"Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird. Zuneigung oder Abneigung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine Rolle spielen. Das ist der Kern einer liberalen, offenen, säkularen Gesellschaft.
Verschiedenheit ist kein Grund für Ausgrenzung.
Ähnlichkeit keine Voraussetzung für Grundrechte.
Das ist großartig, denn es bedeutet, dass wir uns nicht mögen müssen. Wir müssen einander nicht einmal verstehen in unseren Vorstellungen vom guten Leben. Wir können einander merkwürdig, sonderbar, altmodisch, neumodisch, spießig oder schrill finden."
Und zum Schluss:
"Wir dürfen uns nicht nur als freie, säkulare, demokratische Gesellschaft behaupten, sondern wir müssen es dann auch sein.
Freiheit ist nichts, das man besitzt, sondern etwas, das man tut.
Säkularisierung ist kein fertiges Ding, sondern ein unabgeschlossenes Projekt.
Demokratie ist keine statische Gewissheit, sondern eine dynamische Übung im Umgang mit Ungewissheiten und Kritik.
Eine freie, säkulare, demokratische Gesellschaft ist etwas, das wir lernen müssen. Immer wieder. Im Zuhören aufeinander. Im Nachdenken über einander. Im gemeinsamen Sprechen und Handeln. Im wechselseitigen Respekt vor der Vielfalt der Zugehörigkeiten und individuellen Einzigartigkeiten. Und nicht zuletzt im gegenseitigen Zugestehen von Schwächen und im Verzeihen."
Das sind Ausschnitte aus der Rede, die die Publizistin Carolin Emcke aus Anlass der Verleihung des Friedenspreises an sie selbst, am vergangenen Sonntag in der Paulskirche gehalten hat. ( Die ganze Rede ist hier nachzulesen - empfehlenswert! ) Ihre Aussagen könnten so auch vom saudiarabischen Blogger Raif Badawi stammen. Sie sind quasi die Essenz seiner Blogbeiträge, für die er in seinem Land so grauenvoll büßen muss.
Warum ich diese Verbindung hier & heute herstelle?
Weil ich noch einmal deutlich machen möchte, worum es mir in meiner wöchentlichen Beschäftigung mit Raif, Saudi - Arabien, dem Islam, Menschenrechten, Meinungs- und Religionsfreiheit geht. Es nehmen nämlich Kommentare zu meinen Posts zu, namenlos oder mit Fantasienamen und mit Verlinkungen zu Beiträgen im Netz, mit denen ich mich nicht verlinkt sehen möchte. Ich soll da wohl in ein Boot geholt werden, das mir nicht gefällt, in dem ich nicht sitzen mag.
Meine Kritik an den Verhältnissen in Saudi - Arabien, seiner Hypokrisie, seiner Missachtung der 1948 vereinbarten Menschenrechte, seines Missbrauchs der Religion als politisches Machtmittel hat nichts mit dem Bedürfnis nach Ausgrenzung zu tun, entbehrt völlig der Gefühle wie Wut & Hass & Geifer, wie sie mir aus den verlinkten Beiträgen entgegen springen. Geschweige denn mit Missachtung, Demütigung oder Schlimmerem.
Mir geht es ums "abklopfen, ob es taugt, ob es inklusiv und frei genug ist - oder nicht." Das sei hiermit noch einmal betont.
Laudator der Verleihung des Raif Badawi Awards auf der Frankfurter Buchmesse: Can Dündar, der engagierte ehemalige Chefredaktor der türkischen "Cumhurriyet" Source |
Leider habe ich auch heute keine Neuigkeiten zur bedauerlichen Lage Raif Badawis, habe jedoch von einer geplanten Demonstration vor der saudischen Botschaft in Berlin am 31. Oktober um 11.55 Uhr erfahren.
Vom Versuch des kanadischen Außenministers Stéphane Dion über den saudischen Botschafter in Kanada eine Freilassung des inhaftierten Bloggers und die Erlaubnis, seine Familie in Kanada zu kommen, zu erreichen, habe ich bei Twitter gelesen. Dieses Ersuchen wurde allerdings vom Botschafter brüsk zurückgewiesen, denn nach dessen Meinung habe der Fall Badawi nichts mit den Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu tun.
Laut Newsweek von heute wollen sich die Anwälte von Raif Badawi an die UN wenden, um den Druck auf die Regierung in Riad zu erhöhen. Sie wollen auch dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau mehr Druck machen, damit dieser direkt den saudischen König auffordert, gegenüber Raif Badawi Milde walten zu lassen, ein Schritt, der möglicherweise diplomatische wie Handelsbeziehungen belasten könnte.
Tja, was soll man da überhaupt noch sagen...
Vom Versuch des kanadischen Außenministers Stéphane Dion über den saudischen Botschafter in Kanada eine Freilassung des inhaftierten Bloggers und die Erlaubnis, seine Familie in Kanada zu kommen, zu erreichen, habe ich bei Twitter gelesen. Dieses Ersuchen wurde allerdings vom Botschafter brüsk zurückgewiesen, denn nach dessen Meinung habe der Fall Badawi nichts mit den Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu tun.
