Donnerstag, 11. August 2016

Great Women # 70: Ulrike Edschmid


Anfang Mai 1975 - ich hatte gerade begonnen, mein Referendariat im südlich von Köln gelegenen Brühl abzuleisten - wühlte ein Ereignis die Bevölkerung in der Köln - Bonner - Bucht auf: Auf einem Supermarktparkplatz in Köln - Gremberg  ereignete sich eine Schießerei zwischen Polizisten und unbekannten "Autodieben", bei der am Ende ein toter und ein schwer verletzter Streifenpolizist sowie einer der Unbekannten auf dem Boden lagen. Dieser Mann starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus. Seine Papiere waren gefälscht. Die Ermittler brauchten eine Weile, um ihn als untergetauchten Terroristen zu identifizieren: Werner Sauber, ein Schweizer Staatsbürger. Der 28jährige gehörte zur linksextremen „Bewegung 2. Juni“, die sich nach dem Tod des Berliners Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 auf einer Demonstration gegen den Schah, konstituiert hatte. 
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So horchte ich auf, als ich am 29. Mai 2016 auf WDR 5 eine Frau über diesen längst vergessenen Vorfall sprechen hörte: Ulrike Edschmid hatte ein Buch darüber geschrieben und berichtete über ihre Lebensgeschichte, in der der Erschossene einmal eine Rolle gespielt hatte. So vieles, wovon sie erzählte, klang sehr nach meinen eigenen Erfahrungen in jener Zeit, dass ich beschloss, sie in meiner Reihe zu porträtieren.


Ulrike Edschmid kommt 1940 in Berlin zur Welt. Ihr Vater, ein Architekt, der 1943 als Kampfpilot über Russland fällt, in einem Krieg, in den er mit Begeisterung gezogen ist. 
Die Kindheit während des Krieges und der Nachkriegszeit verbringt Ulrike mit ihrer Mutter und dem Bruder auf der Burg Schwarzenfels in der hessischen Rhön.

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Dort, auf dieser abgelegenen Burg, scheint das Leben der Familie die reinste Idylle, der äußeren Not zum Trotz. Für die Kinder bietet die Burg einen romantischen Spielplatz, für die Mutter einen Schutzraum, von dem aus sie die neugewonnene Freiheit als Witwe erkunden kann. 

"Alles, so schien es, wäre in diesen Augenblicken möglich gewesen. Für das Neue aber, das meine Mutter empfand, gab es keine Übereinkunft, keine Geschichte, an die sie sich hätte halten, nichts, woraus Bilder von Zukunft hätten aufsteigen können", so schreibt Ulrike Edschmid 2006 in ihrem Roman "Die Liebhaber meiner Mutter", der ein Stück Autobiografie neben der Zeit- & Familiengeschichte enthält.

Ulrike erlebt sich selbst als Kind als immer "irgendwie anders", da sie eben auf einer Burg lebt, aber keine Adlige ist, keine Reiche, sondern eine Arme, ohne Vater, dafür aber mit einer Mutter, die immer wieder andere Liebhaber hat. Es ist ein sehr offenes Leben, interessant & ungewöhnlich, "auf nichts fundiert. Wir hatten wirklich nichts. Wir hatten auch nicht das Gefühl, etwas zu vermissen", erzählt sie hier.

Mit  Webarbeiten - selbst gewebten Teppichen - bringt die Mutter die beiden Kinder durch, später zieht sie von Tür zu Tür und verkauft Tischdecken. Sie lässt sich nicht unterkriegen in jenen rauen Nachkriegszeiten, mehr noch, sie versteht es, sich ihr Glück zu nehmen, wo sie es zu finden glaubt und pflegt dabei ein offenes Haus. Ulrike kann sich vergleichen mit den Mitschülern auf ihrem Gymnasium, bei denen sich bald der Nachkriegswohlstand zeigt, gewinnt ihrer Art von Kindheit aber auch noch in der Rückschau mehr ab: 

Dieses Hin und Her, die offenen Türen – das hat mich auf mein späteres Leben vorbereitet. Bis ich vierzig war, habe ich immer in einer Wohngemeinschaft gelebt.

