte.
    Ich wünsch Dir einen schönen Sonntag,
    Sabine

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  20. Liebe Astrid,

    herzlichen Dank für diese Betrachtung der Lüge. Spannend! Von der Seite habe ich das noch nie überlegt. Gerade frage ich mich, ob nicht auch vernünftige Menschen heute müde sind, unbequeme Wahrheiten zu hören und allzu leicht den Halbwahrheiten oder Lügen verfallen, um sich nicht mit Komplizierterem beschäftigen zu müssen. Da muss sich sicher jeder einmal selbst an die Nase fassen - auch die, die der Politik (verallgemeindernd!) vorwerfen, nur noch zu lügen. Da krümmen sich mir die Zehennägel. :-( Es gibt sie leider, diese Exemplare, aber es gibt - welch Glück! - auch noch die anderen. Nur ob man denen immer zuhören möchte?

    Ich werde das Geschehen in den USA weiter kritisch verfolgen...

    Herzlich
    Steffi

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  21. An mir ist ja diese Amtseinführung wegen anderer Beschäftigung vorbeigegangen. Ich habe nur ein paar Fotos im Internet gesehen und ein paar Kommentare in der Presse gelesen. Dieser Mann ist größenwahnsinnig. Und es freut mich so, dass so viele zum Women's March auf der Straße waren. Meine in Amerika lebende FB-Freundin postete ein Foto dazu - solche Menschen lassen mich hoffen, die nicht so aussehen, als ließen sie alles mit sich machen. Und das Wort ergreifen und sich organisieren. Ich bin gespannt, wie sich das Verhältnis zu Europa entwickeln wird. Dass ausgerechnet Theresa May bei ihm Fürsprache für den europäischen Zusammenhalt halten will, ist ja etwas skurril... Lieben Gruß Ghislana

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  22. Glaub nur nicht, dass ich deine Gedanken nicht lese, manchmal nur etwas verspätet... und was soll ich noch schreiben, ist alles gesagt.
    Ich kann mir dieses Gesicht gar nicht anschauen, geschweige denn ihm zuhören..
    Grüße von Ulrike

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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