Laut Newsweek von heute wollen sich die Anwälte von Raif Badawi an die UN wenden, um den Druck auf die Regierung in Riad zu erhöhen. Sie wollen auch dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau mehr Druck machen, damit dieser direkt den saudischen König auffordert, gegenüber Raif Badawi Milde walten zu lassen, ein Schritt, der möglicherweise diplomatische wie Handelsbeziehungen belasten könnte.
Tja, was soll man da überhaupt noch sagen...
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenich muss zugeben, dass ich von Carolin Emcke noch nie gehört hatte, jedenfalls bewusst, bevor sie wegen der Preisverleihung in die Berichterstattung gekommen ist, aber was für eine intelligente Frau! Ich folge ihr seid letzter Woche auf Twitter, und hoffe, so entgehen mir keine Artikel mehr von ihr.
Ansonsten bin ich ganz bei dir. Und die Tatsache, dass Raif Badawi nun wieder vor der Auspeitschung steht, nod dazu hinter verschlossenen Türen - unvorstellbar.
Was die UN angeht, habe ich leider alle Hoffnung verloren. Wer es nicht schafft, Aleppo zu verhindern, ist als Institution leider komplett gescheitert.
Ich bin mir sicher, wir werden uns eines Tages vor folgenden Generationen dafür verantworten müssen, wie wir tatenlos zugesehen haben, wie ein Diktator sein halbes Volk umbringt und sein Land in Schutt und Asche bombt.
Danke, dass du in dieser zermürbenden Geschichte weiter dran bleibst.
Herzliche Grüße,
Tina
Tina, ich bin nach wie vor der Meinung, dass man nichts unversucht lassen sollte. Und was Aleppo oder Mossul anbelangt - das ist wohl eine Situation mit so vielen Kontrahenten und disparaten Zielen, die wohl jeden momentan überfordert, sie zu beurteilen geschweige denn einzugreifen. Der Zug dafür ist schon lange abgefahren. Ich kämpfe mich gerade durch die Berichte durch, die es von den Fronten überhaupt von westlichen Berichterstattern gibt. Es ist entsetzlich verfahren...
LöschenGLG
eine freie Demokratie ist was wir immer wieder lernen müssen, das hat Carolin Emcke auch auf dem blauen Sofa von der Frankfurter Buchmesse im Gespräch gesagt- und es hat mich sehr bewegt wie sie ihre Meinung so klar benennt und vertritt. Und deshalb passt sie zum Thema Raif !!!! Eine großartige Frau
AntwortenLöschenGruß zu dir
heiDE
Hallo Astrid, auch mir Carolin Emcke nicht bekannt... erst hier beim Lesen Deines Blogs und eines längeren Artikels im KStA machten mich auf die Friedenspreisträgerin aufmerksam. Eine tolle Frau, eine intellektuelle Journalistin die aus Kriegsgebieten berichtet und jetzt das Buch "Gegen den Hass" herausgegeben hat.
AntwortenLöschenToleranz gegenüber friedlichen Religionen und säkularen Weltanschauungen sind in Saudi Arabien ein Fremdwort. Was ist das nur für ein Land! Raif Badawi wird geschlagen weil er gebloggt hat was er denkt! Um Raif Badawi weiß ich von den Peitschenhieben. Das ist mir im Gedächtnis seit der Inhaftierung geblieben ... und natürlich durch Deine Artikel. In den Medien wird wenig berichtet, oder täusche ich mich da?
So klasse, dass Du Dich unermüdlich und kontinuierlich für ihn einsetzt.
LG Marita
Das zeichnet deine Beiträge so aus, dass du dich so dezidiert, kritisch und klar äußerst, aber keinerlei "Wut, Hass und Geifer" zulässt! Auch nicht in den Kommentaren. Würde ich genauso machen. Die ausgewählten Ausschnitte der Rede sind prima. Die ganze Rede ist sowas von gut. Danke dir und grüße dich Ghislana
AntwortenLöschenLiebe Astritt,
AntwortenLöschenalles das sind Grundrechte und die werden nicht nur in Saudi Arabien mit Füßen getreten.
Dass man, wenn man blogt weite Kreise zieht und man auch verlinkt wird, obwohl man es nicht möchte, habe ich auch schon gemerkt.
Dass manches mit Füßen getreten wird und man an gewisse Dinge nicht herankommt, das habe ich auch schon gemerkt. Ich versuche z.B. bei der SPD in Hohenlohe an manche Dinge heraunzukommen und stoße hier auf großes Schweigen.
Und ich bin mir sicher, dass je nachdem was ein Blogger schreibt, man überwacht wird.
Mit lieben Grüßen auf ein schönes Wochenende
Liebe Astrid, es tut gut, diese Rede zu lesen. Der Inbegriff von Menschlichkeit.
AntwortenLöschenglg Susanne
eine großartige rede, die in jeden schulunterricht gehört!!
AntwortenLöschenliebe grüße
mano