Nach dem Abitur verlässt sie die Provinz, um 1960 zum Studium nach Berlin zu gehen, "weil wir hier geboren sind. Für mich war das Zurück, das war meine Stadt." In Berlin lebt sie weiterhin sehr unkonventionell, zieht nach Kreuzberg, damals ein sehr armer Stadtteil, statt in die Nähe der Uni & bewohnt dort einen Bäckerladen.

In einer kurzen Ehe mit Enzio Edschmid, Sohn von Kasimir Edschmid,  kommt der gemeinsame Sohn Sebastian 1965 in Darmstadt zur Welt ( heute ein bekannter Kameramann ).

Kasimir Edschmid, 1890 als Eduard Schmid in Darmstadt geboren und 1966 in Vulpera/Schweiz gestorben, war ein expressionistischen Dichter, 1927 mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet. 1916 lernte er die Künstlerin Erna Pinner kennen. Sie waren  zu ihrer Zeit ein berühmtes Paar ( „Sie sind eine Art Romeo und Julia der Weimarer Zeit“), das künstlerisch sehr produktiv zusammenarbeitete bis sie, Jüdin, von den Nazis verfolgt, 1935 nach England emigrierte. Er selbst erhielt Publikationsverbot, seine Bücher wurden verbrannt, aber er blieb. Ein paar Mal konnten sie sich noch treffen vor Kriegsausbruch, dann verloren sie sich aus den Augen. Im Frühjahr 1946 lebte ihre Beziehung in Briefen wieder auf. Was aber das Verhältnis der beiden überschattete, war die Entscheidung für die innere Emigration ( Kasimir ) bzw. das Exil ( Erna ). Dieses Thema prägte die intellektuelle Diskussion der Nachkriegszeit und der Gründerjahre der Bundesrepublik, in der Kasimir Edschmid 1949 Generalsekretär des P.E.N.-Zentrums der BRD wird, 1960 Ehrenpräsident - ein echter „Schriftstellerfunktionär", der sich ein Haus auf der berühmten Darmstädter Mathildenhöhe leisten kann. Seine kurzzeitige Schwiegertochter Ulrike Edschmid hätte sich um ein Haar den Schwiegervater als Dissertationsthema eingehandelt, gibt aber stattdessen seinen Briefverkehr mit Erna Pinner unter dem Titel "Wir wollen nicht mehr darüber reden" 1999 heraus.

Enzio Edschmid studiert an der an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, zu deren 1. Abschlussjahrgang 1966 er gehört. Seine Frau ist dort ebenfalls als Studentin eingeschrieben. Die Ehe ist aber bald am Ende: Als sie nach einem mehrmonatigen Aufenthalt mit einer Freundin und ihren kleinen Kindern in Rom nach Berlin heimkehrt, begreift sie, dass er mit einer anderen Frau liiert ist. Ulrike geht damit sehr offen & nach außen gewandt um und orientiert sich anderweitig in der Stadt.

Die Studentin Friederike Dollinger
mit dem erschossenen Benno Ohnesorg
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So bekommt sie auch hautnah die Geschehnisse & das brutale Vorgehen der Polizei um den 2. Juni 1967 herum sozusagen vor der Haustüre mit.

An der Demonstration aus Protest gegen den Besuch des Schahs von Persien am Abend an der Deutschen Oper nimmt Ulrike mit ihrem Sohn im Kinderwagen allerdings dann aus einer gewissen Entfernung teil. Als sie anschließend in die Akademie der Künste geht, erfährt sie, was passiert ist: Die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg durch den - später als inoffizieller Mitarbeiter der Stasi enttarnten - Karl - Heinz Kurras. Gleichzeitig laufen in der Akademie Filme aus Andy Warhols Factory - eine eigenartige Atmosphäre: "Es ging etwas zu Ende, und es fing etwas Neues an. Und ich war tief beunruhigt und gleichzeitig auch unheimlich neugierig auf alles und natürlich so verletzt, wütend.... Es war ein sehr entscheidender Tag. Es war eigentlich der Ausgangspunkt für diesen ungeheuren Zorn, den man hatte." Und weiter: "Dass sie ( die Polizei - Erg. von mir  ) im Dienste eines eines ausländischen Diktators arbeitete, das war eigentlich ungeheuerlich."

Ulrike wird also Zeitzeugin jenes Tages, der eine tiefe Erschütterung des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland nach sich ziehen wird und zu einer Polarisierung, die es bis dahin im Nachkriegsdeutschland nicht gegeben hat.

Ulrike Edschmid - Philipp Werner Sauber
1967 ist auch das Jahr, in dem sie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin Philipp Werner Sauber begegnet, Schweizer Unternehmersohn, aus bestens situiertem, calvinistisch geprägtem Bürgermilieu, an der Zürcher "Goldküste" aufgewachsen, sieben Jahre jünger als Ulrike. Sie lebt bald mit ihm zusammen:

"Das war ein sehr schönes Verhältnis. Er hat das Kind einfach, glaube ich, von Anfang an geliebt so wie mich auch. Ich glaube, der hat sich in beide verliebt. Und er hat mit einer großen Gewissenhaftigkeit, was eigentlich ungewöhnlich war für einen Menschen, der sich als Künstler fühlte und auch vielleicht stilisierte. Normalerweise gehörte da so eine Sorgfalt und Verlässlichkeit besonders Kindern gegenüber, das gehörte gar nicht zum Selbstbild. Aber er hatte das. Es hat ihn auch interessiert." (hier)

Werner Sauber: "Der einsame Wanderer"
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1968 ensteht eine einzige filmische Arbeit: "Sein Film "Der einsame Wanderer" ist einer der schönsten, die damals an der Akademie entstanden sind. Die stilistischen Einfälle, die Stilsicherheit sind erstaunlich für einen damals 22-Jährigen», sagt Harun Farocki später einmal darüber.

Im November des selben Jahres wird er aber nach einer Rektoratsbesetzung im Kampf um Ausbildungsziele von der Hochschule relegiert und widmet sich zusammen mit Ulrike als einer der Pioniere der sogenannten Kinderladen-Bewegung:

"Wir haben uns sehr mit Psychologie, mit Kindererziehung (befasst) – wir haben das berühmte Buch "Summerhill" natürlich gelesen und auch als unpolitisch dann hinter uns gelassen haben. Also die frühen Schriften von Wilhelm Reich studiert, haben uns über Sexualerziehung Gedanken gemacht. Und waren eigentlich den ganzen Tag damit beschäftigt, uns Vorstellungen zu machen und das auch ansatzweise in die Praxis umzusetzen, wie unsere Kinder aufwachsen sollen."  (Quelle hier)

Kinderladen
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Von 1969 - dem Jahr, in dem Ulrike ihren Abschluss an der DFFB macht -  wohnen sie gemeinsam in der "K 88" ( K für Kommune ) in der Berliner Grunewaldstraße, in jener berühmten Fabriketage, die zu einem Zentrum der Berliner Studentenbewegung wird. Später beziehen auch Rio Reiser und seine Band "Ton Steine Scherben" dort Quartier. Diese Wohngemeinschaft wird, wie alle anderen jener Zeit, immer wieder Opfer von Hausdurchsuchungen der Polizei, wenn irgendwo in West - Berlin oder Westdeutschland eine politische Aktion stattgefunden hat, und die Presse berichtet genüsslich darüber, egal, ob die Mitbewohner beteiligt oder unschuldig sind.

Dort wird auch einer der beiden ersten Kinderläden Berlins eingerichtet. Ulrike & ihr Lebenspartner sind massgeblich an der Entwicklung dieses alternativen, selbstverwalteten Kinderhorts beteiligt. "Es war damals fast unmöglich, in den wenigen staatlichen Kindergärten einen Platz zu kriegen", sagt Ulrike Edschmid später dazu. "Die Frauen sollten zu Hause bleiben und auf die Kinder aufpassen."

Das politische Klima in Berlin wird zu dieser Zeit immer härter & gewalttätiger.

Als im August 1970 aus einem vorbeifahrenden Mercedes, der Holger Meins gehört, eine Rohrbombe unter einen Polizeiwagen geworfen und dieser beschädigt wird, Holger Meins aber ein Alibi hat und sich der Polizei stellt, werden auch Ulrike & Sauber verhaftet, denn der Schlüssel des Wagens hat an einem Schlüsselbrett in der K 88 gehangen. Obwohl auch sie ein Alibi haben, sitzen sie vier Wochen in Isolationshaft, bis der wahre Täter gefasst wird. Ulrikes Sohn ist zu dieser Zeit mit Freunden verreist, und sie als Mutter hofft, dass sie rechtzeitig aus dem Gefängnis kommt, bevor er heimkehrt.

Meins, Sauber und Ulrike erhalten eine Haftentschädigung. Doch für die Bild - Zeitung bleibt Sauber der "Bombenbauer-Sauber". Ulrike versucht mit dem Rechtsanwalt und heutigen Grünen- Politiker Christian Ströbele einen Musterprozess gegen die Zeitung anzustreben wegen Verleumdung, aber es fehlt das nötige Geld. Holger Meins schließt sich danach der RAF an.

Auch für Werner Sauber gibt es nach der Isolationshaft kein Zurück mehr: 1971 verlässt er die Grunewaldstrasse, unterrichtet noch einige Zeit an der Hochschule für Bildende Künste im Bereich "Visuelle Kommunikation", dann folgt der sukzessive Rückzug. Er vernichtet viele Spuren, lässt Fotos verschwinden, löst seine Identität quasi auf und nimmt eine neue, unsichtbare an. Die Beziehung zerbricht nach und nach. Ulrike schafft es nicht mehr, ihn nach dem Warum zu fragen, denn er geht in den Untergrund und verschwindet ganz aus ihrem Leben. Das ist 1973.

Ulrike Edschmid an ihrem Schreibtisch mit den vielen Fotos ihres Kindes
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Auf die Frage, warum sie ihm nicht gefolgt sei, antwortet Ulrike Edschmid: „Das Kind hat mich gerettet.“ Sie gibt ihrem Sohn in jenen verwirrten Zeiten und unter ihren ärmlichen persönlichen Verhältnissen Liebe & Halt - das Kind wohl ebenso. Das ist für sie entscheidend. Das Kind erweitert außerdem ihren Blick auf die Welt. "Mit dem Kind war ich einerseits wie alle. Ich war Mutter, hatte ein Kind, was die meisten Frauen irgendwie erleben. Es hat mich auch integriert in die Gesellschaft. Und an dem Kind begriff ich aber auch, dass ich vom Leben gar nicht viel wusste." So kann sie Saubers Einstellung, dass man bereit sein müsse, sich von seinen eigenen Kindern zu trennen, wenn man eine bessere Welt für alle schaffen wolle, aufgrund ihrer Situation & Erfahrung einfach nicht teilen:

"Das, was er dann später als politischen Kampf bezeichnet hat, das war seine Sinnerfüllung. Und meine Sinnerfüllung lag in dem Alltag. In dem Alltag, das zu tun, was mich mit meinem Kind verbindet. Was mich auch mit dem Leben drumrum und mit der Gesellschaft verbindet und gleichzeitig auch mit der Veränderung dessen verbindet. Ich wollte kein davon abgetrenntes Leben führen." (Quelle hier)

Aber nach Saubers Verschwinden ist Ulrike trotzdem nicht bereit, eine Existenz im bürgerlichen Sinne zu führen: Ihre Lebensumstände bleiben prekär, aber frei. Sie bleibt politisch aktiv, aber in den Grenzen der Legalität.

"Empörung war das Lebensgefühl damals. Das kann man sich vielleicht heute gar nicht mehr so richtig vorstellen... Die Empörung fing an, wenn man mit dem Kinderwagen in die U-Bahn wollte (...  ) Die Beschneidung von Freiheit war an allen Ecken da, die Repression war überall. (...) Wir mussten uns gegen viel, viel, viel mehr wehren als heute", erzählt sie an dieser Stelle. 


Fahndungsplakat
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Ihrem ehemaligen Gefährten begegnet sie geraume Zeit später auf einem Fahndungsplakat der Polizei. Als sie am 9. Mai 1975 in der Tagesschau die Nachricht hört: "Mutmaßliche Terroristen haben der Kölner Polizei in den frühen Morgenstunden eine Schießerei geliefert", weiß sie sofort, wer der Tote ist, der einen Polizisten erschossen hat: Werner Sauber, den sie als Philip Sauber kennengelernt & mit dem sie gelebt hat...

Für Ulrike geht das Leben weiter. Für sie sind die Kinderläden das Wichtigste, die Fragen nach der Erziehung, danach wie Menschen lernen. In der pädagogischen Tätigkeit sieht sie die einzige Möglichkeit, Einfluss zu nehmen auf die Gesellschaft ohne illegale Aktionen. Sie bricht die Arbeit an ihrer Doktorarbeit ab und entschließt sich, als Lehrerin tätig zu werden.

Pädagogik und Psychologie sind in jenen Jahren die Themen, mit denen sich viele junge Menschen beschäftigen, die damit verbundenen Berufe erscheinen vielen als Möglichkeit, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun. ( Auch ein Fräulein K. entscheidet Anfang der Siebziger Jahre aus genau diesen Gründen, das Kunststudium an den Nagel zu hängen & stattdessen eine Lehrerausbildung aufzunehmen, um die Bildung in die Hauptschule zu bringen. )

Dann, nach etlichen Brüchen in ihrem Leben, findet Ulrike Edschmid zum Schreiben:

Mit Paaren beginnt ihre schriftstellerische Laufbahn, genauer mit Frauen von Schriftstellern, die im Schatten ihrer Männer bleiben und später deren Nachlass verwalten. 1990 kommt, nachdem sie viele Gespräche geführt hat, "Diesseits des Schreibtischs", 1992 "Verletzte Grenzen" heraus. Ulrike ist neugierig darauf, wie die Frauen ihre Rollen als Musen, Zuarbeiterinnen und Sekretärinnen von Männern ausfüllen, die ohne ihr "Coaching", ohne ihren stabilisierenden Einsatz kaum die Produktivität hätten entwickeln können, für die sie berühmt geworden sind. Unterordnung, Geduld und Selbstverleugnung seien unabdingbar, stellt sie fest.

2003

1996 kommt "Frau mit Waffe. Zwei Geschichten aus terroristischen Zeiten" heraus,  ein Buch, in dem sie Motiven von Katharina de Fries und Astrid Proll, zweier politischer Täterinnen, nachgeht.

"Wir wollen nicht mehr darüber reden" habe ich weiter oben schon erwähnt, ebenso das Buch über die Mutter von 2006. Bleibt noch "Nach dem Gewitter" (2003), in dem sie Fotografien, einem Zufallsfund an einer italienischen Landstraße, als Ausgangspunkt ihres Schreibens einsetzt.


Sieben Jahre brauchte sie für das nächste Buch, das sie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit bringt, und in dem sie - vierzig Jahre später - über ihre Zeit mit Werner Sauber und über die dramatischsten Jahre im Leben ihrer revoltierenden Generation erzählt: "Das Verschwinden des Philip S."
Für dieses Buch erhält sie den Johann-Jacob-Christoph von Grimmelshausen-Preis, den Preis der SWR-Bestenliste sowie den Johann Friedrich von Cotta-Literatur- und Übersetzerpreis der Landeshauptstadt Stuttgart. 2015 folgt ein Stipendium des Berliner Senats.

2013
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"Einen gewissen Anarchismus habe ich behalten. Also sagen wir mal so wie mit den Marx Brothers: Whatever it is, I am against it. Und sagen wir, ich lebe in einem kritischen Abseits und versuche, in meinem Leben bewusst zu sein und Dinge zu vermeiden, von denen ich finde, dass sie nicht sein sollten", äußert sie hier

Damit macht sie deutlich, dass sie auch als bekannte Autorin die Distanz zum Jetset des Kulturbetriebs wahren will, zu den wechselnden literarischen Moden, aber auch den politischen Erregungskurven. Und die in ihren Büchern vorrangige Beschäftigung mit der Zeitgeschichte "schließt eine Treue zu sich selber ein, die die Veränderung kennt" ( Quelle hier ). Genau so!



10 Kommentare:

  1. Hallo Astrid,
    jaa, ich habs in der Zeitung gelesen, den Preis bekam sie am
    9.7. zusammen mit dem Übersetzer Joachim Kalka.
    "Das Verschwinden des Philipp S" wollte ich als ich den Ausschnitt gelesen habe, auch lesen. Es steht auf meiner Leseliste. :-)

    Lieben Dank für deinen interessanten Bericht, den habe ich jetzt aber wirklich ganz gelesen, mit einer Tasse Kaffee, war total interessant.

    Grüßle Eva

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  2. "eine Treue zu sich selber, die die Veränderung kennt"- das ist wunderbar auf den Punkt gebracht.
    Ich habe diese Zeiten als revoltierende Teenagerin erlebt. Die Enge des Denkens, die unglaublichen Diskussionen mit der älteren Generation, aber auch das zwischen-den-Stühlen sitzen meinerseits, wenn ich meinen Freunden nicht in allem folgen konnte, weil ich auch in ihrem Denken Starrsinn entdeckte . Ein Grund,warum ich schon damals Pasolini so liebte...
    Das war wieder ein tolles interessantes Frauenportrait. Hab lieben Dank und sei herzlich gegrüßt von hier zu Dir
    Lisa

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  3. Liebe Astrid, ich weiß es noch wie gestern, die heißen Debatten an der Uni nach dem Tod von Benno Ohnesorg und all dem, was danach folgte. Da gäbe es viel zu erzählen. Hier haben wir ein gutes Beispiel. Und die Treue zu sich selbst war und ist für mich immer das Entscheidende. Ohne das fehlt die Basis.
    LG
    Magdalena

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  4. Danke für diesen Text, er beschäftigt sich mit einer Frau, die mich berührt mit ihrem Schreiben. Einen der Gründer des Kinderladens in Berlin habe ich noch kennengelernt, es war eine bewegte Zeit. Wir wollten Veränderung, sie kam. Bei manchen Dingen sehe ich heute, es geht wieder Rückwärts.

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  5. So eine spannende Frauenbiographie, streift sie doch auch Kapitel meiner frühen Jugend und ruft Bilder wach.
    Danke auch für die inspirierenden Buchtipps!
    Liebe Grüße
    Andrea

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  6. Ich freue mich, dass ich mir dafür jetzt Zeit genommen habe, eine spannende Lektüre, sehr sympathisch, wie stark diese Frau ihren Weg ging und sich selbst treu bleibend sicher die Klippen der Veränderung umschiffte. Danke dir und Grüße Ghislana

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  7. Eine interessante Frau, die von Kindern gelernt hat, die mit ihrem sohn die Gesellschaft kennengelernt hat- das ist doch großartig wenn man als Erwachsene sagen kann, ich habe von den Jungen gelernt. Und das ist, was heute fehlt!!. Sich treu bleiben und neugierig beiben. Es waren turbolente Zeiten und da kommen bei Namen wie RAF, wie Summerhill und Rio Reiser politische und kulturelle Gedanken auf,Erinnerungen und Veränderung zugleich!!!! Danke.
    Gruß zu dir
    heiDE

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  8. mit diesem post hast du mich aber gerade in meine eigene jugendzeit zurückkatapultiert! sehr, sehr spanndend zu lesen! die bücher von ulrike edschmid werde ich mir auf jeden fall besorgen - ich kenne nicht eines von ihr. warum bloß nicht??
    liebe grüße, mano

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  9. ein anderer planet - die bundesrepublik der 60er-80er jahre! vor allem aus meiner ostzonenperspektive :-)
    xxxxx

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  10. meine Generation konnte partizipieren, konnte resultierend aus den Fehlern der Großeltern, der Revolution der großen Geschwister ein selbstbestimmteres Leben führen - wenn ich bedenke wie wenig davon übrig geblieben ist...

    herzliche Grüße und vielen Dank für dieses außerordentliche Frauenporträt!!!

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Danke, dass du dir für ein paar liebe Worte Zeit nimmst!

Ich wünsche mir allerdings nach wie vor, dass ein Name am Ende des Kommentars steht.
Da die anonymen namenlosen Kommentare zuletzt wieder zugenommen haben, hier der ausdrückliche Hinweis:

Ich werde sie ab jetzt wieder konsequent NICHT freischalten.

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